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Otzenrath – Wikipedia

Otzenrath

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Wappen der Gemeinde Jüchen
Neu-Otzenrath
Gemeinde Jüchen
Koordinaten: 51° 7′ N, 6° 28′ O7Koordinaten: 51° 6′ 35″ N, 6° 27′ 54″ O
Einwohner: 1279 (31. Dez. 2007)
Postleitzahl: 41363
Vorwahl: 02165
Blick auf Alt-Otzenrath mit Abraumbagger am Dorfrand Ende 2006
Blick auf Alt-Otzenrath mit Abraumbagger am Dorfrand Ende 2006

Otzenrath ist ein Ortsteil der Gemeinde Jüchen im Rhein-Kreis Neuss in Nordrhein-Westfalen. Alt-Otzenrath musste dem Tagebau Garzweiler der RWE Power weichen und wurde mit dem benachbarten Dorf Spenrath gemeinsam an den Standort Neu-Otzenrath umgesiedelt.


Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Geographie

[Bearbeiten] Geographische Lage

Geplantes Abbaugebiet Garzweiler II
Geplantes Abbaugebiet Garzweiler II

[Bearbeiten] Neu-Otzenrath

Der Umsiedlungsstandort des „neuen“ Otzenrath liegt im Nordosten Hochneukirchs, im Norden von Hackhausen.
Neu-Otzenrath grenzt im Norden an Mönchengladbach-Sasserath, im Nordosten an Kamphausen, im Osten an Schaan, im Süden an Neu-Spenrath und Hochneukirch, sowie im Westen an Neu-Holz.

[Bearbeiten] Alt-Otzenrath

Das bereits vollständig devastierte Alt-Otzenrath grenzte im Norden an Alt-Holz, im Osten an Alt-Garzweiler im Süden an die Dörfer Alt-Spenrath und Pesch, sowie im Westen an Borschemich. Alle Nachbarorte von Alt-Otzenrath befinden sich ebenfalls im zukünftigen Abbaugebiet des Tagebau Garzweiler und werden somit alle ebenfalls umgesiedelt und abgerissen.
Die Köhm floss aus Richtung Alt-Garzweiler nördlich am Rand von Alt-Otzenrath vorbei in Richtung Borschemich zur späteren Mündung in die Niers.

[Bearbeiten] Geschichte

Unter dem Namen "Osrotha" wurde das Dorf erstmals im 11. Jahrhundert urkundlich erwähnt. Politisch gehörte Otzenrath seit dem Mittelalter zum Amt Grevenbroich im Herzogtum Jülich.

Gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges fielen 1642 hessische Truppen ein und brannten 16 Häuser nieder. Nach dem Krieg wohnten in Otzenrath noch 54 Familien. [1]

1794 wurde der Ort von französischen Revolutionstruppen besetzt. Otzenrath kam an die Mairie Neukirch im Kanton Odenkirchen im Arrondissement Krefeld im Département de la Roer. 1815 kam Otzenrath an das Königreich Preußen und ein Jahr später an den Kreis Grevenbroich und an die Bürgermeisterei Neukirchen, die 1873 in Bürgermeisterei Hochneukirchen umbenannt wurden. 1929 kam der Ort an den Kreis Grevenbroich-Neuß. Seit dem 1. Januar 1975 ist Otzenrath ein Teil der Gemeinde Jüchen.

[Bearbeiten] Industrialisierung

Besetzte Otzenrather Obstwiese des BUND
Besetzte Otzenrather Obstwiese des BUND

Im Unterschied zu den benachbarten Dörfer war das alte Otzenrath industriell geprägt. Dazu trug der Anschluss an das Netz der Bergisch-Märkischen Eisenbahn-Gesellschaft bei, die am 1. Oktober 1873 die Strecke Hochneukirch-Jülich (Talbahnlinie) eröffnete. Otzenrath erhielt nun einen eigenen Bahnhof. Die 1882 verstaatlichte Strecke war bis zur Stilllegung am 1. Juni 1980 in Betrieb.

