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Magnetsinn – Wikipedia

Magnetsinn

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Als Magnetsinn oder Orientierung am Erdmagnetfeld wird die Fähigkeit von Tieren bezeichnet, das Magnetfeld der Erde wahrzunehmen und für die Ortsbestimmung zu nutzen. Die Fähigkeit, sich am Magnetfeld der Erde zu orientieren, wurde erst seit Mitte der 1960er-Jahre bei Tieren und auch bei Bakterien experimentell nachgewiesen. Am besten untersucht ist heute der sogenannte „Magnetkompass“ der Zugvögel, [1] dennoch gilt der Magnetsinn noch immer als eine weitgehend unerforschte Sinnesleistung der Tiere.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Historisches

Wolfgang Wiltschko neben einer Versuchsanordnung zum Nachweis des Magnetsinns bei Küken
Wolfgang Wiltschko neben einer Versuchsanordnung zum Nachweis des Magnetsinns bei Küken

1965 regte der Ornithologe, Experte für den Vogelzug und damalige Ordinarius für Zoologie der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Prof. Friedrich Wilhelm Merkel an, die biologischen Grundlagen des Vogelzugs auch experimentell zu untersuchen. Dieser Anregung folgend, konstruierte Wolfgang Wiltschko für seine Doktorarbeit im Keller des Zoologischen Instituts in Frankfurt am Main einen speziellen Käfig, der einerseits vom Erdmagnetfeld genügend stark abgeschirmt werden konnte, um den herum er aber ein schwaches, statisches Magnetfeld künstlich erzeugen konnte. Bei seinem „Modelltier“ Rotkehlchen gelang ihm als erstem Forscher der experimentelle Nachweis, dass Tiere ein statisches Magnetfeld wahrnehmen und ihr Verhalten in Abhängigkeit von diesem Magnetfeld verändern können; seine Veröffentlichung dieser Befunde markierte den Beginn eines neuen Forschungszweigs in der Verhaltensökologie. [2] Später sicherte er seine Befunde durch Studien an Dorngrasmücken [3] und Tauben [4] ab.

Anfangs stießen die Veröffentlichungen der Frankfurter Ornithologen auf große Skepsis bei ihren Fachkollegen, da es mehreren anderen Arbeitsgruppen nicht gelang, Wiltschkos Befunde zu reproduzieren und so zu bestätigen. Haupthindernis für die Wiederholbarkeit andernorts war, wie sich im Rückblick zeigte, dass einerseits das Erdmagnetfeld abgeschirmt, zugleich aber ein künstliches statisches Magnetfeld aufgebaut werden musste und dessen Intensität nicht allzu stark von der des Erdmagnetfelds abweichen durfte. Erst 1972 wurden die Frankfurter Forschungsergebnisse durch ihre Veröffentlichung in der Fachzeitschrift Science gleichsam international anerkannt; [5] diese Veröffentlichung gilt heute gewissermaßen als die Erstbeschreibung eines neu entdeckten Sinnesorgans in der Tierwelt.

Nach den „Modelltieren“ Rotkehlchen, Dorngrasmücke und Tauben konnte der Magnetsinn inzwischen bei ungefähr 50 Arten [6] nachgewiesen werden: so zum Beispiel bei Termiten und Ameisen, bei Wespen und Honigbienen, bei Feldmaikäfern, Drosophila melanogaster und der Hausmutter; bei Weichtieren, Krebstieren, Amphibien und Reptilien, bei europäischen Aalen und diversen Lachsen, bei Waldmäusen, Goldhamstern, Hauspferden und weiteren Säugetieren. [7]

2005 gelang der Nachweis, dass Küken des Haushuhns (Gallus gallus) ihre „Mutter“ mit Hilfe des Magnetfeldes wiederfinden können, wenn diese hinter einer Sichtblende versteckt wurde. [8]

[Bearbeiten] Wie erkennen Vögel das Magnetfeld?

Ein technischer Kompass weist die Richtung von magnetisch Nord nach magnetisch Süd mit Hilfe der Polung des irdischen Magnetfeldes aus, er unterscheidet also gewissermaßen zwischen Nordpol und Südpol. Der Magnetsinn der Vögel basiert hingegen auf dem Erkennen der Inklination des Erdmagnetfeldes: Vögel bestimmen den Neigungswinkel der Magnetfeldlinien relativ zur Erdoberfläche. Sie unterscheiden also zwischen "polwärts" und "äquatorwärts", denn am Pol weisen die Magnetfeldlinien senkrecht nach oben, während sie am Äquator genau parallel zur Erdoberfläche verlaufen.

