Guaraní (Sprache)
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Guaraní | ||
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Gesprochen in |
Paraguay, Argentinien, Bolivien, Brasilien | |
Sprecher | 4 bis 5 Millionen | |
Linguistische Klassifikation |
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Offizieller Status | ||
Amtssprache von | Paraguay | |
Sprachcodes | ||
ISO 639-1: |
gn |
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ISO 639-2: |
grn |
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SIL/ISO 639-3: |
grn |
Guaraní [gwaɾaˈni] (eigener Name: avañe'ẽ) ist eine Sprache, die in Paraguay, im nordöstlichen Argentinien, Teilen von Bolivien, und im südwestlichen Brasilien gesprochen wird. Guaraní gehört zur Sprachfamilie der Tupi-Guaraní-Sprachen.
Es gibt etwa 4 bis 5 Millionen Guaraní-Sprecher. Maximalschätzungen gehen von bis zu 6 Millionen aus, wobei auch Personen gezählt werden, die nur geringe Guaraní-Kenntnisse haben, was etwa bei Stadtbewohnern in Paraguay häufig vorkommt.
In der deutschen Sprache finden sich einige Wörter, die dem heutigen Wort auf Guaraní entsprechen oder sehr ähnlich sind. Diese Wörter kamen über das Portugiesische ins Deutsche, das die Wörter aus dem eng verwandten Tupi übernommen hat, das früher an der brasilianischen Küste und in São Paulo gesprochen wurde: "Capybara", "Jaguar", "Jaguarundi", "Tapir", "Ananas", "Maniok", "Maracas", "Maracuja", "Nandu" und "Piranha".
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Geschichte
Guaraní wurde schon in der spanischen Kolonialzeit zum Zwecke der christlichen Missionierung als Schriftsprache verwendet. Der Jesuitenstaat in der spanischen Kolonialzeit, der im Wesentlichen einen Teil des heutigen östlichen Paraguay und die heutige argentinische Provinz Misiones umfasste, begünstigte die Guaraní-Sprache, da die Jesuiten die Zuwanderung weißer Siedler stark einschränkten und das Guaraní als ausschließliche Sprache verwendeten. In der weltlichen Provinz Paraguay um Asunción hingegen blieb das Guaraní zwar die vorherrschende Umgangssprache der Bevölkerung, da die Anzahl der Siedler spanischer Herkunft verhältnismäßig gering war und sich diese mit den Einheimischen vermischten, Amtssprache war dort jedoch ausschließlich das Spanische, das das gesprochene Guaraní in vielerlei Hinsicht beeinflusste. Mit dem Ende der Jesuitenreduktionen im Jahre 1767 verlor das Guaraní auch dort seine Sonderstellung.
Auch im unabhängigen Paraguay blieb das Spanische alleinige Amtssprache. Das Guaraní wurde zwar als ein wichtiges kulturelles Merkmal der paraguayischen Nation betrachtet, seine Verwendung blieb aber auf den mündlichen Gebrauch und auf Literatur vorwiegend folkloristischen Charakters beschränkt.
Erst in jüngerer Zeit wurde in Paraguay begonnen, das Guaraní auch im Bildungswesen und als Amtssprache zu verwenden und die unterschiedlichen in Gebrauch befindlichen Rechtschreibsysteme zu einer weitgehend phonetischen Orthographie zu vereinheitlichen.
[Bearbeiten] Dialekte
Die mit Abstand am weitesten verbreitete Varietät des Guaraní ist das Paraguayische Guaraní [gug], dass aus der Sprache der zumindest teilweise spanisch akkulturierten Einwohner sowohl der kolonialen weltlichen Provinz Paraguay als auch des Jesuitenstaates hervorgegangene ist und infolgedessen vielfältige spanische Einflüsse zeigt. Es hat (laut SIL) 4,6 Millionen kulturell mestizische Sprecher. Das Paraguayische Guaraní wurde früher auch in den argentinischen Provinzen Misiones und Corrientes und angrenzenden Gebieten Brasiliens gesprochen, ist dort jedoch heute unter der einheimischen Bevölkerung weitgehend vom Spanischen bzw. Portugiesischen verdrängt worden. Infolge von Zuwanderung aus Paraguay gibt es jedoch auch heute in Argentinien und Brasilien eine größere Zahl von Sprechern des Paraguayischen Guaraní.
