Krise
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Die Krise (alt- und gelehrtes Griechisch κρίσις, krísis - heute κρήση, krísi - ursprünglich „die Meinung“, „Beurteilung“, „Entscheidung“, später mehr im Sinne von „die Zuspitzung“) bezeichnet eine problematische, mit einem Wendepunkt verknüpfte Entscheidungssituation. „Krise“ ist sowohl in der Medizin und Psychologie, in der (v. a. Marxschen) Wirtschaftstheorie und Soziologie sowie teilweise in der Ökologie und Systemtheorie ein Fachbegriff.
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[Bearbeiten] Wortherkunft und Abgrenzung
Die „Krise“ ist ein griechisches Substantiv (ein anderes ist die „Kritik“) zum altgriechischen Verb krínein, welches „trennen“ und „(unter-)scheiden“ bedeutet (Hermann, 1969 nach Designing and Evaluation Games and Simulations. A Process Approach, M. Gredler, 1992). Es bezeichnet „(Ent-)Scheidung“, „entscheidende Wendung“ (Duden) und bedeutet eine „schwierige Situation, Zeit, die den Höhe- und Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung darstellt“ (Duden). Dass es sich hierbei um einen Wendepunkt handelt, kann jedoch oft erst konstatiert werden, nachdem die Krise abgewendet oder beendet wurde (Gredler, 1992). Nimmt die Entwicklung einen dauerhaft negativen Verlauf, so spricht man von einer Katastrophe (wörtlich in etwa „Niedergang“).
Ins Deutsche wurde das Wort von der lateinischen crisis entlehnt und ist seit dem 16. Jahrhundert nachweisbar [1], erst in medizinischen Zusammenhängen v. a. fieberhafter Erkrankungen, wo es die sensibelste Krankheitsphase bezeichnete, der bei glücklichem Verlauf der Infektion (ohne Möglichkeit der Antibiotikagabe) eine Entfieberung innerhalb eines Tages folgte und die endgültige Krankheitsabwehr einläutete [2], später auch in allgemeineren Zusammenhängen (siehe oben).
Das zugehörige Verb kriseln[1] ist dagegen informell und nicht Teil der offiziellen Hoch- und Schriftsprache.
Der Krisenmanager Steven Fink sieht Unternehmenskrisen nicht als etwas notwendigerweise Negatives. Er definiert Vorläufer der Krise aus dem Blickwinkel der Wirtschaft als jede „prodromal situation" (also eine Phase, die Warnsignale für das Auftreten einer Krise beinhaltet), welche die Gefahr birgt,
- sich so zuzuspitzen, dass sie schwer beherrschbar wird,
- den Argwohn der Massenmedien oder der Regierung auf sich zu ziehen,
- die reguläre Geschäftstätigkeit zu beeinträchtigen (Crisis Management. Planning for the Inevitable, S. Fink, 1986, S.15).
Charakteristika einer Krise sind nach Norbert Wiener und Herman Kahn (1962 nach Gredler, 1992) eine dringende Notwendigkeit von Handlungsentscheidungen, ein durch die Entscheidungsträger wahrgenommenes Gefühl der Bedrohung, ein Anstieg an Unsicherheit, Dringlichkeit und Zeitdruck und das Gefühl, das Ergebnis sei von prägendem Einfluss auf die Zukunft. Außerdem haben es die Entscheidungsträger oft mit unvollständiger oder verfälschter Information zu tun (Gredler, 1992). Auf emotionaler Ebene entsprechen ihr Verzweiflung oder unkontrollierbarer Zorn/Wut. Die subjektive Seite der Krise ist ihre Wahrnehmung durch den Betroffenen, die objektive die (historisch zurückblickende und) Einzelfaktoren zusammen bewertende, distanzierte Sicht.
