Prozession
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Eine Prozession (v. lat. processio Voranschreiten, auch rogatio) ist ein religiöses Ritual, bei dem eine Menschengruppe einen nach bestimmten Regeln geordneten feierlichen Aufzug, meist zu Fuß, vollzieht. Im nichtreligiösen Bereich entsprechen ihr Festumzug, Parade, Trauerzug, Demonstration u. a.
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[Bearbeiten] Typologie
Man unterscheidet bei den Prozessionen Grundtypen, deren Aspekte sich häufig überschneiden:
- die funktionale Prozession (gestaltetes Gehen, festlicher Einzug, z. B. der Einzug bei der Messe sowie die Gabenprozession - Offertorium -, besonders ausgeprägt am Erntedankfest)
- die theophore (die Gottheit oder Göttliches mitführende) Prozession, das Mitführen und Zeigen eines bestimmten verehrten Gegenstandes oder Symbols (Reliquienprozession im Mittelmeerraum; Fronleichnamsprozession)
- die mimetische Prozession (das Nachahmen eines historischen oder mythologischen Geschehens, z. B. die Palmsonntagsprozession, Karfreitagsprozession), Osterprozession
- die demonstrative Prozession (in Bewegung gebrachte Versammlungen, z. B. Bittprozession, Begleitung eines neugeweihten Bischofs zum Bischofshaus, Leichenbegängnis)
Bei der Fronleichnamsprozession überschneiden sich das theophore (Mitführen der Hostie in der Monstranz) und das demonstrative (öffentliche Selbstdarstellung der katholischen Kirche) Element.
Katholische Prozessionen in Mitteleuropa werden oft von Blasmusikkapellen begleitet. Diese intonieren Lieder oder Prozessionsmärsche, die das gemeinsame Gehen erleichtern sollen.
Eine Sonderform der Prozession ist die in Oberschwaben, Tirol, im Schwarzwald und im Bayerischen Wald verbreitete Reiterprozession (Blutritt in Weingarten, Antlassritt, Eulogieritt, Kötztinger Pfingstritt).
Auch in den asiatischen Religionen, wie z. B. dem Hinduismus, sind Prozessionen ein wichtiger Teil des religiösen Lebens.
[Bearbeiten] Geschichte
[Bearbeiten] Griechenland
Prozession waren wichtige Teile mehrerer antiker Kulte. Das bekannteste Beispiel ist die Panhellenische Prozession von Athen auf die Akropolis.
[Bearbeiten] Rom
Die in festgelegter Reihenfolge der Beteiligten durchgeführte Pompa zu Beginn von Zirkusveranstaltungen (pompa circensis) oder Theateraufführungen (pompa theatri) war seit dem 1. Jh. v. Chr. fester Bestandteil des öffentlichen Lebens. Ebenso gab es Trauerzüge (pompa funebris) bei Begräbnisfeierlichkeiten. Kaiserliche Triumphzüge (pompa triumphalis) bildeten einen wichtigen Teil des politischen Lebens des Dominats. Im Osten wurden sie seit dem Ende des 4. Jahrhunderts selten, öffentliche Auftritte des Kaisers fanden nun vor allem in der Rennbahn, dem byzantinischen Äquivalent des Fußballstadions, statt.
[Bearbeiten] Christlicher Osten
Den christlichen Autoren galten die heidnischen Prozessionen (pompae) als heidnische Sitte, der man wegen des Kaiser- und Vielgötterkultes als gläubiger Christ fern zu bleiben hätte (siehe pompa diaboli). Zu Ostern fand jedoch in christlichen Gemeinden seit spätestens dem 4. Jh eine Prozession an der Grabeskirche in Jerusalem statt. Prozessionen fanden auch bei der Überführung von Reliquien statt, wie Johannes Chrysostomos etwa für 398 und 403 (Phokas von Pontos) beschreibt. Die Teilnehmerzahl solcher Prozessionen war auch ein wichtiger Anhaltspunkt für die Stärke innerkirchlicher Fraktionen. Eine reiche Ausstattung konnte die Anziehung der jeweiligen Glaubensrichtung durchaus stärken. Auch die Überführung der Reliquien des Chrysostomus 438 war von einer Prozession begleitet.
626 fand eine Prozession um die Mauern von Konstantinopel statt, um einen Angriff der Awaren und Perser abzuwehren, angeführt durch den Patriarchen Sergios (610–638), der eine Ikone mit dem Abbild Christi trug. Seit dem Beginn des 9. Jh wurde bei solchen Prozessionen der Mantel der Gottesmutter aus der Kirche Theotokos in den Blachernae mitgeführt.
Unter dem Patriarchen Timothäus sind für Konstantinopel ab 511 durch Theodor Lektor regelmäßige wöchentliche Prozessionen nachgewiesen, in diesem Falle zu der Kirche Theotokos Chalkoprateia.
[Bearbeiten] Frühmittelalter
Um 470 hielt Mamertus, wie es durch einen Brief von Sidonius Apollinaris belegt ist, eine Prozession in Vienne ab, die vermutlich um die Stadtmauern führte. Die erste schriftlich belegte Prozession in Rom fand 590 unter der Leitung von Gregor dem Grossen nach St. Maria Maggiore statt und sollte die Pest abwehren
[Bearbeiten] Literatur
- Brubaker, Leslie: Topography and public space in Constantinople. In: Mayke de Jong and Francis Theuws (Hrsg.), Topographies of power in the early Middle Ages. Leiden: Brill, 2001. Transformation of the Roman world Bd. 6. ISSN:1386-4165
- Quack, Anton: Prozession. I. Religionsgeschichtlich. In: Lexikon für Theologie und Kirche (3. Aufl.), Bd. 8 (1999), Sp. 678f.
- Felbecker, Sabine: Prozession. II. Liturgisch. In: Lexikon für Theologie und Kirche (3. Aufl.), Bd. 8 (1999), Sp. 679f.
- Rausch, Fred G.: Prozession. III. Frömmigkeitsgeschichtlich. In: Lexikon für Theologie und Kirche (3. Aufl.), Bd. 8 (1999), Sp. 680f.