Fraumünster
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Das Kloster Fraumünster war ein Benediktinerinnen-Stift in Zürich (Kanton Zürich, Schweiz). Die ehemalige Klosterkirche ist eines der Wahrzeichen Zürichs.
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[Bearbeiten] Gründungslegende
Nach der überlieferten Gründungslegende seien die zwei Töchter des ostfränkischen Königs Ludwig des Deutschen, Hildegard und Berta, auf die Burg Baldern auf dem Albis gezogen, um in der Abgeschiedenheit ihr Leben Gott zu widmen. Oft seien sie ins nahe Zürich gewandert, um dort in der Kapelle der Heiligen Felix und Regula zu beten. Gott habe den frommen Schwestern dabei jeweils einen weissen Hirsch mit auf den Weg gegeben, dessen Geweih hell leuchtete und ihnen dadurch den Weg durch den dunklen Wald wies. Der Hirsch habe ihnen schliesslich eine Stelle bei der Limmat gezeigt, wo sie eine Kirche errichten sollten. Ludwig der Deutsche habe darauf an dem bezeichneten Ort die Fraumünsterabtei gestiftet, der zuerst Hildegard, anschliessend ihre Schwester Berta vorstand.
Die Gründungslegende wurde von Paul Bodmer für die Ausmalung des Fraumünsterkreuzgangs 1924–34 aufgegriffen. Auch die Gesellschaft zu Fraumünster, die 1988 gegründet wurde, bezog die Legende in ihr Wappen ein, das einen weissen Hirsch auf blauem Grund mit drei gelben Lichtern im Geweih aufweist.
[Bearbeiten] Geschichte
[Bearbeiten] Name
Seit dem 9. Jahrhundert wurde das Kloster lateinisch als Monasterium Thuricense bezeichnet. Das deutsche «Münster» erscheint erstmals 1267, «Fraumünster» im ältesten Jahrbuch der Stadt Zürich in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Unter der Bezeichnung «Gotshus von Zürich» wird das Kloster im Richtebrief, dem ältesten schriftlichen Stadtrecht von Zürich erwähnt. Vom 14. Jahrhundert bis 1524 wird die Bezeichnung «Gotshus zum Fraumünster» gebräuchlich.
[Bearbeiten] Gründung
Das Kloster Fraumünster wurde am 21. Juli 853 von Ludwig dem Deutschen, einem Enkel Karls des Grossen, gegründet, indem er ein bereits bestehendes kleines Kloster an seine älteste Tochter Hildegard überschrieb. Die Schenkung war verbunden mit beträchtlichem Landbesitz im Urnerland, dem Hof Cham, dem Albiswald, dem Sihlwald, Landbesitz in Horgen, Langnau und dem Reppischtal. Zudem erhielt das Kloster eine eigene Gerichtsbarkeit und den Königshof in Zürich. Nach dem Aussterben der Karolinger wurde ein Reichsvogt zum Schutz des Stiftes und seiner Rechte bestellt.
Während der gesamten Lebensdauer des Klosters wurden vor allem Frauen aus dem Hochadel gegen Zahlung einer Mitgift ins Kloster aufgenommen, die zwar nach der benediktinischen Ordensregel lebten, aber das Recht hatten auszutreten und zu heiraten.
[Bearbeiten] Blütezeit
Die Reichsvogtei über das Fraumünster lag zuerst in den Händen der Grafen von Lenzburg, anschliessend ging sie an die Herzöge von Zähringen über. Die Äbtissin erhielt von Kaiser Heinrich III. das Zoll-, Markt- und Münzrecht und wurde somit die eigentliche Stadtherrin von Zürich. Im 13. Jahrhundert erreichte das Kloster den Höhepunkt seiner Macht und Bedeutung: 1218 übernahm Kaiser Friedrich II. die Reichsvogtei über das Fraumünster und erhob dessen Äbtissin in den Reichsfürstenstand. Als Fürstäbtissinnen nahmen die Klostervorsteherinnen beträchtlichen politischen Einfluss auf die Stadt und die Umgebung Zürichs. Wenig später erkämpfte sich die Stadt Zürich während des Interregnums 1262 jedoch Autonomie gegenüber dem Kloster. Eine bedeutende Gestalt unter den Fürstäbtissinnen jener Jahre war Elisabeth von Wetzikon (Äbtissin von 1270 bis 1298).
