Leonhardifahrt
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Die Leonhardifahrt oder der Leonhardiritt ist eine Prozession zu Pferde, die zum Brauchtum in Süddeutschland und Österreich zählt. Sie findet zu Ehren des Benediktinerabts Heiliger Leonhard von Limoges (6. Jh.) an seinem Patronatstag, dem 6. November, oder einem benachbarten Wochenende statt. Einige Dörfer in Bayern feiern Leonhardi auch im Sommer.
Als Schutzpatron der landwirtschaftlichen Tiere, heute vor allem der Pferde, werden zu Leonhardi Wallfahrten mit Tiersegnung, insbesondere von Pferden, abgehalten. Motiv für die Segnung (oft, aber theologisch problematisch, auch Weihe genannt) der Tiere, insbesondere der Pferde, ist ihre Rolle, die sie als Last- und Arbeitstiere bis vor wenigen Jahrzehnten für die ländliche Bevölkerung spielten und heute nicht zuletzt aus ökologischen und Liebhaber-Gründen wieder vermehrt spielen.
Als weltliches Rahmenprogramm gibt es meist das Leonhardifest. Es kann Bierzeltbetrieb, Jahrmarkt und Tanzveranstaltungen umfassen. Auf bayrisch gibt es keine Unterscheidung zwischen Leonhardifest und Leonhardifahrt. Beides wird mit "Lehardi" (mancherorts auch "Lehards" oder "Leachats") bezeichnet.
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[Bearbeiten] Orte
Am bekanntesten ist dabei die Leonhardifahrt von Bad Tölz, die immer am 6. November selbst stattfindet, außer dieser fällt auf einen Sonntag (dann am Samstag davor). Sie ist mit ca. 80 Vierergespannen und jährlich rund 25.000 Besuchern wohl die größte und geht auf das 17. Jahrhundert zurück und findet jährlich seit 1855 statt (von ein paar Ausfällen, wie zu Kriegszeiten, einmal abgesehen).
Der bislang urkundlich älteste Ritt findet in Kreuth am Tegernsee statt, der erstmals 1442 erwähnt wird.
Weitere Leonhardifahrten bzw. -ritte finden statt in:
- Aigen am Inn
- Bannacker
- Benediktbeuern
- Dießen am Ammersee
- Dietramszell
- Ensdorf (Oberpfalz)
- Froschhausen bei Murnau am Staffelsee
- Fürstenfeldbruck
- Furth im Wald
- Garmisch-Partenkirchen
- Gmund am Tegernsee
- Grafing bei München (erstmalige urkundliche Erwähnung 1708)
- Grongörgen bei Haarbach
- Guntersberg
- Haberskirchen
- Harmarting
- Holzhausen bei Teisendorf (erstmals urkundlich erwähnt 1612)
- Hundham
- Inchenhofen (Landkreis Aichach-Friedberg)
- Kaufering
- Kirchweihdach
- Kundl (Tirol)
- Lauf (Ortenaukreis)
- Lenggries
- Leogang - Land Salzburg
- Lippertskirchen
- Meilenhofen an der Schutter (Landkreis Eichstätt)
- St. Leonhard am Wonneberg
- St. Leonhard bei Babensham
- Seebarn bei Neunburg vorm Wald
- Niederaudorf
- Niederkirchen (Landkreis Rottal-Inn)
- Nußdorf am Inn
- Pähl
- Pasenbach (Lkrs. Dachau)
- Markt Peißenberg
- Pichl in Obb.
- Pietzing
- Preisendorf
- Reichersdorf
- Reichling
- Rimsting
- Rottenbuch (seit 1947)
- Sarleinsbach
- Schliersee nach Fischhausen
- Siegertsbrunn
- Simbach am Inn
- Thambach
- Truchtlaching
- Übersee
- Unterammergau
- Unterliezheim (Landkreis Dillingen an der Donau, Gemeinde Lutzingen)
- Utting am Ammersee
- Warngau
- Wartenberg
- Weigendorf (Landkreis Dingolfing-Landau).
- Weißenhorn
- Wildsteig
In den letzten Jahren wurden einige Leonhardiritte wiederbelebt (zum Beispiel in Leogang Sbg. und in Meilenhofen). Andernorts wird die Tradition nur zu Jubiläen wieder aufgenommen (zum Beispiel in Diepoldsberg bei Obing). Umgekehrt gibt es auch relativ junge Leonhardiritte, zum Beispiel seit 1993 auf den Brandlberg (Stadt Bogen) im Bayerischen Wald.
In Österreich gibt es einen Leonhardiritt in:
- Thiersee (T) dieser geht zurück auf ein Gelöbnis im Jahre 1704 während des bayrischen Rummels und wird seit dem jedes Jahr am vorletzten Sonntag im Oktober durchgeführt. Bis zu 40 Gespanne und 130 Pferde nehmen an diesem traditionellen Ritt teil. Aus vielen Teilen Tirols, Salzburgs und Bayerns kommen die Pferdehalter, um Ihren Schutzpatron zu feiern. Den Hauptanteil der Pferde sind die Noriker, die heute wieder eine Wiedergeburt als Freizeit- und Arbeitspferd erleben.
