Volksaltar
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Als Volksaltar bezeichnet man heute im allgemeinen den frei stehenden Altar in katholischen Kirchen, an dem der Priester den Eucharistie-Teil der Heiligen Messe zu den Christgläubigen gewendet (versus populum) zelebriert, so dass die Mitfeiernden sich als um den Altar Versammelte erfahren und das Geschehen am Altar ungehindert betrachten können. Nicht der Priester, sondern der Altar wird damit zum Mittel- und Bezugspunkt des Ganzen. Dieser ist „der Mittelpunkt der Danksagung, die in der Eucharistie vollzogen wird“ (Grundordnung des Römischen Messbuchs 2002 Nr. 296) und zugleich „der innere Osten des Glaubens“, zu dem man aus beliebiger Himmelsrichtung blicken kann. Handelt es sich bei einem „Volksaltar“ um einen feststehenden, geweihten Altar, ist dieser in Wahrheit der eigentliche Hauptaltar (altare maius = Hochaltar) der Kirche, selbst wenn sich der ehedem gottesdienstlich gebrauchte alte Hochaltar, etwa seines künstlerischen Wertes wegen, weiterhin im Kirchenraum befindet. Volksaltar ist somit zwar ein unter deutschsprachigen Katholiken geläufiger Ausdruck, jedoch kein aktueller Fachbegriff liturgierechtlicher oder liturgiewissenschaftlicher Art.
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[Bearbeiten] Liturgiereform und Vorgeschichte
Frei stehende Altäre der beschriebenen Art waren seit jeher die Hauptaltäre der großen Basiliken in Rom, z.B. in St. Peter und an San Giovanni in Laterano (siehe unten). Auch das Missale Papst Pius V. von 1570 und das Caeremoniale episcoporum von 1600 rechnen weiterhin mit solchen Altären und der Feier versus populum. Unter dem Namen „Volksaltäre“ wurden sie im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) und seiner Liturgiereform nach 1964 in den meisten katholischen Kirchen eingerichtet. Erste Versuche mit Volksaltären gab es aber bereits in den 1920er Jahren - wie in der Krypta von Maria Laach, im Dom in Passau, in Sankt Paul (München) oder durch Johannes Pinsk. Bei Messfeiern außerhalb des Kirchenraumes, etwa in Zeltlagern oder Heimen der katholischen Jugendbewegung, war es seit der ersten Hälfte des 20. Jh. allgemein üblich, den Altar in solcher Weise aufzustellen, damit die Mitfeiernden dem Handeln des Priesters wenigstens zuschauen und sich seinem meist leisen Beten anschließen konnten, da in den üblichen „Stillmessen“ die Orationen und das Hochgebet nicht zu hören waren.
Über die Gestaltung der Altäre allgemein oder speziell die Einführung von „Volksaltären“ gibt es keine detaillierten Vorschriften in der Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils „Sacrosanctum Concilium“ (= SC). Sie verlangt aber (1.) grundsätzlich, dass der Kirchenraum sorgfältig so einzurichten ist, dass die tätige und bewusste Teilnahme der Gläubigen erreicht werden kann (SC 124), sowie (2.) eine Revision von „Gestalt und Errichtung der Altäre“, damit sie „der erneuerten Liturgie“ entsprechen (SC 128). Während des Konzils wurde in der Konzilsaula die Eucharistie durchgängig versus participantes gefeiert. Die Wendung der Altäre zum Volk erfolgte nicht „ohne Auftrag“ [1] und erscheint keineswegs „erst in nachkonziliaren Anweisungen“ [2]. Seit 1964 besteht vielmehr die den versammelten Konzilsvätern vorab zur Kenntnis gebrachte Vorschrift, dass der Hauptaltar künftig „freistehend“ zu errichten ist, und zwar mit zwei ausdrücklich genannten Zielen: damit der Priester (1.) ihn leicht umschreiten und außerdem (2.) an ihm mit dem Gesicht zum Volk Gottesdienst feiern kann (Instruktion „Inter Oecumenici“ Nr. 91). In jedem Fall soll der Altar, zugleich Zeichen des Ecksteins Christus, die ideelle Mitte der Kirche bilden, der sich die gedankliche Aufmerksamkeit der Gläubigen spontan zuwendet. Diese Bestimmung fand 1969 Eingang in die Allgemeine Einführung in das Römische Messbuch (AEM Nr. 262) und wurde 2002 unter Papst Johannes Paul II. wiederholt mit dem Zusatz: quod expedit ubicumque possibile sit, „Das empfiehlt sich überall, wo es möglich ist“ (Grundordnung des Römischen Messbuchs [2002] Nr. 299).
