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Bioreaktor – Wikipedia

Bioreaktor

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Ein Bioreaktor ist ein Behälter, in dem speziell herangezüchtete Mikroorganismen oder Zellen unter möglichst optimalen Bedingungen in einem Nährmedium kultiviert werden, um entweder die Zellen selbst, Teile von ihnen oder eines ihrer Stoffwechselprodukte zu gewinnen.

Moosbioreaktor
Moosbioreaktor

Das Volumen eines Bioreaktors reicht von wenigen Millilitern im Screening bis hin zu mehreren tausend Kubikmetern im Produktionsmaßstab. Bioreaktoren werden auch als Fermenter (engl. fermenter) bezeichnet. In der Forschung und Entwicklung (F&E) werden bevorzugt Laborfermenter, mit kleineren Volumina, meist bis 10 Liter, eingesetzt. Diese unterscheiden sich jedoch in Hinsicht auf Leistungseintrag, Masse- und Stofftransport sowie den verwendeten Materialien oftmals erheblich von Bioreaktoren im Pilot- oder Produktionsmaßstab.


Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Geschichte & Entstehung der Bioreaktoren

Da auch Braukessel in Brauereien technisch zu den Bioreaktoren zählen, kann man das Erscheinen der ersten Bioreaktoren mit dem Erscheinen der ersten Brauereien vor ungefähr 5500 Jahren gleichsetzen.

[Bearbeiten] Reaktortypen

Man unterscheidet Bioreaktoren nach Bauweise und Funktionsweise. Jeder Bioreaktor verarbeitet drei Phasen: fest (Biomasse), flüssig (Nährmedium) und gasförmig (z. B. Luft, Sauerstoff, Kohlendioxid, Stickstoff). Grundsätzlich unterschieden werden Reaktoren zur Verarbeitung von Flüssigkeiten und Gasen nach der Art ihres Leistungseintrags:

  • Leistungseintrag durch bewegliche mechanische Einbauten (Rührkesselreaktor – ein Stahlgefäß in dem ein Rührwerk für eine möglichst gute Durchmischung sorgt)
  • Leistungseintrag durch einen äußeren Pumpenkreislauf (Freistrahlreaktor – die Bewegung wird durch das Einspritzen von Reaktorflüssigkeit eingebracht)
  • Leistungseintrag durch Gaskompression und Expansion (Airliftreaktor, auch Blasensäulenreaktor – es wird nicht gerührt, sondern Bewegung ausschließlich durch einen kontinuierlichen, im Nährmedium aufsteigenden Luftstrom eingebracht)

Werden diese Reaktorformen mit Leitrohren versehen, dann ergeben sich die folgenden Reaktortypen:

  • Propeller-Schlaufenreaktor (ein Reaktor, bei dem Energie durch ein axial nach unten förderndes Rührorgan eingetragen wird und der mit einem Leitrohr versehen ist)
  • Strahl-Schlaufenreaktor (ein Freistrahlreaktor mit einem Leitrohr)
  • Mammutschlaufenreaktor (ein Airliftreaktor oder eine Blasensäulenreaktor mit einem Leitrohr)

Eine weitere Unterscheidung ist nach der Art des Reaktoraufbaus möglich:

Den besten Bioreaktor gibt es jedoch nicht. Es ist vielmehr so, dass die Auswahl des Bioreaktors von den Anforderungen an den biologischen Prozess abhängt. So erhöht zum Beispiel eine effektive Rührerleistung mit womöglicher hoher Umdrehungszahl die Homogenität des Mediums im Reaktor und den Sauerstoffeintrag, sie kann allerdings auch den kultivierten Organismen durch die auftretenden mechanischen Belastungen schaden, so dass gerade bei empfindlichen Zellen ein optimaler Weg gefunden werden muss.

Mehrere Rührkesselreaktoren hintereinandergeschaltet bilden einen Kaskadenreaktor ('Rührkesselkaskade'). Rohrreaktoren finden in der Produktion Anwendung im Bereich der Photoreaktoren, da sich sonst keine ausreichende Versorgung der zu kultivierenden phototrophen Zellen mit der benötigten Dosis Licht realisieren lässt.

