Evidenz
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Evidenz ist, ob man sie als „anschauliche Gewißheit“ (Immanuel Kant) oder als „Selbstgegebenheit“ (Edmund Husserl) betrachtet, eine Art Wahrheitskriterium für solche Sätze, die man nicht weiter zurückführen oder hinterfragen kann.
Obwohl wir in der Evidenz „eine Einsicht ohne methodische Vermittlungen“ vor uns haben, ist sie eine der wesentlichen Säulen unseres Argumentierens und als solche, wie Wolfgang Stegmüller ausführt, selbst Methode: „All unser Argumentieren, Ableiten, Widerlegen, Überprüfen ist ein ununterbrochener Appell an Evidenzen, wobei ... das ‚Appell an...‘ nicht so misszuverstehen ist, als würde die Evidenz jeweils den Gegenstand der Rechtfertigung darstellen. Sie ist das ‚Wie‘ und nicht das ‚Worüber‘ des Urteilens.“
So berufen wir uns in Wissenschaft und Alltag also beständig auf „evidente“ Sätze, auf „offensichtliche“ und „selbstverständliche“ Einsichten, ohne den eigentlichen Charakter dieser Einsichten jemals beweisen zu können, denn: „... das Evidenzproblem ist absolut unlösbar ... alle Argumente für die Evidenz stellen einen circulus vitiosus dar und alle Argumente gegen sie einen Selbstwiderspruch... Wer für die Evidenz argumentiert, begeht einen Zirkel, denn er will beweisen, dass es die Evidenz gibt; das zu Beweisende soll also das Ergebnis der Überlegungen darstellen, während er vom ersten Augenblick seiner Argumentation an Evidenz bereits voraussetzen muss. Wer gegen sie argumentiert, begeht einen Selbstwiderspruch; denn er muss ebenfalls voraussetzen, dass seine Argumentationen evident sind.“
Das „Verschwinden des Selbstverständlichen“ wurde besonders durch die Fortschritte der Sinnesphysiologie beschleunigt. In Wörtern wie „offensichtlich“, „Evidenz“ (aus dem lateinischen Wort für sehen), „Beweis“ und „Wissen“ (aus dem althochdeutschen Wort für gesehen haben), „Augenscheinlichkeit“ usw. zeigt sich die Jahrtausende alte Überzeugung, die Augen lieferten ein naturgetreues, objektives Abbild der Welt. Heute gelten in den Wissenschaften die quantitativen Methoden der Empirie als Königsweg.
Im Gegensatz zur objektiven Evidenz, in der sich eine Wahrheit oder ein Sachverhalt als solche(r) unzweifelbar „zeigt“, interessiert in der Rhetorik (s. Evidenz (Rhetorik) vielmehr die subjektive oder psychische Evidenz, die sich in einem „Gefühl des Überzeugtseins“ ausdrückt.
[Bearbeiten] Siehe auch
- Evidenzbasierte Medizin
- Erkenntnistheorie
- Trivialität
- "Here is a hand", George Edward Moores Einwand gegen den philosophischen Skeptizismus
- Anekdotische Evidenz
[Bearbeiten] Weblinks
- Victor DiFate: „Evidence“ in der Internet Encyclopedia of Philosophy (englisch, inkl. Literaturangaben)
[Bearbeiten] Quellen
- G. Schischkoff: Philosophisches Wörterbuch, Stuttgart 1974(19)
- J. F. Fries: Neue Kritik der Vernunft, 1807
- J. Mittelstraß (Hrsg.): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, Mannheim 1980
- W. Stegmüller: Metaphysik, Skepsis, Wissenschaft, Berlin 1969(2)
- D. Zittlau: Kommunikation und Rhetorik, Düsseldorf 1996