Kreuzworträtselmord
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Der Kreuzworträtselmord, auch Kreuzworträtselfall genannt, war einer der bekanntesten Fälle in der Kriminalgeschichte der DDR.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Das Verbrechen
Im Jahre 1981 verschwand in Halle-Neustadt der siebenjährige Lars Bense. Seine Leiche wurde etwa zwei Wochen später an der Bahnstrecke Halle–Leipzig in einem älteren Reisekoffer gefunden. Darüber hinaus fand man auch einige alte Zeitungen mit ausgefüllten Kreuzworträtseln in dem Koffer. Die Obduktion ergab, dass jemand den Jungen vor dessen Tod sexuell missbraucht hatte. Der Koffer war sehr wahrscheinlich aus einem fahrenden Zug geworfen worden.
[Bearbeiten] Die Aufklärung
Da – laut den beteiligten Experten – weitere Morde des Täters zu erwarten waren und den ermittelnden Behörden von übergeordneter Instanz eine rasche Aufklärung des Verbrechens abverlangt wurde, aber außer den ausgefüllten Kreuzworträtseln keinerlei weitere Spuren vorhanden waren, kam es zu einer in der Geschichte der DDR einzigartigen Aktion. Alle zur Verfügung stehenden Schriftstücke wurden mit der Schrift aus dem Koffer abgeglichen. Als dies aber nicht zum Erfolg führte, wurden unter diversen Vorwänden von jedem Bewohner Halle-Neustadts Schriftproben eingeholt, im Jargon der Volkspolizei als individuelle Schreibleistungen bezeichnet. Außerdem wurden wiederholt Altpapiersammlungen durchgeführt, um bei positivem Ergebnis das vermeintliche Wohngebiet des Täters geografisch besser eingrenzen zu können.
Insgesamt wurden 551.198 Schriftproben ausgewertet. Dieser immense Aufwand der Ermittler war es, der den Fall beispiellos in der Kriminalgeschichte der DDR machte und schließlich auch nach etwa zehn Monaten zur Festnahme des Täters führte. Die Kreuzworträtsel waren von einer Frau ausgefüllt worden, der auch der Koffer gehörte. Der ermittelte Täter war der Freund ihrer Tochter.
[Bearbeiten] Bedeutung
Der Fall gilt als der Kriminalfall mit der weltweit umfassendsten Auswertung von Schriftproben. Aufgrund der besonderen Dringlichkeit wurden die Ermittlungen maßgeblich von den Mitarbeitern der Bezirksverwaltung und Kreisdienststelle Halle des Ministeriums für Staatssicherheit unterstützt.
Ein derart umfassendes polizeiliches Vorgehen wäre unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten in der Bundesrepublik Deutschland nicht direkt möglich gewesen. In der vergleichbaren Operation Mikado wurden 2006 jedoch sämtliche 22 Millionen deutsche Kreditkarten verdeckt nach einem bestimmten Betrag hin untersucht.
[Bearbeiten] Sonstiges
Hauptmann Siegfried Schwarz, von 1976 bis 1983 Chef der Morduntersuchungskommission bei der Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei (BdVP) Halle, leitete regulär die Untersuchung. Sein Stellvertreter, Hauptmann Löser, führte die unmittelbaren Ermittlungen. Aufgrund der Bedeutung des Falles wurde eine erweiterte Morduntersuchungskommission gebildet, zu welcher Oberleutnant Adolf Döling vom Volkspolizeikreisamt Halle abgeordnet wurde. Dessen Aufgabe bestand darin, die gesammelten Schreibleistungen zu erfassen und an die Schriftsachverständigen weiterzuleiten. Im Zuge der umfangreichen Ermittlungen wurden auch andere Delikte (Unterschlagungen usw.) bekannt. Gemäß der Weisung des Chefs der BdVP, General Schröder, konzentrierte sich Hauptmann Schwarz ausschließlich auf den Mord und kommentierte unnötige Aufforderungen durch den Chef Operativ, Oberst Becker, zur Erstellung von Berichten über die anderen Delikte mit der Bemerkung, dass er „ihn mal könne“.
Der Fall und die Aufklärung wurden im Buch Der Kreuzworträtselmord und andere Kriminalfälle aus der DDR von Hans Girod geschildert. Näheres ist im bald erscheinenden Buch des Hauptmanns Schwarz nachzulesen. Der Fall diente 1988 auch als Vorlage einer Folge der Krimi-Serie Polizeiruf 110 mit dem Titel Der Kreuzworträtselfall.
[Bearbeiten] Der Täter
Der ermittelte Täter, Matthias S., wurde vom Bezirksgericht Halle wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit gleichzeitiger Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt. Da der Mörder zur Tatzeit erst 18 Jahre alt war und damit in der Bundesrepublik die Anwendung des Jugendstrafrechts möglich gewesen wäre, beantragte der bundesdeutsche Staatsanwalt 1991 die Wiederaufnahme des Verfahrens. Das neue Urteil vom 20. Mai 1992 lautete wegen Mordes zwar erneut auf Höchststrafe, die jetzt allerdings nur noch zehn Jahre Jugendhaft mit anschließender Einweisung in die Psychiatrie nach sich zog. Die Einweisung erfolgte laut dem zuständigen Oberstaatsanwalt, um mit einiger Gewissheit weitere Morde auszuschließen.
Der Täter war bis 1996 im Maßregelvollzug Uchtspringe untergebracht und lebte anschließend drei Jahre in einem Projekt für betreutes Wohnen. Im Jahre 1999 wurde er endgültig entlassen.