Je nach Art der Befüllung unterscheidet man:

  • Batch-Prozesse, bei denen der Reaktor einmal komplett befüllt wird und nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne („Reaktionszeit“ oder „Wachstumszeit“) wieder komplett entleert wird.
  • Fed-Batch-Prozesse, bei denen der Füllstand anfangs unterhalb der maximalen Kapazität des Reaktors liegt und der dann langsam bis zur maximalen Auslastung mit Nährmedium erhöht wird. Dann wird der Reaktor wieder komplett entleert.
  • Kontinuierliche Prozesse, bei denen ein steter Zulauf an Nährmedium und ein gleichgroßer Ablauf an „Brühe“ (Gemisch aus Nährmedium, Produkt, Biomasse etc.) den Füllstand auf einem konstanten Niveau halten.

In der tierischen Zellkulturtechnik ersetzen Einweg-Bioreaktoren vermehrt traditionelle Bioreaktoren. Im Gegensatz zu herkömmlichen Systemen, kommen bei Einweg-Bioreaktoren vorsterilisierte Einwegbeutel zum Einsatz. Der Einwegbeutel besteht aus einer Verbundfolie und ersetzt das traditionelle Kulturgefäß aus Glas oder Edelstahl.[1]. Durch die Einwegtechnologie werden aufwendige Reinigungs- und Sterilisationsverfahren vermieden, was insbesondere in der Produktion von biologischen Präparaten zu erhebliche verkürzten Rüstzeiten und damit zu Kosteneinsparungen führt. Die meisten Einweg-Bioreaktoren sind keine Rührkesselreaktoren sondern werden durch eine Wippvorrichtung angetrieben.


[Bearbeiten] Moderne Bioreaktoren

Um die optimale Produktausbeute zu erreichen, müssen die Bedingungen im Inneren der Apparatur mit Hilfe von Sensoren überwacht werden. Mittels Sonden wird meistens der pH-Wert, der O2-Gehalt in Medium und Abluft, der CO2-Gehalt in der Abluft, Temperatur, Extinktion (optische Dichte) des Mediums und Schaumentwicklung gemessen. Im Einsatz befinden sich ebenfalls Sensoren zur Bestimmung von Substraten wie Glucose, Glycerin und Lactat; diese ermöglichen eine genauere Kontrolle der Kultivierung.

[Bearbeiten] pH-Wert

Der für Zellen sehr wichtige pH-Wert kann automatisch mittels an den pH-Sensor gekoppelten Pumpen kontrolliert werden, die je nach Bedarf z. B. Phosphorsäure (H3PO4), Salzsäure (HCl) oder z. B. Natronlauge (NaOH) ins Nährmedium pumpen. Eine Möglichkeit der Kontrolle des pH-Wertes kann in bestimmten Fällen auch über die Fütterungsrate des Substrates erreicht werden.

[Bearbeiten] Sauerstoffgehalt

Die Sicherstellung eines ausreichenden Sauerstoffgehaltes stellt eines der größten Probleme dar, da Sauerstoff nur schlecht wasserlöslich ist, und man wegen erhöhter Schaumbildung und anderen Nebeneffekten nicht beliebig viel Luft in den Reaktor pumpen kann. Der Einsatz reinen Sauerstoffs ist meist zu teuer oder aber schadet den kultivierten Zellen.

Die Regulation des Sauerstoffpartialdruckes kann durch verschiedene Methoden erreicht werden:

  • Veränderung des Gasdurchsatzes,
  • Veränderung der Rührerdrehzahl,
  • Veränderung der Rührwerkzeuggeometrie,
  • Veränderung der Gasgemischzusammensetzung,
  • Veränderung des Kopfdruckes (hierbei wird jedoch auch die Löslichkeit von anderen Gasen, z. B. Kohlendioxid, erhöht).

Die Sauerstofflöslichkeit in einem Fermentationsmedium liegt bei 37 °C etwa bei 3–5 mg/L.

[Bearbeiten] Temperatur

Die Temperaturregelung wird durch Heiz- und Kühlkreisläufe realisiert. Nach dem Anfahren des Reaktors, bei dem der gesamte Reaktorinhalt von Raum- auf Betriebstemperatur geheizt werden muss, ist meist nur noch der Kühlkreislauf aktiv, da die Zellen erhebliche Wärmemengen erzeugen können. In den Kühlkreisläufen kann jeweils ein Wärmetauscher integriert sein oder das energietragende Medium wird direkt eingespeist. Als Wärmeaustauschflächen zum Reaktionsraum stehen hierbei meist nur die Behälterwand, in seltenen Fällen auch eingebaute Kühlregister, zur Verfügung.

