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Nomenklatura – Wikipedia

Nomenklatura

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Der Begriff Nomenklatura bezeichnete in sozialistischen Ländern zum einen ein Verzeichnis aller Führungspositionen in Partei, Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft. Dieses Verzeichnis der Eliten im Staat war ein Instrument der langfristigen Personalplanung im Rahmen der für kommunistische Herrschaftssysteme typischen Kaderpolitik.[1] Andererseits bezeichnete der Begriff Nomenklatura auch die Gesamtheit der Personen, welche diese wichtigen Führungspositionen inne hatten, also die Eliten.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Wortherkunft

Wie auch der Begriff Nomenklatur ist Nomenklatura lateinischen Ursprungs: Beide Begriffe stammen von nomenclatura (nomen = Name, calare = zusammenrufen) ab und bezeichnen ein Namensverzeichnis. Während Nomenklatur aber direkt dem Latein entlehnt ist und im Sprachgebrauch für Namens- und Begriffslisten aller Art verwendet wird, leitet sich Nomenklatura vom russischen номенклатура her. Im westdeutschen Sprachgebrauch wurde Nomenklatura ausschließlich im direkten oder übertragenen Sinne für Namensverzeichnisse parteipolitischer Kader verwendet. In der DDR war es ungebräuchlich.

[Bearbeiten] Nomenklatura - die privilegierte Klasse

Die Begriffe „Nomenklatura“ (als Gesamtheit der Funktionäre) bzw. „Nomenklaturkader“ entstammen dem SED-Sprachgebrauch für Führungskräfte aller Art. Die Bezeichnung lässt darauf schließen, dass Führungs- und Einflusspositionen nur mit Personen besetzt wurden, die in der entsprechenden Nomenklatur als linientreu und parteiergeben gelistet waren.

Derartige Privilegiertengruppen sind keine Erfindung des Kommunismus; sie gedeihen hier aber besonders gut: Schon Leo Trotzki sprach 1930 im Asyl davon, dass es in Russland eine „neue Bourgeoisie“ gibt (in: „Die wirkliche Lage in Russland“ 1930, eine Schrift, die bei der Bücherverbrennung 1933 in Deutschland auch mit ins Feuer ging), und der Montenegriner Milovan Djilas hat der Pervertierung des Gleichheitsgedankens im Jugoslawien Josip Broz Titos mit seinem Buch „Die Neue Klasse“ (deutsch 1958) ein Denkmal gesetzt. Nach dem Zusammenbruch der DDR wurde das ganze Ausmaß der neuen Klassengesellschaft und des kommunistischen Spitzelstaates deutlich, dieser fein verwobenen Mischung aus Privilegien und Angst, aus erkaufter und erzwungener Zustimmung. Der Untergang der sozialistischen Staaten Osteuropas war nicht zuletzt eine Folge dieses maßlosen Widerspruchs zwischen Ideologie und Wirklichkeit, von den auf Papier gewährten Grundrechten und subjektiver Ohnmacht des einfachen Bürgers.

Als Folge dieser sozialistischen Klassengesellschaft erhielt der Begriff „Nomenklatura“ zunehmend auch einen bitteren, ablehnenden Unterton und stand dann für Apparatschik und Bonzenstaat. Seit Ende der kommunistischen Diktaturen beschränkt sich der Sprachgebrauch weitgehend auf diese Bedeutung.

[Bearbeiten] Nomenklatura nach Staaten

[Bearbeiten] Sowjetunion

Der Begriff steht für die Führungskader der Sowjetunion. Die Nomenklatura bestand ausschließlich aus KPdSU-Mitgliedern, die von einer gewissen „mittleren“ Einfluss- bzw. Leitungsebene an aufwärts tätig waren. Sie war im Prinzip die Elite der Sowjetunion, die über ausnahmslos alle Bereiche des Landes und seiner Bevölkerung unumschränkt herrschte.