In den Umwälzungen von 1336 unter Rudolf Brun verlor das Kloster Fraumünster das Recht zur Ernennung des Schultheissen und die niedere Gerichtsbarkeit, behielt aber das Begnadigungsrecht, durch das sie die Gerichtsurteile der Stadtgerichtsbarkeit aufheben konnte. 1400 erwarb die Stadt Zürich endgültig die Reichsvogtei.
[Bearbeiten] Säkularisierung
Äbtissin Katharina von Zimmern hob im Zuge der Reformation unter Ulrich Zwingli am 30. November 1524 den Konvent auf und übergab alle Rechte und Besitzungen dem Rat von Zürich. Die Stadt verwaltete die Besitzungen durch das Fraumünsteramt und liess die Einkünfte der Stadtkasse zufliessen. Katharina wurde Bürgerin der Stadt Zürich und heiratete 1525 den Ritter Eberhard von Rischach.
[Bearbeiten] Fraumünster-Kirche
Die Kirche des Fraumünsters wurde ab Mitte des 9. Jahrhunderts erbaut und 874 eingeweiht. Aus dem Grab von Felix und Regula im Grossmünster wurden Reliquien in die neue Kirche überführt. Zusammen mit der Wasserkirche und dem Grossmünster bildete die Fraumünster-Kirche bis zur Reformation eine Prozessionsachse in Bezug auf die Heiligen Felix und Regula. 1150 und 1250 wurde je ein Turm erbaut, von denen der südliche 1728 abgerissen, der nördliche dafür 1732 erhöht wurde. In ihm hängt heute ein Geläut in den Tönen b0–es1–g1–b1–c2. Seit Pfingsten 2007 hängt die kleinste Glocke im Turm; sie wurde von der Glockengiesserei Rüetschi in Aarau gegossen. Die vier großen Glocken stammen von Jakob Keller und wurden 1874 gegossen.
Ab Mitte des 13. Jahrhundert wurde die Kirche im gotischen Stil umgebaut und erweitert. Das Langhaus wurde zuletzt 1911 umgebaut. Die ganze Kirche wurde während der Reformation bis 1527 von den Altären, dem Bildschmuck und der Orgel entkleidet. 1544 wurde zur Predigt eine Kanzel eingebaut. 1847 legte Ferdinand Keller die mittelalterlichen Wandmalereien wieder frei und liess sie durch Franz Hegi aquarellieren. Das bedeutendste Gemälde, das wahrscheinlich kurz um 1300 entstanden war, befand sich im südlichen Querschiff und zeigte die Gründungslegende. Es ist heute grösstenteils zerstört. Die letzte umfassende Innen- und Aussenrenovation des Fraumünsters fand zwischen 2006 und 2007 statt. Dabei wurde im Innenraum eine problematische filmbildende Latexfarbe, die von der Renovation von 1979 stammte, wieder entfernt. Dabei konnten die noch bestehenden mittelalterlichen Decken- und Wandmalereien untersucht und konserviert werden.
Der Chorraum von 1250–1270 wurde ab 1967 mit fünf prächtigen Glasfenstern des surrealistischen Malers Marc Chagall ausgestattet. 1978 schuf Chagall ausserdem ein Fenster für die Rosette des südlichen Querschiffs. Ein weiteres bedeutendes Glasfenster ist Das himmlische Paradies (1945) von Augusto Giacometti im nördlichen Querschiff. Die Orgel des Fraumünsters ist mit 5793 Pfeifen die grösste des Kantons Zürich.