Unabhängig vom Paraguayischen Guaraní wird von indigenen Gruppen, die sich zum Volk der Guaraní rechnen, eine Anzahl von Varietäten des Guaraní gesprochen, die sich teilweise recht stark voneinander unterschieden und heute meist nur eine relativ geringe Sprecherzahl haben:
- Simba-Guaraní [gnw] (in Bolivien, 7000 Sprecher laut SIL International)
- Chiriguano / Guarayo-Guaraní [gui] (50.000 Sprecher, davon 34.000 in Bolivien und der Rest in Argentinien und Paraguay)
- Mbyá-Guaraní [gun] (16.000 Sprecher, davon 8000 in Paraguay, der Rest in Brasilien und Argentinien)
Im weiteren Sinne sind Varianten des Guaraní auch:
- Aché oder Guayaqui [guq] (1500 in Paraguay)
- Kaiwá [kgk] (15.000 in Brasilien)
- Chiripá oder Ñandeva [ndh] (7000 in Paraguay, 5000 in Brasilien)
- Xetá [xet] (in Brasilien, fast ausgestorben)
Während es in Bolivien, Argentinien und Brasilien eine zunehmende Assimilation der Sprecher dieser Guaraní-Varietäten ans Spanische bzw. Portugiesische gibt, findet in Paraguay in erster Linie eine Assimilation ans Paraguayische Guaraní statt.
[Bearbeiten] Guaraní in Paraguay
Zusammen mit Spanisch ist Guarani in Paraguay Amtssprache. Die Verfassung von 1992 ist allerdings einer der wenigen offiziellen Texte, die ins Guarani übersetzt wurden.
Offiziell gilt Paraguay als "zweisprachig". Die Realität ist komplizierter. Nahezu niemand spricht eine der Sprachen in ihrer Reinform. Höher gebildete, städtische, eurozentrische Schichten sprechen ein rioplatensisches Spanisch mit eingemischten Guaraní-Phrasen, während weniger gebildete, ländliche, bäuerliche Schichten ein Guaraní mit starken Anteilen von spanischem Vokabular sprechen, das als Jopara [dʒopaˈɾa] bekannt ist. Die Schulbildung findet auf Spanisch statt, allerdings wird Guarani als ein weiteres Fach unterrichtet.
Laut Volkszählung von 1992 wurden in Paraguay folgende Sprachen gesprochen:
- Guaraní: 1,6 Mio (39,3%)
- Guaraní und Spanisch: 2 Mio (48,9%)
- Spanisch: 260.000 (6,4%)
Es ist jedoch zu beachten, dass die Kompetenzen in beiden Sprachen meist nicht gleich sind. Viele Menschen bezeichnen sich als zweisprachig, obwohl sie nur eine der Sprachen beherrschen.
Hinzu kommen Sprachen, die landesweit kaum verbreitet sind, denen regional jedoch größere Bedeutung zukommt:
- Deutsch (rund 33% im Departamento Boquerón im Gran Chaco)
- Portugiesisch (in einigen Departamentos an der Grenze zu Brasilien)
- sonstige indigene Sprachen (im Gran Chaco)
Durch die vermehrte Verwendung des Guaraní auch im Bildungswesen und als Amtssprache trug man ansatzweise der Tatsache Rechnung, dass über 80 % der paraguayischen Bevölkerung guaranisprachig ist und ein beträchtlicher Teil nur rudimentäre Kenntnisse des Spanischen besitzt.
