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Wilhelm Stapel – Wikipedia

Wilhelm Stapel

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Wilhelm Stapel (* 27. Oktober 1882 in Calbe, † 1. Juni 1954 in Hamburg) war ein politischer Publizist und Kopf des Hamburger Kreises, einer Gruppe von Denkern, die Armin Mohler der Konservativen Revolution zuordnet. Stapel war Protestant, Nationalist und bekennender Antisemit.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Leben

Wilhelm Stapel war Sohn eines Uhrmachers, wuchs in Calbe auf und besuchte dort mit einer Unterbrechung, als er eine Buchhändlerlehre absolvierte, das Gymnasium. Nach seinem Abitur studierte er in Göttingen, München und Berlin Kunstgeschichte, Philosophie und Volkswirtschaft. 1911 wurde er in Göttingen bei Edmund Husserl mit einer kunstgeschichtlichen Arbeit über gotische Plastik promoviert.

Stapel war damals von den Schriften von Friedrich Naumann und Ferdinand Avenarius beeinflusst, welche seine zunächst links-liberale politische Einstellung prägten. Er war in dieser Zeit politischer Redakteur bei dem liberalen Stuttgarter Beobachter. 1911 trat er in eine leitende Position in den Dürerbund von Ferdinand Avenarius ein, und wurde von diesem in die Redaktion der Zeitschrift Der Kunstwart geholt. Ein persönliches Zerwürfnis mit Avenarius veranlasste ihn 1916 zum Rücktritt von diesem Engagement. Von 1917-19 war Stapel Geschäftsführer in dem von Walther Classen 1901 gegründeten Hamburger Volksheim, wo überwiegend volksbildnerische Veranstaltungen angeboten wurden. In einer seiner Reden zur „Volksbürgerlichen Erziehung“, die er 1917 dort hielt, entwickelte Stapel die theoretische Trennung von Volk und Staat, die für sein Denken bis zur Anerkennung der Führerschaft Adolf Hitlers programmatisch bleiben sollte.[1] Stapel war außerdem Mitglied und Förderer der Fichte-Gesellschaft.

Nach dem 1. Weltkrieg erfolgte eine politische und weltanschauliche Umorientierung Stapels zu konservativ-deutschnationalen und antisemitischen Positionen. Im Januar 1919 wurde Stapel Chefredakteur und Herausgeber der Monatszeitschrift Deutsches Volkstum, welche unter seiner Leitung zu einem der führenden antisemitischen Organen der Weimarer Republik wurde.[2][3] Bestimmenden Einfluß hatte Stapel auf die Hamburger "Hanseatische Verlagsanstalt". Seine 1917 erschienene Volksbürgerliche Erziehung, die in 1942 in einer bearbeiteten Form unter dem Titel Volk. Untersuchungen über Volkheit und Volkstum erschien, war bereits gegen das „unter uns vorhandene jüdische Volkstum“ geprägt.[4] Antisemitismus war für Stapel nichts Negatives, sondern „ein Beweis dafür, dass die Volksseele noch gesund und widerstandsfähig ist“. [5] 1922 folgte seine weit verbreitete Schrift Antisemitismus?. In seinen Arbeiten zitierte er immer wieder Hans F. K. Günther, besonders als Kronzeuge für die Auffassung, daß Deutsche und Juden keine "Rassen", sondern "Völker (sind), die aus mehreren Rassen (...) hervorgegangen sind."[6] Dementsprechend ist bei Stapel nicht der Begriff "Rasse", sondern "Volkstum" entscheidend, und er interpretiert er den Konflikt zwischen Juden und Deutschen vor allem als "seelisches Problem".

Er verwendete als einer der Ersten den Begriff der „Symbiose zwischen Deutschen und Juden“[7], die er allerdings als keinen wünschenswerten Zustand betrachtete. „Den Streit zwischen Juden und Antisemiten“, so Stapel, werde man nicht begreifen, wenn man diesen nur als einen Streit von Individuen betrachte. Es handele sich nicht darum, dass „einzelne Menschen dieser Art mit einzelnen Menschen anderer Art“ nicht auskommen könnten. Vielmehr handele es sich um einen grundlegenden charakterlichen Gegensatz von Völkern: „Volksinstinkte, Volksanlagen, Volkheiten stoßen aufeinander.“ [8] So stehe dem deutschen Antisemitismus komplementär ein jüdischer "Antigermanismus" gegenüber. Diesen Gegensatz zu konstatieren, bedeutet jedoch keine Abwertung des Judentums. [9] Stapel warnte vor "staatlichen Radikalkuren", wertete den Zionismus positiv und empfahl die Wahrung von geistiger "Distanz".[10]

Hans Blüher bezeichnete Stapel anerkennend als „einen der wenigen echten Antisemiten“ in Deutschland. 1932 antwortete Carl von Ossietzky mit einer Polemik auf Stapels Aufsatzsammlung Antisemitismus und Antigermanismus (1928) und Blühers Die Erhebung Israels gegen die christlichen Güter (1931), die zum Teil auf Stapel Bezug nahm. Obwohl sich sowohl Blüher als auch Stapel explizit gegen eine gewaltsame Lösung der "Judenfrage" aussprachen, unterstellte Ossietzky eine Komplizenschaft mit dem Vulgärantisemitismus: „Der literarische Antisemitismus liefert nur die immateriellen Waffen zum Totschlag“.[11]

