Wilde-Sau-Nachtjagdverfahren
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Unter dem Begriff Wilde Sau wurde zur Zeit des Zweiten Weltkriegs ein von der deutschen Luftwaffe angewandtes Verfahren bezeichnet, mit welchem bei Nacht englische Bomber – direkt über den angegriffenen deutschen Städten – durch deutsche Tagjäger abgeschossen werden sollten.
Als Schöpfer dieses Verfahrens gilt der deutsche Luftwaffenoffizier Hajo Herrmann.
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[Bearbeiten] Vorgehensweise
Bei der Durchführung des Wilde-Sau-Nachtjagdverfahrens wurden Tagjäger (in kleinerem Umfang auch Nachtjäger) bei Nacht eingesetzt. Die Jagdflieger wurden nicht wie im Himmelbett-Verfahren mittels taktischer Zielführung von Bodenstationen an das Ziel herangeführt, sondern sollten auf Sicht das Ziel aufnehmen und nach eigenem Ermessen "wie eine wilde Sau" in das Kampfgeschehen eingreifen.
Um diesen – ohne Radar agierenden – Jagdfliegern überhaupt zu ermöglichen, die gegnerischen Flugzeuge zu finden, mussten zuerst die Sichtverhältnisse verbessert werden. Dies sollte dadurch erreicht werden, dass man das Prinzip der Verdunkelung ins Gegenteil verkehrte und stattdessen in der angegriffenen Stadt möglichst viel Licht erzeugte. Da dies aufgrund des Widerstands der Gauleiter nicht durchzusetzen war, wurde als Ersatz versucht, im Schein der Flakscheinwerfer die englischen Bomber zu finden. Besonders gut gelang das, wenn eine gewisse (nicht zu dicke) Wolkendecke vorherrschte, da diese dann von unten angeleuchtet wurde und sich somit die Bomber optisch gut von der Wolkendecke absetzten. Die hoch fliegenden deutschen Jäger stürzten sich anschließend aus überhöhter Position auf die erkannten Ziele. Da das Wilde-Sau-Nachtjagdverfahren nur dann funktionierte, wenn ausreichende Beleuchtung vorhanden war, beschränkte sich die Anwendung auf den unmittelbaren Stadtbereich, da im Regelfall nur dort eine ausreichende Bestückung mit Flak-Scheinwerfern gegeben war. Es war daher unerlässlich, dass die Aufklärung rechtzeitig die anzugreifende Stadt bestimmen konnte. Dies wurde von den Alliierten dadurch erschwert, dass der Bomberstrom in Zickzackkursen über das Reichsgebiet geführt wurde.
Um eine Gefährdung der Jäger auszuschließen, wurde für das Einsatzgebiet die Einstellung des Flakfeuers befohlen. Diese Feuereinstellung wurde zunächst nur im Luftraum Berlin geübt, und es zeigte sich, dass eine reichsweite Koordinierung der Feuerpausen problematisch war.
Am erfolgreichsten war der Einsatz dieses Verfahrens in der Nacht vom 23. zum 24. August 1943, als britische, mit Spreng- und Brandbomben beladene Avro Lancaster Berlin anflogen. Dabei gelangen dem Jagdgeschwader „Wilde Sau“, unter dem Geschwaderkommodore Major Hajo Herrmann, in dieser Nacht 57 Abschüsse. Herrmann wurde für diesen Erfolg das Eichenlaub zum Ritterkreuz verliehen.
[Bearbeiten] Grenzen dieses Angriffsverfahrens
War die Wolkendecke zum Zeitpunkt des Angriffs zu stark, drang die Beleuchtungswirkung nicht durch, womit die optischen Voraussetzungen zur Anwendung des Wilde-Sau-Verfahrens nicht ausreichten. Der Erfolg des Angriffsverfahrens blieb dann auch mit Eintreten von Schlechtwetter im Spätherbst 1943 aus. Ferner bestand für die durchführenden deutschen Piloten die Gefahr, von der eigenen Flak abgeschossen zu werden.
Auch wenn "wilde Sau" teilweise von zweimotorigen Nachtjägern und eigens dafür abgestellten einmotorigen Jägern durchgeführt wurde, wurde doch das Gros der Aktion von konventionellen Tagjägern getragen, die von Tagjägerverbänden ausgeliehen wurden.
Diese Doppelbelastung von Tages- und Nachteinsätzen und die dadurch häufig übersprungenen Wartungsintervalle ließen die Maschinen schneller verschleißen.
[Bearbeiten] Beteiligte Verbände
Angewandt wurde dieses Angriffsverfahren von den eigens dafür aufgestellten Jagdgeschwadern 300, 301 und 302, die alle den Namen „Wilde Sau“ trugen.