[Bearbeiten] DDR

Die verschiedenen SED-Führungen (Politbüro, Zentralkomitee, Bezirksleitungen usw.) und die Ministerien der DDR schufen ein System von Nomenklaturkadern nach sowjetischem Vorbild, die mit linientreuen, der Parteidisziplin besonders ergebenen, besonders geschulten (Parteischule) Parteimitgliedern besetzt wurden. Es gab eine genaue Nomenklaturkaderverordnung, in der die wichtigen Leitungspositionen (mehrere hundert) in der DDR erfasst waren. Vor der Berufung in eine solche Position (1. Sekretäre der SED-Kreis- und Bezirksleitungen, Generaldirektoren der Kombinate, Minister, Staatssekretäre, Rektoren, Direktoren wichtiger Institute, Führungspersonen in den Medien usw.) musste diese Personalvorlage erst durch das ZK der SED, das heißt die entsprechende Abteilung im ZK, formal bestätigt werden. Ziel war, eine möglichst lückenlose Kontrolle des öffentlichen Lebens zu erreichen. In einem solchen System konnten die Führungspositionen mit wenigen Ausnahmen nur von linientreuen SED-Mitgliedern besetzt werden. Dies schloss aber eine hohe fachliche Qualifikation keinesfalls aus, da viele Menschen lediglich aus Karrieregründen Parteimitglieder, „Genossen“, wurden. Um eine Position als sozialistischer Leiter zu erreichen, musste sich der Nomenklaturkader-Kandidat zuvor in untergeordneten Leitungsfunktionen als geeignet erweisen und sich politisch bewähren. Außerdem war in späteren Jahren für derartige Positionen laut Stellenplan, korrekt „Kaderentwicklungsplan“, ein Hochschulstudium (möglichst mit Promotion) unabdingbar, ergänzt durch den Besuch der der Leitungsebene entsprechenden Parteischule, wie Bezirksparteischule und/oder Parteihochschule der SED. Seit den 1970er Jahren erwuchsen aus den Familien der ursprünglichen Nomenklaturkader immer häufiger regelrechte Nomenklaturkader-„Dynastien“.

Mitglieder der Nomenklatura

Die Nomenklatura in der DDR setzte sich wie folgt zusammen:

  • Zum engsten Kreis der Spitzenfunktionäre (etwa 40 Personen) gehörten die Mitglieder des SED-Politbüros, sowie des ZK der SED.[2]
  • Zum engeren Kreis der Nomenklatura werden etwa 500-600 Personen gerechnet.[3]
  • Inklusive aller leitenden mittleren und unteren Funktionäre von SED, Blockparteien, Massenorganisationen, staatlichen Institutionen, Kultur und Wirtschaft umfasste die Nomenklatura rund 250 000 Personen.[4]

Positionen, die zur Nomenklatura gehörten waren unter anderem:

  • alle hauptamtlich Angestellten der SED außer Büro- und Hauspersonal, alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter von SED-Instituten und -institutionen außer Büro- und Hauspersonal
  • alle Mitglieder der zentralen Vorstände der anderen Blockparteien CDU, LDPD, NDPD, Bauernpartei (DBD); alle Mitglieder ihrer Bezirksvorstände, die hauptamtlichen Angestellten dieser Parteien außer Büro- und Hauspersonal, alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter von Instituten und Institutionen dieser Parteien außer Büro- und Hauspersonal
  • alle Mitglieder der zentralen Vorstände der Massenorganisationen wie FDGB, FDJ, DSF, DFD, GST usw., alle Mitglieder der Bezirksvorstände der DDR-Massenorganisationen, die hauptamtlichen Angestellten dieser Massenorganisationen außer Büro- und Hauspersonal, alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter von Instituten und Institutionen der DDR-Massenorganisationen außer Büro- und Hauspersonal
  • alle Mitglieder der Volkskammer, der Bezirkstage, alle leitenden hauptamtlichen Mitarbeiter der Volkskammer und der Bezirkstage
  • alle Mitglieder des Staatsrates der DDR, des Ministerrates der DDR und der Räte der Bezirke; alle leitenden Mitarbeiter des Staatsrates, des Ministerrates, der Ministerien, der Räte der Bezirke, die leitenden Mitarbeiter von Instituten und Institutionen des Staatsrates, des Ministerrates und der Ministerien
  • alle hauptamtlichen Mitarbeiter des MfS außer Büro- und Hauspersonal, die wichtigen ehrenamtlichen Mitarbeiter des MfS, alle leitenden Mitarbeiter der Volkspolizei im Offiziersrang (ab Major aufwärts), alle leitenden haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter der Betriebskampfgruppen im Offiziersrang, alle Offiziere der NVA (ab Major aufwärts)
  • das gesamte leitende Personal von Universitäten, Hochschulen, Instituten und Bildungseinrichtungen, die leitenden Mitarbeiter im Schulwesen (ab Schulleiter aufwärts), das leitende Personal im Gesundheitswesen
  • alle Betriebsdirektoren und das leitende Personal von Großbetrieben
  • alle, die in Fach- und ähnlichen Verbänden leitende Funktionen bekleideten
  • alle, die mit hohen Auszeichnungen bedacht wurden.

[Bearbeiten] Einzelnachweise

  1. Artikel "Nomenklatura", in: Everhard Holtmann (Hg.): Politik-Lexikon, 3. Auflage München/Wien 2000, S. 422.
  2. Arnd Bauerkämper: Die Sozialgeschichte der DDR, München 2005, S. 41.
  3. Arnd Bauerkämper: Die Sozialgeschichte der DDR, München 2005, S. 41.
  4. Arnd Bauerkämper: Die Sozialgeschichte der DDR, München 2005, S. 41.


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