Johan Rudolf Thorbecke

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Johan Rudolf Thorbecke
Johan Rudolf Thorbecke

Johan Rudolf Thorbecke (* 14. Januar 1798 in Zwolle; † 4. Juni 1872 in Den Haag) war ein liberaler niederländischer Politiker und Staatstheoretiker. Thorbecke gilt als Begründer der parlamentarischen Demokratie in den Niederlanden und als bedeutendster Staatsmann des Landes im 19. Jahrhundert.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Wissenschaftliche Karriere

Bevor er in die Politik ging, machte Thorbecke eine Karriere als Wissenschaftler. Nach dem Besuch der Lateinschule in Zwolle und der gymnasialen Ausbildung am Atheneum Illustre in Amsterdam studierte er Altphilologie an der Universität Leiden, wo er auch promovierte. 1822 habilitierte sich Thorbecke als Dozent in Gießen, dann publizierte er in Göttingen seine geschichts-philosophische Arbeit Über das Wesen und den organischen Charakter der Geschichte, und wurde 1825 Professor der politischen Wissenschaften zu Gent. Die Belgische Revolution beendete seine dortige Lehrtätigkeit 1830 und er ging nach Leiden, wo er eine Professur der Rechte übernahm.

[Bearbeiten] Politische Karriere

Johan Rudolf Thorbecke
Johan Rudolf Thorbecke
Denkmal in Amsterdam
Denkmal in Amsterdam

1840 wurde Thorbecke in die Zweite Kammer des Parlaments (Generalstaaten) berufen und ergriff die Initiative für eine durchgreifende Verfassungsreform, die er bereits durch seine Schriften: Aanteekening op de grondwet und Proeve van herziene grondwet gefordert hatte. 1845 legte er den vollständig ausgearbeiteten Entwurf einer Verfassungsreform vor, scheiterte aber mit 21 zu 35 Stimmen im Parlament. Unter dem Eindruck der revolutionären Unruhen in weiten Teilen Europas wurde er 1848 von König Willem II. beauftragt, mit einer Kommission unter seiner Leitung eine vollständige Revision des Grundgesetzes auszuarbeiten. Zentrale Punkte der Verfassungsreform waren die ausschließliche Verantwortung der Minister für die Regierung (und damit die Entmachtung des Königs) und die Stärkung der Zweiten Kammer der Generalstaaten mit einer Direktwahl des Parlaments (bis nach dem Ersten Weltkrieg aber noch nicht mit allgemeinem und gleichem Wahlrecht). Am 3. November 1848 kommt diese 'friedliche Revolution' mit der Annahme durch das Parlament zu einem erfolgreichen Abschluss. Eine wichtige Rolle spielt dabei König Willem II., der die Grundgesetz-Kommission eingesetzt hatte und selbst massiven Einfluss auf konservative Abgeordnete, vor allem der Ersten Kammer, nimmt, damit die neue Verfassung angenommen wird. Nach eigenen Aussagen hatte er sich innerhalb einer Nacht vom Konservativen zum Liberalen gewandelt.

In den folgenden Jahren war Thorbecke dreimal Vorsitzender des Ministerrates und gleichzeitig Innenminister: 1849–1853, 1862–1866 und 1871–1872.

Thorbecke wird als streng, schroff, sogar rücksichtslos beschrieben und geriet in Auseinandersetzungen mit Willem II. und noch mehr mit Willem III. Bei Protestanten machte er sich mit der Zulassung katholischer Bistümer unbeliebt und selbst politische Weggefährten brachen mit ihm. Dennoch gelang es ihm, die Niederlande grundlegend zu reformieren und zu einem modernen und liberalen Staat umzuwandeln. In seine Amtszeit fällt zudem die Aufhebung der Sklaverei in Niederländisch-Westindien (1863).

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Literatur

Gesammelt erschienen Thorbeckes kleinere Schriften ("Historische schetsen", 2. Aufl., Haag 1872), seine völlige Korrespondenz, seine Reden (Deventer 1856-70, 6 Bde. und Groningen 1900-1910, 6 Bde.). Sehr wichtig war seine Arbeit "Aanteekening op de Grondwet" (1839) Vgl. J. Drentje: Thorbecke, een filosoof in de Politiek, Amsterdam 2004