1876 wurde die "Mechanische Kleiderfabrik, Weberei und Zwirnerei Bausch" gegründet, für die Otzenrath bis zum Zweiten Weltkrieg bekannt war. 1885 beschäftigte sie bereits 125 Arbeiter. Eine weitere Kleiderfabrik gründete Gerhard Dürselen im Jahr 1892. Hier arbeiteten 1968 450 Arbeiter. [2]

[Bearbeiten] Umsiedlung

Im Jahr 2000 begann die Umsiedlung der meisten Bewohner (etwa 80 Prozent) an den neuen Standort, die bis 2007 abgeschlossen wurde. Widerstand gegen den Tagebau demonstrierte zu Beginn des Jahres 2008 noch der BUND, der am nördlichen Ortsausgang am Grubenrand eine eigene Obstwiese bis zur Zwangsräumung besetzt hielt.[3]

[Bearbeiten] Religion

kath. Pfarrkirche mit Oktagon und Westwerk
kath. Pfarrkirche mit Oktagon und Westwerk
alte evangelische Barockkirche von 1706
alte evangelische Barockkirche von 1706

Der Ort liegt in der evangelischen Kirchengemeinde Otzenrath-Hochneukirch. Anders als in den Dörfern Borschemich und Keyenberg hatte die Reformation in Otzenrath schon vor 1550 Fuß gefasst, wurde aber in der Zeit der Gegenreformation wieder eingeschränkt. Religionsfreiheit wurde erst nach dem Tod des Herzogs Johann Wilhelm gewährt. 1676 erhielt die Gemeinde schließlich den ersten reformierten Pastor. 1661 nutzte die evangelische Gemeinde eine Scheune als Gotteshaus, das 1706 durch einen barocken Neubau ersetzt wurde. Nach 1900 wurde dieser denkmalgeschützte Bau allerdings abgerissen, obwohl das Düsseldorfer Konsistorium den Abriss untersagt hatte. 1910 entstand die heutige Jugendstilkirche.

1870 wurde die architektonisch eigenwillige katholische Pfarrkirche fertiggestellt.

Seit dem frühen 19. Jahrhundert lebten auch jüdische Familien in Otzenrath. 1832 wurden 23 und 1905 17 jüdische Otzenrather gezählt. [4] Nur eine Überlebende des Holocaust kehrte in das Dorf zurück.

Beide Konfessionen errichteten neue Kirchengebäude. Das Bistum Aachen als entschiedener Gegner des Tagebaus und der Zerstörung Otzenraths gab sein Kirchenland nicht freiwillig an den Bergbaubetreiber ab. Es löste die Pfarrei Otzenrath auf und ließ am neuen Ort einen kleineren sakralen Ersatzbau mit einer modernen Glasfassade errichten. An die alte Pfarrkirche erinnert der Altar, sowie der zwischen Kirche und Friedhof frei aufgestellte zentrale Pfeiler der abgerissenen Kirche.

[Bearbeiten] Bevölkerungsentwicklung

[Bearbeiten] Alt-Otzenrath

Mit der Industrialisierung stiegen auch die Einwohnerzahlen Otzenraths seit dem späten 19. Jahrhundert deutlich an:[5]

Jahr 1767 1799 1822 1871 1895 1905 1961 1970 2007
Ew 320 608 787 982 1153 1290 1776 1677 26

[Bearbeiten] Neu-Otzenrath

Jahr 2006 2007
Ew 1238 1279
Rittergut Leuffen
Rittergut Leuffen

[Bearbeiten] Bauwerke

Im alten Ort befanden sich folgende Bauwerke:

  • Die Evangelische Kirche wurde als Ersatz für einen barocken Vorgängerbau 1910 errichtet.
  • Die Katholische Pfarrkirche St. Simon und Judas Thaddäus war ein in Deutschland einzigartiges Bauwerk und bestand aus einem oktagonalen Kirchenschiff, in dem das Gewölbe nur von einer einzigen Säule aus Granit getragen wurde. Der Altarraum schloss sich östlich an das Oktagon an. Diese Baukörpergliederung war dem Aachener Dom nachempfunden. Am 18. Juni 2006 wurde in der Kirche der letzte Gottesdienst vor dem Abriss gehalten. Am 9. März 2007 folgte der Abriss des Gebäudes bis auf die Granitsäule. Diese wird in den Umsiedlungsstandort transportiert und neu aufgestellt. Weiterhin wurden einige Kirchenbänke und der Altar in die neue errichtete Kapelle in Neu-Otzenrath übernommen.
  • Das Rittergut Leuffen war eines der ältesten Anwesen in Otzenrath mit Ursprung im 13. Jahrhundert. Der Hof war einst Kapitelshof des Klosters Maria im Kapitol in Köln. Nach der Säkularisierung der Klöster während der napoleonischen Besetzung Anfang des 19. Jahrhunderts wurde der Hof von der Familie Leuffen erworben. Das zuletzt sichtbare "Schlößchen" sowie die dazu gehörigen Hofanlagen wurden erst danach erbaut. Im Mai 2006 finden im Innehof und im Park des Gutes umfangreiche Grabungen des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege statt. Hierbei wurden u. a. frühere Hofanlagen freigelegt. Besonders unter der Scheune werden noch die Reste einer Burganlage aus dem 13. Jahrhundert vermutet. Das Rittergut Leuffen wurde am 26. Februar 2007 abgerissen.
  • Der Neuwerkerhof (Hofstraße 79) wurde im 12. Jahrhundert als Kapitelshof des Klosters Neuwerk (Mönchengladbach) erstmals erwähnt. Der große fränkische Vierkanthof wurde anfangs von einem Klosterhalfen bewirtschaftet. Der Hof ist im 17. Jahrhundert niedergebrannt, wurde wiederaufgebaut und brannte erneut ab. Das noch bestehende, im Rahmen einer THW-Übung jedoch stark verwüstete, Wohnhaus wurde 1778 errichtet, die übrigen Hofanlagen stammen teilweise aus den 1950er-Jahren.