[Bearbeiten] Physiologische Mechanismen

Der Magnetsinn im Auge funktioniert wahrscheinlich mit Hilfe der so genannten Radikal-Paar-Bildung, die bereits 1976 von dem deutschen Biophysiker Klaus Schulten (heute Professor an der University of Illinois) beschrieben wurde. Diesem Modell zufolge besteht der Magnetrezeptor aus einem Molekülpaar, das durch Licht aktiviert werden kann und anschließend, infolge der Übertragung eines Elektrons, ein sehr kurzlebiges, so genanntes Radikal-Paar bildet. Dieses Paar alterniert ständig zwischen zwei quantenmechanisch möglichen Zuständen. Nach dessen Zerfall können sich Moleküle mit unterschiedlichen Eigenschaften bilden, je nachdem, in welchem Zustand sich dieses Radikal-Paar zuletzt befand. Dieser Endzustand ist dem Modell zufolge aber abhängig von der Inklination: Wenn die Magnetfeldlinien ausgeprägt senkrecht auf das Radikal-Paar treffen, entsteht ein anderes Verhältnis der beiden chemischen Endprodukte zu einander, als wenn die Magnetfeldlinien relativ flach auf das Radikal-Paar treffen. Im Ergebnis wird diesem Modell zufolge eine physikalische Gegebenheit (das örtliche Magnetfeld) in eine chemische Gegebenheit "übersetzt" und so ein wesentlicher Schritt zur Wahrnehmung mit Hilfe eines spezialisierten Sinnesorgans zurückgelegt.

Der "Sitz" des Magnetsinns bei Vögeln ist bis heute nicht mit absoluter Sicherheit nachgewiesen. Als geeignete Moleküle werden von den Forschern insbesondere so genannte Cryptochromen genannt, die in hoher Konzentration u.a. in der Ganglienzellschicht und den Fotorezeptoren von Gartengrasmücken nachgewiesen wurden. Demnach wäre die Netzhaut der Sitz des Magnetsinns. Von Wolfgang Wiltschko stammt die Beobachtung, dass die Orientierung von Zugvögeln am Magnetfeld nur gelingt, wenn ihr rechtes Auge nicht abgeklebt ist, während einäugig links sehende Tiere dann hilflos zu sein scheinen. Eine andere Frankfurter Forschergruppe kam ferner zu dem Ergebnis, dass auch im Bereich des Schnabels magnetisch empfindliche Strukturen vorhanden sind.

[Bearbeiten] Alternative Hypothesen

Ebenfalls beobachtet wurden Magnetsinnessysteme, die vermutlich auf der Wirkung sogenannter Magnetite beruhen. Das sind kleine Eisenoxid-Ketten, die an Ionenkanälen gebunden sein könnten. Wenn sich die Intensität des Magnetfeldes verändert, ziehen die Magnetite am Ionenkanal und öffnen ihn. Der Transduktionsmechanismus funktioniert also ähnlich wie die Haarzellen des Hörsystems. Vermutet wird diese Art von Magnetsinn v. a. bei Mullen, Forellen und im Schnabel mancher Vögel.

[Bearbeiten] Magnetsinn beim Menschen

Ob auch der Mensch das Magnetfeld der Erde wahrnehmen und zur Richtungsbestimmung bei Ortsveränderungen nutzen kann, wurde bisher kaum erforscht. Die Aussagekraft der veröffentlichten Studien, die einen Magnetsinn beim Menschen bejahen, ist zudem umstritten, da sie aus einer einzigen Arbeitsgruppe stammen.