Im Konzept der „kritischen Situation“ darf nicht jede kritische Situation mit einer Krise gleichgesetzt werden. Krisen bestehen im allgemeinen aber aus einer Ansammlung kritischer Situationen. Kritisch bedeutet hierbei, dass es sich um für den weiteren Verlauf des Gesamtprozesses entscheidende Phasen handelt. Kritische Situationen können dabei geplant sein, vorhersehbar sein oder völlig unerwartet eintreten.
[Bearbeiten] Psychische Krise
Eine psychische Krise (unpräzise auch „psychologische Krise“) oder eine Krisensituation ist in der Klinischen Psychologie und Psychiatrie wie im gesamten psychosozialen Bereich ein durch ein überraschendes Ereignis oder akutes Geschehen hervorgerufener schmerzhafter seelischer Zustand oder Konflikt zwischen mehreren beteiligten Personen, der dann entsteht, wenn sich eine Person oder eine Gruppe Hindernissen auf dem Weg zur Erreichung wichtiger Lebensziele oder bei der Alltagsbewältigung gegenübersieht und diese nicht mit den üblichen Problemlösungsmethoden bewältigen kann.
Eine Krise in diesem Sinne äußert sich als plötzliche oder fortschreitende Verengung der Wahrnehmung, der Wertesysteme sowie der Handlungs- und Problemlösungsfähigkeiten. Eine Krise stellt bisherige Erfahrungen, Normen, Ziele und Werte in Frage und hat oft für die Person einen bedrohlichen Charakter. Sie ist zeitlich begrenzt. Die Psychoanalytikerin Verena Kast stellte ein Krisenmodell vor, das die kreativen Potentiale des Krisenprozesses in den Vordergrund stellt. Sie führte aus, dass es bei den verschiedenartigsten Krisentypen (Wachstumskrisen, Reifungskrisen usw.) einen typischen Verlauf gibt. Dieser lässt sich in einigen Phasen darstellen und ermöglicht dem Helfer/Berater/Therapeuten eine schnelle diagnostische Beurteilung (Verena Kast, Der schöpferische Sprung, München 1987).
Wie bei allen Phasenmodellen muss der Behandelnde/Begleiter der Indexperson sich darüber im Klaren sein, dass Phasenmodelle immer nur eine theoretische Annäherung an die beobachtete Situation ermöglichen. Der Betroffene wird hier die Phasen in seinem Krisenprozess nicht linear durchlaufen, sondern auch Rückschritte erleben.
In Krisensituationen ist es hilfreich, sich Unterstützung zu holen. Das kann das Gespräch mit Vertrauten und Freunden sein oder das Aufsuchen eines professionellen Helfers. Letzteres ist unabdingbar, wenn der Betroffene keinen Ausweg aus seiner Situation findet und er keinerlei neue Strategie zur Problemlösung entwickeln kann. Hier droht Gefahr für Seele und Leib.
Eine mögliche Folgereaktion kann bei einer nicht angemessen bewältigten Krise die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) sein.
[Bearbeiten] Krisendienst
Ein Krisendienst, der Tag und Nacht zur Verfügung steht, ist z.B. die Telefonseelsorge mit landesweit einheitlicher kostenloser Rufnummer
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Deutschland 0800 - 111 0 111
0800 - 111 0 222
0800 - 111 0 333 - für Kinder und JugendlicheÖsterreich 143 Schweiz 142
Dort kann man auch Adressen von örtlichen Beratungsstellen erfahren. In vielen Städten gibt es spezielle Krisendienste für psychosoziale Probleme, die den Hilfesuchenden auch zuhause aufsuchen können. Auch bei Gewalt und Gewaltdrohung (Häusliche Gewalt) und bei Vergewaltigung gibt es entsprechende direkte Hilfen. Besondere Krisendienste gibt es für psychisch Kranke, für Alkoholiker, für Frauen, Männer, Kinder, Jugendliche und für viele andere Gruppen.
[Bearbeiten] Siehe auch
- Katastrophe
- Stress
- Krisengebiet (Krisenherd)
- Krisenkult
- Krisis, eine wertkritische Zeitschrift
- Crisis