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Kurt Hübner (Philosoph) – Wikipedia

Kurt Hübner (Philosoph)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Kurt Hübner (* 1. September 1921 in Prag) ist ein deutscher Philosoph.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Leben

Hübner studierte zunächst in seiner Heimatstadt Prag, später in Rostock und Kiel Philosophie. Das Studium schloss er 1951 mit Promotion ab und habilitierte sich im Jahre 1955. Von 1960 bis 1971 war er ordentlicher Professor an der Technischen Universität Berlin und Honorarprofessor an der Freien Universität Berlin. Von 1971 bis zu seiner Emeritierung 1988 lehrte er als ordentlicher Professor an der Universität Kiel.

Von 1969 bis 1975 stand Hübner der Allgemeinen Gesellschaft für Philosophie in Deutschland als Präsident vor. Von 1978 bis 1988 war er Mitglied des Comité Directeur der Féderaton Internationale des Sociétés de Philosophie in Bern.

1993 wurde Kurt Hübner die Humboldt-Plakette verliehen.

[Bearbeiten] Philosophie

[Bearbeiten] Wissenschaftstheorie

Hübners wichtigste wissenschaftstheoretische Arbeiten finden sich in seinem wissenschaftstheoretischen Lehrbuch Kritik der wissenschaftlichen Vernunft, das bereits 1978 das erste Mal im Alber Verlag in Freiburg erschien. Hübner arbeitet erstmalig den Begriff von Wissenschaft heraus, wonach wissenschaftliches Arbeiten durch fünf Klassen von Festsetzungen bestimmt ist: 1. Instrumentale Festsetzungen, durch die die Daten, das Einzelne der wissenschaftlichen Erkenntnis, bereitgestellt wird, 2. Funktionale Festsetzungen, die das Allgemeine der wissenschaftlichen Erkenntnis liefern, 3. Axiomatische Festsetzungen, durch die die Bedeutungsrelationen zwischen dem Einzelnen und dem Allgemeinen zu Formen von Naturgesetzen verschmolzen werden, 4. Judikale Festsetzungen, durch die aufgestellte Gesetze auf ihre Verlässlichkeit hin überprüft werden können und 5. Normative Festsetzungen, durch die die Objektbereiche einer Wissenschaft, ihre Methoden und die Art möglicher Erkenntnisse festgelegt werden.

An vielen historischen Beispielen zeigt Hübner, dass diese Festsetzungen für die verschiedensten Wissenschaftsbereiche durchaus auch im Nachhinein angebbar sind, auch wenn die Wissenschaftler sie nur intuitiv angewandt haben. Hübner beschreibt darum alle Wissenschaften als Regelsysteme, einerlei ob die Regeln, die mit den fünf Arten von Festsetzungen bestimmt sind, informell (d.h. nicht schriftlich fixiert) oder formell (d.h. explizit angegeben) vorliegen oder vorgelegen haben. Damit hat Kurt Hübner den erkenntnistheoretischen Relativismus mit seiner historistischen Wissenschaftstheorie bereichert, d.h. alle Grundlagen, wie sie bislang für die Wissenschaften angebbar sind, besitzen keine absolute, sondern stets eine historisch bedingte Fundierung.

Ferner postuliert Hübner, dass das Verhalten von Menschen in allen Lebensbereichen durch informelle oder formelle Regelsysteme beschreibbar ist. Die Gesamtheit der Regelsysteme, durch die das Verhalten der Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt und in einer bestimmten geographischen Region beschrieben werden kann, bezeichnet Hübner als historische Systemmenge. Der Wandel der Systemmenge, durch die eine historische Situation gekennzeichnet ist, geschieht durch Widersprüche innerhalb dieser Menge von Regelsystemen; denn die Menschen, die in ihren Lebensbereichen von diesen Widersprüchen betroffen sind, werden aufgrund ihrer Vernunftbegabung versuchen, die Regelsysteme so zu verändern, dass die Widersprüche aufgehoben werden, was Hübner eine Harmonisierung der Systemmenge nennt. Die Harmonisierung der Systemmenge kann nach Hübner durch Explikation (d.h. durch weitere Ausarbeitung und Anwendung etwa von wissenschaftlichen Theorien) geschehen oder durch Mutation (d.h. durch die Änderung der Grundlagen der Regelsysteme, was in den Wissenschaften bedeutet, dass sich ihre Festsetzungen ändern, insbesondere die normativen Festsetzungen).

Eine Harmonisierung einer Systemmenge nennt Hübner einen Fortschritt, und er spricht von Fortschritt I, wenn die Harmonisierung durch Explikation stattfand, und von Fortschritt II, wenn die Harmonisierung durch eine Systemmutation entstand. Durch diese Fortschrittstheorie gelingt es Hübner, den Fortschrittsgedanken auch über sogenannte wissenschaftliche Revolutionen hinweg zu retten. Das Zustandekommen der besonders einschneidenden wissenschaftlichen Revolutionen in der europäischen Geistesgeschichte kann Hübner mit Hilfe seiner Fortschrittstheorie eindrucksvoll nachzeichnen. Durch die Einbettung dieser Systemharmonisierungen in die historischen Systemmengen, braucht Hübner nicht mehr nur wissenschaftsimmanent zu argumentieren, woran die vorhübnerschen Fortschrittstheorien nahezu vollständig gescheitert sind, er kann vielmehr auch außerwissenschaftliche Einflüsse, wie etwa Änderungen religiöser Regelssysteme mitberücksichtigen und dadurch den historischen Verlauf wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Umbrüche überzeugend darstellen. Es gelingt Hübner sogar abschließend zu zeigen, dass selbst die Systemmengen der mythischen Zeit (des Mythos) zu in sich geschlossenen Weltsichten führt, die den verschiedenen wissenschaftlichen Weltsichten hinsichtlich ihrer Konsistenz und ihrer lebenserhaltenden Funktionen für die Menschen in nichts nachstehen.

[Bearbeiten] Schriften

  • Art. Naturphilosophie, Naturgesetze, in: RGG³
  • Beiträge zur Philosophie der Physik, Tübingen 1963
  • Leib und Erfahrung in Kants Opus postumum. In: Gerold Prauss (Hrsg.), Kant: Zur Deutung seiner Theorie von Erkennen und Handeln. Köln 1973, 192-204.
  • Kritik der wissenschaftlichen Vernunft, Freiburg / München 1978, 2002
  • Die Wahrheit des Mythos, München 1985
  • Art. Mythos (philosophisch), in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 23
  • Die nicht endende Geschichte des Mythischen (1987), in: Texte zur modernen Mythentheorie, Reclam Stuttgart 2003
  • Das Nationale – Verdrängtes, Unvermeidliches, Erstrebenswertes. Graz 1991
  • Die zweite Schöpfung – Das Wirkliche in Kunst und Musik, München 1994
  • Glaube und Denken – Dimensionen der Wirklichkeit, Tübingen 2001
  • Das Christentum im Wettstreit der Weltreligionen – Zur Frage der Toleranz, Tübingen 2003
  • Irrwege und Wege der Theologie in die Moderne, Augsburg 2006

[Bearbeiten] Weblinks


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