[Bearbeiten] Bildung

Neu-Otzenrath
Neu-Otzenrath

Der neue Ort verfügt über die Janusz-Korczak-Grundschule. Bis zum Sommer 2006 mussten die Grundschulkinder noch nach Alt-Otzenrath gebracht werden. Auch die Wilhelm-Jansen-Sporthalle wurde neu erbaut. Ein katholischer Kindergarten besteht ebenfalls.

[Bearbeiten] Verkehr

[Bearbeiten] Bahn

Der nächstgelegene Bahnhof ist Jüchen-Hochneukirch an der Bahnstrecke Köln–Mönchengladbach. Vom Dorfmittelpunkt in Neu-Otzenrath kann man ihn nach einem 15 Minuten langen Fußmarsch erreichen.

[Bearbeiten] ÖPNV

Neu-Otzenrath ist mit den Bushaltestellen „Jüchen, Nordstraße“ und „Jüchen, Marktstraße“ an das ÖPNV-Netz der Niederrheinischen Verkehr und Versorgung AG (NVV) angeschlossen. Mit den Bussen kann man die Bahnhöfe Jüchen und Hochneukirch erreichen.

[Bearbeiten] Autobahn

Der alte Ort besaß einen Autobahnanschluss an die A 44. Das betreffende Autobahnteilstück wurde aber im Zuge des Tagebaus abgebaut. Der neue Ort ist nun über die Anschlussstelle Mönchengladbach-Odenkirchen der A 44 an das Autobahnnetz angeschlossen.

[Bearbeiten] Veranstaltungen

[Bearbeiten] Vereine

  • Dorfgemeinschaft Otzenrath/Spenrath
  • Kolpingsfamilie Otzenrath
  • VfL 1909 eV Otzenrath
  • Spielverein 1909 Otzenrath e.V.

[Bearbeiten] Bilder

[Bearbeiten] Filme

  • Der nahezu ausgestorbene Ort diente 2004 als "Schaffrath" als Kulisse für die Tatort-Produktion "Schürfwunden" des WDR mit Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär.
  • Unter der Regie von Jens Schanze entstanden zwei den Umsiedlungsprozess begleitende Dokumentarfilme: "Otzenrather Sprung" (2001) und "Otzenrath 3° kälter" (2007). Der erste Film erhielt 2002 den Adolf-Grimme-Preis.
  • Der Film "OTZENRATH, Last Day" entstand 2005/2005. Er ist das Abschlussprojekt von Martijn Smits an der Niederländischen Filmakademie in Amsterdam und gewann 2006 den Zuschauerpreis auf dem Dokumentar- und Kurzfilm-Festival im spanischen Bilbao. [6]

[Bearbeiten] Literatur und Quellennachweis

  1. Karl L. Mackes: Erkelenzer Börde und Niersquellgebiet. Mönchengladbach 1985 S. 325 u. 183
  2. Karl L. Mackes: Erkelenzer Börde und Niersquellgebiet. Mönchengladbach 1985 S. 118
  3. http://www.bund-nrw.de/obstwiese_garzweiler.htm
  4. Karl L. Mackes a.a.O. S.430
  5. Einwohnerzahlen nach Mackes a.a.O. S. 1883
  6. http://www.imdb.com/title/tt0898938/

[Bearbeiten] Weblinks

Commons
 Commons: Otzenrath – Bilder, Videos und Audiodateien
Filme, Reportagen und Dokumentationen
Fotos von (Alt-)Otzenrath
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