Die Klostergebäude beherbergten bis 1803 das Fraumünsteramt. Im Westflügel hatte 1601–1832 das Collegium humanitatis seinen Sitz. 1715 wurde das sogenannte Haberhaus zu einem Musiksaal umgebaut. Im 19. Jahrhundert richtete die Stadt Zürich in den leeren Klostergebäuden eine Schule ein. 1898 wurde die Klosteranlage für den Bau des neuen Zürcher Stadthauses abgebrochen. Teile des romanischen Kreuzgangs wurden im Innenhof des Stadthauses wiederverwertet. Dort kann heute ein Freskenzyklus von Paul Bodmer besichtigt werden, der die Legende der Klostergründung und der Stadtheiligen Felix und Regula darstellt.
Siehe auch: Geschichte der Stadt Zürich, Kirchen und Klöster in der Stadt Zürich im Mittelalter
[Bearbeiten] Kirchgemeinde Fraumünster
Die Fraumünster-Kirche ist heute die Kirche der Kirchgemeinde Fraumünster, die mit 200 Mitgliedern die kleinste der 34 evangelisch-reformierten Kirchgemeinden der Stadt Zürich ist.
Die Kirchgemeinde hat jedoch eine Predigtgemeinde, die weit über das eigene Gemeindegebiet hinausreicht. Zeichen dafür sind die 200–400 Gottesdienstbesucher, die jede Woche ins Fraumünster kommen und der Fraumünsterverein, dem 1100 Predigthörer angehören, die nicht im Gemeindegebiet wohnen. Grund dafür ist die seit dem 19. Jahrhundert gepflegte, hochstehende Predigttradition der Kirche, zu der zeitenweise die in der Gemeinde lebende Theologieprofessoren der Universität Zürich beitrugen, wie Emil Brunner und andere.
Der seit 1871 bestehende Fraumünsterchor mit über 100 Mitgliedern führt, neben der Mitwirkung am Gottesdienst, jedes Jahr unter der Leitung des Fraumünster-Organisten Alex Hug ein sakrales Werk mit Orchesterbegleitung auf.
[Bearbeiten] Literatur
- Regine Abegg / Christine Barraud Wiener: Die Kunstdenkmäler des Kantons Zürich, Neue Ausgabe II.I. Die Stadt Zürich II.I: Altstadt Links der Limmat, Sakralbauten, Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 2002, ISBN 3-90613-103-3
- Walter Baumann: Zürichs Kirchen, Klöster und Kapellen bis zur Reformation. NZZ Libro, Zürich 1994, ISBN 3-85823-508-3
- Emil Brunner: Fraumünsterpredigten. Zwingli-Verlag, Zürich 1953.
- Konrad Escher: Die Kunstdenkmäler des Kantons Zürich. Bd. 4. Die Stadt Zürich, Erster Teil. (Die Kunstdenkmäler der Schweiz). Birkhäuser, Basel 1939.
- Klaus Guggisberg: Der Sprung in den Brunnen: das Giacometti-Fenster im Fraumünster. Predigten von Klaus Guggisberg. Th. Gut Verlag, Stäfa 1996, ISBN 3-85717-102-2
- Irene Gysel / Barbara Helbling (Hrsg.): Zürichs letzte Äbtissin Katharina von Zimmern. 1478-1547. NZZ Libro, Zürich 1999, ISBN 3-85823-829-5
- Irmgard Vogelsanger-de Roche: Schweizerische Kunstführer GSK, Band 257: Fraumünster Zürich, 3. korr. Auflage, Bern 1990
- Peter Vogelsanger: Zürich und sein Fraumünster. Eine elfhundertjährige Geschichte (853–1956). NZZ Libro, Zürich 1994, ISBN 3-85823-515-6
[Bearbeiten] Weblinks
- Kirchgemeinde Fraumünster Zürich
- Gesellschaft zu Fraumünster Zürich
- Bilder der Chagall-Glasfenster
- Panoramen der Kirche und der Glasfenster
- 360° Panorama von der Fraumünster Turmspitze
- Schweizer Fernsehen: Reportage über die Chagall-Fenster (Real Player)
Koordinaten: 47° 22′ 11" n. Br., 8° 32′ 28" ö. L.