- Kundl (T), wiederbelebt 1963 zur Finanzierung der Restaurierung der Leonhardskirche. Vom Ortszentrum aus setzt sich am Sonntag nach dem 6. November eine Reiterprozession (ca. 80 bis 100 Reiter in Tracht) in Richtung Leonhardskirche in Gang. Es sind auch Bauern und Vereine der Umgebung dabei. Hinter der Reitergruppe fährt eine Kutsche mit dem Priester, der die Feldmesse hält.
- Leogang (Sbg) und Sankt Leonhard bei Freistadt
- Desselbrunn (Oberösterreich), erstmals 1945 und seither jährlich am Sonntag nach dem 6. November.
Die Bauern und Pferdebesitzer der jeweiligen Umgebung fahren dabei in Gespannen, sogenannten Truhenwagen, zum Wallfahrtsziel. Zum Beispiel:
- in Bad Tölz zur Leonhardikapelle auf den Kalvarienberg nordwestlich von Bad Tölz.
- in Benediktbeuern zum Innenhof des Kloster, wo sich die Gespanne während der Messe aufhalten und dann auch wieder ins Dorf zurückziehen.
- in Grafing zur um 1400 entstanden Wallfahrtskirche St. Leonhard.
- in Rottenbuch zur Fohlenmarktwiese am Leonhardibrunnen mit Feldmesse und Pferdesegnung
[Bearbeiten] Varia
Beim Wallfahrtszug sind zahlreiche heimische Trachten zu sehen. Die Wagen und Pferde werden festlich geschmückt. Mancherorts werden Figuren und/oder Reliquien des hl. Leonhard mitgeführt. Auch gibt es hierbei den Brauch der Pferdesegnung.
In Bad Tölz bildet den Abschluss der Wallfahrt das Leonhardidreschen (Goaßlschnalzen) auf der Bad Tölzer Marktstraße.
Manchmal wird versucht, den Unterschied zwischen Leonhardiritt und Leonhardifahrt daran festzumachen, dass bei Ritt ausschließlich Männer auf den Pferden reiten (so dass Frauen praktisch ausgeschlossen waren und bei manchen Ritten auch noch sind), während bei der Fahrt vor allem auch die Bäuerinnen, Mägde und Kinder gefahren werden.
Mitunter wird die Tradition der Leonhardifahrten mit dem altgermanischen Brauch der Weihefahrt mit Weihepferden zu Ehren des Göttervaters Wotan in Verbindung gebracht, zumal bei den Germanen das Pferd als heiliges Tier galt. Dieser Brauch sei dann christianisiert worden.
[Bearbeiten] Ähnliche Feste
- Andere Gemeinden ehren den Heiligen mit dem Leonhardifest.
- Untergegangene Leonhardiwallfahrten, die noch Ende des 15. Jahrhunderts bestanden, gab es zu den oberpfälzischen Orten Velburg und Berngau.
- Weitere Prozessionen zu Pferde sind der Kötztinger Pfingstritt, verschiedene Georgiritte, der Blutritt in Weingarten, der Willibalds-Ritt in Jesenwang mit Durchritt durch die Kirche und das Osterreiten.
- Ein Zeremoniell neuer Monarchen war der Königsumritt.
[Bearbeiten] Literatur
- Zauner, Franz Paul: Siegertsbrunn, seine Leonhardi-Wallfahrtskirche und die Leonhardifahrt, ca. 1910; 1995
- Schierghofer, Georg: Altbayerns Umritte und Leonhardifahrten, 1913
- Hindringer, Rudolf: Weiheross und Rossweihe eine religionsgeschichtlich-volkskundliche Darstellung der Umritte, Pferdesegnungen und Leonhardifahrten im germanischen Kulturkreis, 1932
- Der Leonhardiritt in Tölz, ca. 1936
- Oswald, Marin: Chronik der Leonhardifahrt in Grafing, 1708-1966, 1967
- Kapfhammer, Günther: Leonhardifahrt in Murnau, 1973
- Stangl, Gabriele: Leonhardifahrt in Bad Tölz, 1977
- Kapfhammer, Günther: St. Leonhard zu Ehren vom Patron der Pferde, von Wundern und Verehrung, von Leonhardifahrten und Kettenkirchen, 1977
- Fischer, German: Leonhardsverehrung und Leonhardiritt seit 1803, Inchenhofen, 1992
- Iser, Wunibald: Der Meilenhofener Leonhardiritt ein Bericht über die Wiederbelebung eines Brauchtums, in: Schönere Heimat, 1992
- 375 Jahre Leonhardiritt in Guntersberg. Festschrift zum Jubiläumsritt am 9. November 1997, 1997
- Schnitzer, Christoph: Die Tölzer Leonhardifahrt, 2005
[Bearbeiten] Weblinks
- Tölzer Leonhardifahrt - Tausende Fotos der Fahrten seit 2002
- Leonhardifahrt in Kreuth - Geschichte der Fahrt
- Tölzer Leonhardifahrt - Informationen, Geschichte und Bilder