Ende der 1970er-Jahre hatte Robin Baker an der Universität Manchester mit Experimente begonnen, bei denen Versuchspersonen zunächst in einem Auto mit verbundenen Augen kreuz und quer umhergefahren und schließlich aufgefordert worden waren, zum Ausgangspunkt der Irrfahrt zu deuten. Seiner Publikation zufolge konnten die Versuchspersonen signifikant korrekter die Richtung weisen als Kontrollpersonen, denen man einen Stabmagnet am Hinterkopf befestigt hatte. [9] Diese Testanordnung wurde umgehend von mehreren Arbeitsgruppen wiederholt, jedoch konnten die Ergebnisse andernorts nicht reproduziert werden. [10] Robin Baker hingegen variierte seine Vorgehensweise, indem er Versuchspersonen beispielsweise mit verbundenen Augen und auf verschlungenen Wegen durch Wälder führen und sie danach die Richtung nach Norden weisen ließ. Ferner wurden Versuchspersonen mit verbundenen Augen auf Drehstühle gesetzt, unregelmäßig nach links und rechts gedreht und nach einem abrupten Stopp gefragt, in welche Richtung ihr Gesicht schaut. Während Baker zwar ziemlich ungenaue, gleichwohl aber signifikant korrekte Richtungsweisungen nachzuweisen behauptete, [11] konnten auch diese Ergebnisse von anderen Forschergruppen nicht bestätigt werden. Ob die Arbeitsgruppe in Manchester einer Selbsttäuschung unterlegen ist oder ob auch der Mensch tatsächlich eine zumindest schwach ausgeprägte Fähigkeit besitzt, das Magnetfeld der Erde für sein Orientierungsverhalten zu nutzen, ist nach Auffassung von Experten eine Frage, die erst nach weiteren Experimenten beantwortet werden kann. [12]

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Quellen

  1. R. Wiltschko, W. Wiltschko: Magnetic orientation in animals. Springer Verlag, 1995, S. 44
  2. W. Wiltschko, F. W. Merkel: Orientierung zugunruhiger Rotkehlchen im statischen Magnetfeld. Verh. der Dtsch. Zoolog. Ges., Band 59, 1966, S. 362–367
  3. W. Wiltschko, F. W. Merkel: Zugorientierung von Dorngrasmücken (Sylvia communis). Vogelwarte, Band 26, 1971, S. 245–249
  4. R. Wiltscko, W. Wiltschko: Relative importance of stars and magnetic field for the accuracy of orientation in night-migrating birds. Oikos, Band 30, 1878, S. 195–206
  5. W. Wiltscko, R. Wiltscko: Magnetic compass of European robins. Science, Band 176, 1972, S. 62–64
  6. Kiminori Maeda et. al.: Chemical compass model of avian magnetoreception. Nature, Band 453, 2008, S. 387–390, doi:10.1038/nature06834
  7. Eine umfassende Übersicht mit zahlreichen weiterführenden Literaturhinweisen geben R. Wiltschko, W. Wiltschko: Magnetic orientation in animals. Springer Verlag, 1995, S. 57–90
  8. Rafael Freire, Ursula H. Munro, Lesley J. Rogers, Roswitha Wiltschko und Wolfgang Wiltschko: Chickens orient using a magnetic compass. Current Biology, Band 15, 2005, R620–R621; Volltext. Die Küken waren vor den Tests auf einen roten Tischtennisball geprägt worden, so dass dieser als „Mutter“ fungierte, ohne hinter der Sichtblende Geräusche oder sonstige Locksignale zu verursachen.
  9. R. Robin Baker: Goal orientation by blindfolded humans after long-distance displacement: possible involvement of a magnetic sense. Science, Band 210, Heft 4469, 1980, S. 555–557
  10. James L. Gould, Kenneth P. Able: Human homing: an elusive phenomenon. Science, Band 212, Heft 4498, 1981, S. 1061–1063
  11. R. Robin Baker: Human navigation and magnetoreception. Manchester University Press, 1989
  12. Wiltschko und Wiltschko schreiben in ihrem Buch Magnetic orientation in animals resignierend (S. 73, übersetzt): „Es ist nicht einfach, sich eine Meinung zu bilden.“

[Bearbeiten] Literatur

  • Roswitha Wiltschko und Wolfgang Wiltschko: Magnetic Orientation in Animals. 1998: Heidelberg (Springer Verlag), ISBN 3-540-59257-1
  • Wolfgang Wiltschko: Magnetic Orientation. In: Josef Dudel, Randolf Menzel, Robert F. Schmidt: Neurowissenschaft. Vom Molekül zur Kognition. 2001: Berlin (Springer), ISBN 3-540-41335-9
  • Henrik Mouristen und Thorsten Ritz: Magnetoreception and its use in bird navigation. COiN, 2005

[Bearbeiten] Weblinks

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