Seit 1931 trat Stapel für den Nationalsozialismus ein, den er mit einer christlich-protestantischen Grundlage in Einklang zu bringen versuchte.[12] 1936 holte Walter Frank Stapel, den er aus der Zeitschrift Deutsches Volkstum kannte, in seine Forschungsabteilung Judenfrage, welches vom 1935 gegründeten Reichsinstituts für Geschichte des Neuen Deutschlands zur wissenschaftlichen Untermauerung des Antisemitismus eingerichtet worden war. In diesem Kontext entstand 1937 Stapels Arbeit Die literarische Vorherrschaft der Juden 1918-1933. In Bezug auf den Antisemitismus gab es innerhalb des Nationalsozialismus konkurrierende Strömungen. Die Forschungsabteilung Judenfrage stand in unmittelbarer Konkurrenz zu Alfred Rosenbergs Institut zur Erforschung der Judenfrage. In SS-Publikationen (Der schwarze Korps) wurde Stapel zunehmend kritisiert. Schließlich war der Druck auf Stapel so groß, dass er sich 1937 als Herausgeber des Deutschen Volkstum zurückzog. Die Zeitschrift erschien noch bis zu ihrer Einstellung 1938. Stapel war nun weitgehend aus der Publizistik ausgeschaltet. Noch im Jahre 1939 erklärte er seine Mitarbeit am Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben.[13]

Zu Stapels bekanntesten Werken gehörten seine satirischen Polemiken, die in den Bänden Literatenwäsche (1930, illustriert von A. Paul Weber) und Stapeleien (1939) gesammelt wurden. Stapel pflegte außerdem die Besonderheit des "Übersetzens ins Gemeindeutsche", etwa von Wolfram von Eschenbachs Parzifal, dem Heliand und Kants Kritik der reinen Vernunft.


[Bearbeiten] Werke (Auswahl)

  • Avenarius-Buch, 1916
  • Die Fiktion der Weimarer Verfassung, 1928
  • Antisemitismus und Antigermanismus, 1928
  • Literatenwäsche, 1930
  • Sechs Kapitel über Christentum und Nationalsozialismus, 1931
  • Der christliche Staatsmann, 1932

[Bearbeiten] Sekundärliteratur

  • Heinrich Keßler: Wilhelm Stapel als politischer Publizist, Ein Beitrag zur Geschichte des konservativen Nationalismus zwischen den beiden Weltkriegen. Erlangen 1967
  • Ascan Gossler: Theologischer Nationalismus und völkischer Antisemitismus. Wilhelm Stapel und die „konservative Revolution“ in Hamburg. Hamburg 1997
  • Helmut Thomke: Politik und Christentum bei Wilhelm Stapel. Mainz 1973

[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] Fußnoten

  1. Heide Gerstenberger, Der revolutionäre Konservativismus. Ein Beitrag zur Analyse des Liberalismus, Duncker & Humblot Berlin 1969, S.84
  2. Michael Mayer, NSDAP und Antisemitismus 1919-1933, In: Münchener Wirtschaftswissenschaftliche Beiträge, Heft Juli 2002, S.18
  3. Rudolf Lassahn, Studien zur Wirkungsgeschichte Fichtes als Pädagoge, Quelle & Meyer 1970, S.20
  4. Timur Mukazhanoc, Ein "weltoffenes Land"? Deutschlands langer Weg zu einer neuen Politik der Zuwanderung: neue Ansätze in deutscher Migrationspolitik und Einstellung der Bevölkerung, Freiburg/Breisgau Selbstverlag 2004, S.144
  5. Wilhelm Stapel, Volk. Untersuchungen über Volkheit und Volkstum, Hamburg 1942, S.238
  6. W. Stapel, "Antisemitismus und Antigermanismus" (1927), S. 14
  7. in der von ihm selbst herausgegebenen Monatsschrift Deutsches Volkstum (Heft 6, S. 418 1927)
  8. Salomon Korn, Wie deutsch soll’s denn sein?, Essay in DIE ZEIT 05.06.2003 Nr.24
  9. W. Stapel, "Antisemitismus und Antigermanismus" (1927), S. 108: "Es fällt mir ebensowenig ein, das jüdische Volk als Volk für minderwertig oder gar für 'böse' zu halten."
  10. W. Stapel, "Antisemitismus und Antigermanismus" (1927), S. 107-09.
  11. Carl von Ossietzky, Antisemiten in Die Weltbühne, 19. Juli 1932, S.97
  12. Anne Christine Nagel, Die Philipps-Universität Marburg im Nationalsozialismus: Dokumente zu ihrer Geschichte, F. Steiner Verlag 2000, S.149
  13. Hans Prolingheuer, Wir sind in die Irre gegangen, Köln 1987, S. 151


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