Münchhausen-Syndrom
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Klassifikation nach ICD-10 | ||
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F68.1 | Artifizielle Störung (absichtliches Erzeugen oder Vortäuschen von körperlichen oder psychischen Symptomen oder Behinderungen) | |
ICD-10 online (WHO-Version 2006) |
Das Münchhausen-Syndrom (auch als "artifizielle Störung" bezeichnet) ist eine psychische Störung, bei der die Betroffenen körperliche Beschwerden erfinden bzw. selbst hervorrufen und meist plausibel und dramatisch präsentieren.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Krankheitsbild
Im Vergleich zu Patienten mit ähnlichen Störungen wie Konversionssyndrome, Somatisierung und Hypochondrie sind sie selten und wesentlich schwerer zu erkennen. Es handelt sich vorwiegend um Männer mittleren Alters. Neuere Langzeitstudien ergaben, dass aber auch Frauen in den Wechseljahren häufiger am Münchhausen-Syndrom leiden. Typisch ist der Besuch zahlreicher Ärzte und Krankenhäuser mit wechselnden, beliebigen, aber ausgeprägten Symptomen und eine hohe Frequenz an aufwändigen apparativen Untersuchungen und Operationen.
Der Krankheitsgewinn ist die Erlangung medizinischer Zuwendung (ärztliche Untersuchungen, Aufnahme ins Krankenhaus, diagnostische und therapeutische Prozeduren bis hin zu unnötigen operativen Eingriffen). Die Betroffenen neigen zu Selbstverletzungen oder -vergiftung, um ihre Erkrankung zu belegen, und sie fordern oft schwerwiegende medizinische Eingriffe und Prozeduren.
Ziel und Motiv der Betroffenen ist es häufig, Zuwendung und Mitleid durch Ärzte und Pflegepersonal zu bekommen. Gewöhnlich wechseln die Patienten sofort den Arzt, sobald die Möglichkeit einer psychischen Erkrankung angesprochen wird; psychiatrischen Überweisungen und Untersuchungen entziehen sie sich. Die Patienten entziehen sich i. d. R. einer Behandlung, die in einem psychotherapeutischen Zugang liegen könnte. Die Prognose ist eher schlecht.
[Bearbeiten] Klassifizierung
In der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen der WHO ICD-10 wird das Münchhausen-Syndrom mit dem Code F68.1 codiert. Der Klartext dazu lautet: "artifizielle Störung (absichtliches Erzeugen oder Vortäuschen von körperlichen oder psychischen Symptomen oder Behinderungen)".
Patienten mit dem Münchhausen-Syndrom leiden überzufällig häufig auch an anderen psychischen Störungen wie Selbstverletzung, Borderline-Persönlichkeitsstörungen oder aggressiver Persönlichkeitsstörung. Entsprechend der Fachliteratur (Eckhardt) wird die artifizielle Störung (das Münchhausen-Syndrom) als Form selbstverletzenden/selbstschädigenden Verhaltens im Rahmen der Borderline-Persönlichkeitsstörung aufgefasst. Das Münchhausen-Syndrom ähnelt der historischen Diagnose Pseudologia phantastica (Anton Delbrück, 1891).
Als Ursache der Störung werden – wie bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung – ungünstige psychosoziale Aufwuchsbedingungen (evtl. auch echte Traumatisierungen) in Kindheit und Jugend diskutiert. (Ausführliche Darstellung bei Eckhardt).
Die Bezeichnung prägte der Londoner Psychiater Sir Richard Asher (1912-1969) 1951, nach dem Baron Münchhausen, dem "Lügenbaron" (The Lancet, 1951).
[Bearbeiten] Münchhausen-Stellvertretersyndrom
Eine besondere Form – das Münchhausen-Stellvertretersyndrom (engl. Munchausen by proxy syndrom) – liegt vor, wenn Eltern oder sonstige Aufsichtspflichtige eines Kindes oder Anvertrauten diese als Symptomträger präsentieren, häufig einhergehend mit strafbarer Kindesmisshandlung.
[Bearbeiten] Literatur
- Eckhardt, Annegret: Das Münchhausen-Syndrom - Formen der selbstmanipulierten Krankheit. Urban und Schwarzenberg, München 1989
- Peters, Henrik Uwe (1984 ff): Wörterbuch der Psychiatrie und medizinischen Psychologie. München: Urban & Schwarzenberg.
- Bryk, M and Siegel, P.T. (1997): My mother caused my illness
- Bools, C. N. Neale, B. A., Meadow S.R. (1992): Co-morbitdity associated with fabricated illness (MbpS)
- Bools, C. N. Neale, B. A., Meadow S.R. (1992): Follow-up of vitims of fabricates illness (MbpS)
- Krupinski, M. Soyka, M. Tusch-Bauer E., Frank, R. (1995): Muenchhausen-by-proxy-Syndrom: eine interdisziplinäre Herausforderung
- Plaßmann, R.: Artifizielle Krankheiten und Münchhausen-Syndrome. In: Mathias Hirsch (Hg.): Der eigene Körper als Objekt. Zur Psychodynamik selbstdestruktiven Körperagierens. Gießen 1998, S. 118-154
- Rossenberg, D.A. (1987): Web of deceit: A literature review of Munchausen by proxy syndrom.
- Schreier, H.A.; Libow, J.A. (1994): Hurting for love: MbpS.
- Gregory, Julie: Du hast mich krank gemacht - Meine Mutter ließ mich leiden. ISBN 3-404-61592-1
- Nowara, Sabine: Das Münchhausen-by-proxy-Syndrom. In: Deegener, Körner (Hrsg.): Kindesmisshandlung und Vernachlässigung. Hogrefe, Göttingen 2005
[Bearbeiten] Siehe auch
- William McIlroy (zum gut dokumentierten Fall William oder Stewart McIlroy)
[Bearbeiten] Weblinks
- www.psychosoziale-gesundheit.net/ Wenn sich Menschen selbst beschädigen, um eine Krankenrolle zu erzwingen
- Eckhardt, Annegret: Artifizielle Störungen Artikel in Deutsches Ärzteblatt
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