Waren die „Volksaltäre“ in den Kirchen nach dem 2. Vatikanum zunächst häufig nur Provisorien, sind sie inzwischen weithin durch ordentlich konsekrierte („geheiligte“) Altäre, also einen echten „Hauptaltar“, abgelöst. „Nur auf ihm ihm sind die heiligen Feiern auszuführen ... der alte nicht in besonderer Weise zu schmücken“ (Grundordnung des Römischen Messbuchs [2002] Nr. 303). Der sog. Volksaltar steht als neuer Hauptaltar der Kirche meist unter der Vierung oder dem Triumphbogen, in nach dem 2. Vatikanischen Konzil neu begonnenen Kirchenbauten auch oft praktisch in der Mitte der versammelten Gläubigen. Die Aufstellung eines „Volksaltars“ bot häufiger Anlass zu Auseinandersetzungen zwischen eher konservativ eingestellten Gläubigen einerseits und reformbereiten Gläubigen andererseits, wird heute aber nur noch von einer verschwindend geringen Minderheit von Katholiken und vereinzelten Theologen abgelehnt. Wo immer ein christlicher Altar steht, ist er nämlich ein herausgehobenes Symbol für Christus, zu dem beim Gebet Christen sich ausrichten oder um den sie sich versammeln können. Geist und Gebet am Altar richten sich immer, ob vom Vorsteher mit Rücken oder Gesicht zur Gemeinde gesprochen, zu Gott hin (ad Dominum). Einen Gegensatz von versus populum und versus/ad Deum gibt es folglich nicht [3].
Da nicht in jedem bestehenden Kirchengebäude ein neuer „Volksaltar“ eingerichtet werden kann, ist für die Feier des 2. Teils der Heiligen Messe, die eigentliche Eucharistie, die Ausrichtung des Priesters zur Gemeinde nicht vorgeschrieben. Sie gilt als nützlich, aber nicht als notwendig [4]. Daher berücksichtigen die Rubriken des heutigen Missale Romanum beide möglichen Ausrichtungen des zelebrierenden Priesters: Mit dem Gesicht zu Altar und Gemeinde (versus populum) bzw. mit dem Rücken zur Gemeinde (versus absidem).
