Preußisches Regulativ
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Das Preußische Regulativ vom 9. März 1839 (eigentlich: Regulativ über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter) war ein Gesetz, mit dem der preußische König Friedrich Wilhelm III. die Kinderarbeit verbot. Es gilt als das erste deutsche Gesetz zum Arbeitsschutz.
[Bearbeiten] Historische Entwicklung
Bereits 1828 hatte der königlich preußische Generalleutnant Heinrich Wilhelm von Horn (1762–1829) in seinem Landwehrgeschäftsbericht den preußischen König darauf aufmerksam gemacht, dass er wegen der in der Industrie verbreiteten Kinderarbeit und der dadurch verursachten „körperlichen Entartung“ der Bevölkerung im Rheinland nicht mehr das erforderliche Truppenkontingent aufbringen könne. Arbeitszeiten von 13 Stunden unter gesundheitsgefährdenden Bedingungen waren damals für Kinder keine Seltenheit. Die „Fabrikkinder“ litten häufig an körperlichen und geistig-seelischen Schäden, während die Schulpflicht oft völlig vernachlässigt wurde.
Aufgrund dieses Hornschen Berichts wies Friedrich Wilhelm III. noch im selben Jahr Kultusminister Freiherr Karl vom Stein zum Altenstein (1770–1840) und Innenminister Friedrich von Schuckmann (1755–1834) an, ein Gesetz zur Einschränkung der Kinderarbeit in Preußen zu entwerfen.
Doch erst elf Jahre später (1839) wurde das Preußische Regulativ erlassen. Gründe für die Verzögerung waren die Kompetenzstreitigkeiten zwischen den beteiligten Ministerien (Kultus-, Innen-, Handels- und Kriegsministerium) und ebenso zwischen der preußischen Regierung und den Bezirksregierungen, sowie die massive Gegenwehr der Industrie-Lobby. Ein Gesetzesentwurf wurde deshalb erst 1835 von der Verwaltung des Regierungsbezirks Rheinland unter ihrem Oberpräsidenten Ernst von Bodelschwingh (1794–1854) erarbeitet.
Die von ihm erarbeitete Provinzielle Verordnung zur Sicherung des genügenden Schul- und Religionsunterrichts für die in den Fabriken beschäftigten schulpflichtigen Kinder stellte die Grundlage für das Regulativ von 1839 dar. Erst auf Initiative des rheinischen Provinziallandtags kam eine Gesetzesinitiative der preußischen Regierungsbezirke auf Basis der provinziellen Verordnung von 1835 an König Friedrich Wilhelm III. zustande.
[Bearbeiten] Inhalt
Durch das Preußisches Regulativ wurde Kindern bis zum neunten Lebensjahr die regelmäßige Arbeit in der Fabrik, in Berg-, Hütten- und Pochwerken verboten. Die Arbeitszeit der Jugendlichen unter 16 Jahren durfte zehn Stunden nicht überschreiten. Jugendlichen unter 16 Jahren, die keine dreijährige Schulzeit nachweisen konnten, wonach sie die „Muttersprache geläufig lesen“ und „einen Anfang im Schreiben gemacht“ haben, wurde die Fabrikarbeit untersagt. Davon ausgenommen waren Fabriken, denen eigene Schulen angegliedert waren und die einen Bildungsanspruch garantierten. Nachtarbeit von 21 Uhr bis 5 Uhr, Sonn- und Feiertagsarbeit wurde für Jugendliche verboten.
Örtliche Polizei- und Schulbehörden sollten Kontrollfunktionen übernehmen. Für den Fall von Zuwiderhandlungen wurden Sanktionen angedroht. Die zuständigen Ministerien sollten besondere Verordnungen erlassen, um eine „Einhaltung der Moralität und Gesundheit der Fabrikarbeiter“ zu gewährleisten.
Im Königreich Bayern und Großherzogtum Baden wurden 1840 ähnliche Bestimmungen erlassen, in den anderen deutschen Ländern sogar erst in den 1860er Jahren.
[Bearbeiten] Literatur
- Nikolas Dörr: 165 Jahre Einschränkung der Kinderarbeit in Preußen. Ein Beitrag zum Beginn der Sozialgesetzgebung in Deutschland. In: MRM — MenschenRechtsMagazin Heft 2/2004, Seite 141 f., Menschenrechtszentrum der Universität Potsdam (Hrsg.), Potsdam 2004.
- Christiane Cantauw-Groschek, Ulrich Tenschert: Kinderalltag in Stand und Land 1800–1945. Bilder und Berichte aus dem Archiv für Westfälische Volkskunde. In der Schriftenreihe Damals bei uns in Westfalen. Rheda-Wiedenbrück 1992.