[Bearbeiten] Schaum

Schaumentwicklung will man meistens vermeiden, da Schaum die Abluftfilter verstopfen kann und in den zerplatzenden Blasen große mechanische Belastungen für die Zellen auftreten können. Gegen Schaumbildung gibt es mechanische oder chemische Lösungen. Zu den chemischen gehören so genannte Antischaummittel (engl. antifoam). Antischaummitteln ist gemein, dass sie sich zumeist schwer aus der Reaktionslösung abtrennen lassen. Da die Funktionsweise eines Antischaummittels auf der Herabsetzung der Oberflächenspannung beruht, muss sich der Benutzer über die negative Beeinflussung des Antischaummittels auf den Gastransport und damit auf die Sauerstoffversorgung im Klaren sein. Bei den mechanischen Lösungen unterscheidet man zwischen Schaumzerstörern und Schaumabscheidern. Bei Schaumzerstörern wird, wie der Name schon andeutet, der Schaum lediglich zerschlagen. Da dabei die Schaumursachen, meist abgestorbene Zellen, nicht beseitigt werden, ist diese Art der Schaumbekämpfung nicht sehr effektiv. Alternativ hierzu gibt es auch einen Schaumabscheider. Der Schaum wird über eine seitliche Öffnung in einen Schaumrohr geleitet. Hier wird der Schaum verflüssigt. Die überschüssige Luft entweicht über ein Rohr und der verflüssigte Schaum wird abgepumpt.

[Bearbeiten] Nährstoffversorgung

Mit dem Nährmedium müssen den Organismen unter anderem Kohlenstoff-, Stickstoff-, und Phosphorverbindungen zur Verfügung gestellt werden. Während der Wachstums- oder Reaktionszeit wird die wässrige Lösung aus Organismen oder Zellen und dem Nährmedium mit Sauerstoff durchlüftet und gut durchmischt. Ziel ist es, die Bedingungsgleichheit an allen Stellen des Reaktors sicherzustellen. (Idealfall)

[Bearbeiten] Beispiele

[Bearbeiten] Kläranlagen

Besonders große Bioreaktoren bilden die Kläranlagen (siehe auch Abwasser) sofern sich diese Anlagen biologischer Prozesse bedienen (Belebtschlammverfahren, Tropfkörper, Pflanzenkläranlage etc.).

[Bearbeiten] Brauereien und Winzereien

Auch in der Brauerei oder der Winzerei werden Bioreaktoren gebraucht. Die verwendeten Mikroorganismen sind hier Hefen, die den Zucker aus der Maische bzw. dem Traubensaft in Alkohol und Kohlenstoffdioxid (CO2) umwandeln. (s. Alkoholische Gärung)

[Bearbeiten] Pharma- und Kosmetikindustrie

Die wertvollsten in Bioreaktoren hergestellten Produkte sind medizinisch-pharmakologische Produkte wie z. B. das als Dopingmittel bekanntgewordene EPO oder moderne Insuline. Da an Medikamente ein deutlich höherer Reinheitsstandard gestellt wird als an Lebensmittel, gelten hier besonders strenge Vorschriften. Alle Betriebsparameter des Bioreaktors müssen in engen Grenzen gehalten werden, und bereits kleinste Abweichungen von diesen haben zur Folge, dass die gesamte Charge nicht in Umlauf gebracht werden darf. Um möglichst viele Unwägbarkeiten ausschließen zu können, kommen in diesen Prozessen nur sehr selten vollbiologische Nährmedien (wie z. B. der Traubensaft zur Weinproduktion) zum Einsatz, sondern es wird ein optimiertes, synthetisches Gemisch aller Nährstoffe verwendet. Dadurch wird vermieden, dass durch Schwankungen der Substratqualität die Produktqualität mitschwankt, wie dies z. B. in Winzereien von Jahrgang zu Jahrgang der Fall ist. Je nach gewünschtem Produkt kommen in der Pharmaindustrie unterschiedliche, meist genetisch veränderte, Mikroorganismen zum Einsatz.

[Bearbeiten] Modellierung

Die Prozesse in Bioreaktoren können durch die Reaktionskinetik beschrieben werden, wobei man bei der Modellierung auf die Besonderheiten biologischer Prozesse achten muss (Michaelis-Menten-Theorie,Monod-Kinetik, Enzymkinetik, Enzymhemmung etc.).


[Bearbeiten] Quellen

  1. Barbaroux M., Sette A.: Properties of Materials Used in Single-Use Flexible Containers: Requirements and Analysis.. In: BioPharm International. 11, 2006

[Bearbeiten] Literatur

  • Winfried Storhas: Bioreaktoren und periphere Einrichtungen: Ein Leitfaden für die Hochschulausbildung, für Hersteller und Anwender., Springer-Verlag 1994

[Bearbeiten] Siehe auch


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