Eine Feier der Eucharistie „zum Tabernakel hin“ kannte und kennt der römisch-katholische Gottesdienst nicht. Sie wäre, so Joseph Card. Ratzinger, „gegen jede theologische Logik“ und „offensichtlich sinnlos“.[5]
[Bearbeiten] Historisches
Der Kult im Tempel zu Jerusalem war nach dem im Westen gelegenen Allerheiligsten ausgerichtet (versus occidentem). Die neutestamentlichen Schriften wenden sich gegen die Festlegung einer bestimmten Gebetsrichtung (Mt 6, 6; Joh 4, 21-23). Seit etwa dem 2. Jh. beten Christen mit Vorliebe zum Osten - dem Ort des Paradieses und der erwarteten Wiederkunft Christi - gewandt; in Gebäuden zieht ein Teil der Gläubigen den Blick zum Himmel durch Tür oder Fenster vor. Die seit der sog. Konstantinischen Wende errichteten monumentalen Kirchengebäude waren sodann in aller Regel nach Osten (versus orientem) ausgerichtet, allerdings in entgegengesetzter Weise: entweder mit der Apsis oder, so in Jerusalem (konstantinische Grabeskirche) und vor allem in Rom (St. Peter, Sankt Paul vor den Mauern, St. Johann im Lateran usw.) sowie in den seinem Beispiel folgenden Kirchen, mit dem Eingang. Im letzteren Fall der „gewesteten“ (= „eingangsgeosteten“) Kirchen betete der Hauptzelebrant zugleich in östlicher Richtung wie mit dem Gesicht zur Gemeinde (ad orientem, versus populum); die Gläubigen demgegenüber blickten, besonders beim eucharistischen Hochgebet, zum Altar hin, also nach Westen. Alle beteten mit zum Himmel erhobenen Augen. Aufs Ganze gesehen, überwiegt demnach im Klassischen Römischen Ritus nicht die Ostung des Gebetes oder die lineare Gleichrichtung der Beter, sondern die Vorstellung von der Versammlung um den einen Altar Christi. Daher spricht der Römische Messkanon (Canon Romanus) von den Mitfeiernden der Eucharistie als „circumadstantes“, den Umstehenden. Ihr Kreis bleibt dabei stets geöffnet - nach oben hin, ad Deum. In anderen Regionen des Abendlandes baute man auch „apsisgeostete“ Kirchengebäude, in denen sich alle Gottesdienstteilnehmer, Vorsteher wie Gläubige, nach Osten hin ausrichten konnten. In späteren Jahrhunderten jedoch wurde im Abendland die Ostung der Kirchengebäude zunehmend weniger beachtet und allmählich gleichgültig. In der Sixtinischen Kapelle des Vatikans z.B. steht der historische Hauptaltar an der Westmauer und erlaubt so niemandem eine Zelebration nach Osten.
Die Ostkirchen hingegen pflegten die Ausrichtung der Kirchenapsis sowie infolgedessen die Feier der Eucharistie nach Osten und behielten sie bis heute möglichst bei. Früher, und zum Teil noch heute, erfolgt selbst die Verkündigung der Lesungen aus der Heiligen Schrift auf dem Ambo gewöhnlich in östlicher Ausrichtung, also „mit dem Rücken zum Volk“.
Siehe auch: Ostung; Orientierung (Architektur).
[Bearbeiten] Literatur
- Burkhard Neunheuser: Eucharistiefeier am altare versus populum. Geschichte und Problematik. In: Florentissima proles ecclesiae. Miscellanea hagiographica, historica et liturgica Reginaldo Grégoire O.S.B. XII lustra complenti oblata. A cura di Domenico Gobbi (Bibliotheca Civis 9). CIVIS, Trento 1996, 417-444.
- Uwe Michael Lang: Conversi ad dominum. Zur Geschichte der christlichen Gebetsrichtung. Johannes Verlag, Einsiedeln 2004. ISBN 978-3-89411-384-1
- Rinaldo Falsini: Célébrer tournés vers le peuple et prier tournés vers le Seigneur. Sur l'orientation de la prière. In: La Maison-Dieu 250 (2007) 135-146.
- Stefan Heid: Gebetshaltung und Ostung in frühchristlicher Zeit. In: Rivista di Archeologia Cristiana 82 (2006 [2008]) 347-404.
- Paul Bernhard Wodrazka: Die Zelebration „versus orientem“ bzw. „versus absidem“. Ein chronologischer Durchgang durch die postkonziliaren kirchlichen Dokumente (in Auszügen). In: Theologisches 37 (2007) 99-114.
[Bearbeiten] Anmerkungen
- ↑ J. Ratzinger: "Das Fest des Glaubens". 3. Auflage. Einsiedeln 1993, S. 123.
- ↑ http://www.30giorni.it/te/articolo.asp?id=3486
- ↑ J. Ratzinger: "Das Fest des Glaubens". 3. Auflage. Einsiedeln 1993, S. 121.
- ↑ Kardinal I. Lercaro. In: Notitiae 2 (1966) 160.
- ↑ J. Ratzinger: "Das Fest des Glaubens". 3. Auflage. Einsiedeln 1993, S. 121.