[Bearbeiten] Phonologie
Vokale:
Orthographie | Aussprache |
a | [a] |
e | [ɛ] |
i | [i] |
o | [ɔ] |
u | [u] |
y | [ɨ] |
Das y ist ein Vokal zwischen i und u, den es auch im Polnischen, Russischen und Türkischen (dort: i ohne Punkt) gibt. Außerdem gibt es von allen 6 Vokalen auch noch nasale Varianten (ã, ẽ, ĩ, õ, ũ, ỹ) Die Nasalvokale sind nur in der betonten Silbe distinktiv, die vortonigen Vokale werden infolge der Nasalassimilation vor folgenden nasalen Vokalen oder nasalen Konsonanten nasal, in anderen Fällen nichtnasal ausgesprochen.
Konsonanten:
Orthographie | Aussprache |
Nasale | |
m | [m] |
n | [n] |
ñ | [ɲ] |
g̃ (auch ng) | [ŋ] |
Stimmlose Verschlusslaute | |
p | [p] |
t | [t] |
k | [k] |
Frikative | |
s | [s] |
ch (auch x) | [ʃ] |
h | [h] |
Flap | |
r | [ɾ] |
Approximant | |
v | [ʋ] |
Nasal + Verschlusslaut | |
mb | [mb] |
nd | [nd] |
ng | [ŋg] |
Knacklaut | |
' | [ʔ] |
j | [ɟ] |
Der Akzent liegt zumeist auf der letzten Silbe des Stammes, die suffigierten grammatischen Morpheme sind unbetont (enklitisch).
Siehe auch: Guaraní-Alphabet
[Bearbeiten] Grammatik
Nomina und Verben werden nicht so scharf getrennt wie im Deutschen.
Guarani ist eine stark agglutinierende bzw. polysynthetische Sprache, also werden viele Affixe verwendet.
Hingegen gibt es keine Kasus, Geschlechter oder Unterschied Singular-Plural.
Eine weitere Besonderheit ist eine bestimmte Art der Anlautmutation, die Eklipse: Viele Wörter, die mit /t-/ anfangen, ändern diesen Anlaut, wenn sie von anderen Wörtern abhängen oder mit ihnen zusammengesetzt werden:
tape | che rape | hape |
Weg | mein Weg | sein Weg |
[Bearbeiten] Zahlen
Im Guaraní gab es ursprünglich lediglich die Zahlen eins bis vier.
petei | eins |
mokoi | zwei |
mbohapy | drei |
irundy | vier |
po | fünf |
Zahlwörter für kleine Zahlen werden heute noch häufig gebraucht, für große Zahlen werden in der Regel spanische Zahlworte verwendet. Die für die Zahl fünf gebrauchte Wort bedeutet eigentlich Hand. Von sechs bis neun werden die Zahlen aus dem Wort für Hand und den Zahlen eins bis vier zusammengezogen (potei, pokoi, pohapy, porundy). Weitere Zahlen werden ähnlich gebildet, so steht kua (Finger) für zehn, kuapo für fünfzehn und mokoikua für zwanzig.
[Bearbeiten] Toponyme und andere Namen
In Argentinien, Uruguay, Paraguay und Brasilien gibt es viele Bezeichnungen für Dinge sowie Toponyme, die aus dem Guaraní oder dem eng verwandten Tupi stammen. Diese werden je nach Land nach der spanischen oder portugiesischen Orthographie geschrieben.
[Bearbeiten] Literatur
- Antonio Guasch: Diccionario Castellano-Guarani, Ediciones Loyola, Asuncion 1978
- Antonio Guasch: El Idioma Guaraní - Gramatica y antologia de prosa y verso, CEPAG, Asuncion, 1996
- Tadeo Zarratea: Gramática Elemental de la Lengua Guaraní, MARBEN, Asuncion 2002, ISBN 99925-46-21-2
[Bearbeiten] Weblinks
- Guarani Ñanduti Rogue – Guaranisprachige Kultur Paraguays (mehrsprachig)
- www.guaranirenda.com Informationssammlung zu Guarani (auf Spanisch)
- Der Diskurs des Guaraní – Eine kommentierte Bibliographie (PDF-Datei)
- Interaktives Wörterbuch Deutsch-Guaraní