Schema (Psychologie)
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Ein Schema ist ein Hilfsmittel des Menschen, um Informationen eine Bedeutung zuzuordnen, die er über seine Sinnesorgane aufnimmt. Mit Hilfe der Schemata wird nur Information im Gedächtnis aufgenommen, der eine Bedeutung zugeordnet werden kann. Sie dienen somit zur Auswahl/Filterung der eingehenden Information, aber auch zu ihrer Interpretation und im weiteren zum Speichern und Ordnen des Wissens im menschlichen Gehirn. Schemata steuern somit die Wahrnehmung und Informationsverarbeitung des Menschen, und in der Konsequenz sein Handeln.[1]
Fachlich beschrieben wird als Schema in der Psychologie eine mentale Wissensstruktur bezeichnet, die Information über ein bestimmtes Objekt oder Konzept in abstrakter, generalisierter Form enthält. Schemata sind, ebenso wie Exemplare, nicht als Beschreibung einer Entität im Gedächtnis zu verstehen, sondern als Veranschaulichung, wie erlerntes Wissen in der Informationsverarbeitung genutzt werden kann. [2]
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[Bearbeiten] Vereinfachte Beschreibung mittels Analogie und Beispiel
[Bearbeiten] Analogie
Schemata lassen sich als viele verschieden etikettierte Schubladen eines Schrankes verstehen, in denen die zugehörigen Dinge gesammelt werden.
[Bearbeiten] Beispiel zur Anwendung
In Publikationen wird als „klassisches“ Beispiel für die Schema-Anwendung mehrfach das Schema für den „Restaurant-Besuch“ beschrieben. Das Schema umfasst Merkmale zur Unterscheidung beispielsweise eines Restaurants von einem Bahnhof, und Merkmale von zugehörigen Prozessen, wie beispielsweise die Speisekarte lesen, bestellen, Nahrungsaufnahme, Rechnung erbitten. Ein solches Restaurant-Schema steuert die Erwartungen des Menschen, lenkt seine Wahrnehmung und steuert seine Handlungen und Interaktionen. Beim Erwerb dieses Schemas ist es noch einfach konzipiert, später kann es sich auf eine große Vielfalt in- und ausländischer Restaurants ausdifferenzieren, mit Unterscheidungen untereinander. Schemata können nicht nur Informationen aufnehmen, interpretieren und in Wissen umwandeln, sie können ebenso als Instrument systematischer Suche nach passender Information eingesetzt werden. Vermutet der Mensch beispielsweise, es könne sich bei einem Gebäude um ein Restaurant handeln, so sucht er vielleicht nach einer Speisekarte im Aushang, um seine Vermutung zu prüfen.[3]
[Bearbeiten] Allgemeine Funktionsweise von Schemata
- Schemata können explizit oder implizit aktiviert werden. Eine Möglichkeit, Schemata explizit zu aktivieren, wäre über den Inhalt des Schemas nachzudenken; eine implizite Möglichkeit wäre die Verarbeitung von Informationen, die das Schema beinhaltet. So ist es beispielsweise möglich, das Schema „Aggressivität“ zu aktivieren, indem eine Person über Aggressivität nachdenkt (explizit), aber auch, wenn die Person eine Geschichte über aggressives Verhalten einer anderen Person liest (implizit).
- Die Zugänglichkeit, also die Leichtigkeit der Aktivierung von Schemata, ist abhängig von der Benutzungshäufigkeit. So sind häufig benutzte Schemata zugänglicher als nicht so häufig benutzte. Leicht zugängliche (d.h. leicht aktivierbare) Schemata werden zur Interpretation von Informationen aus der Umwelt eher benutzt als schwer aktivierbare.
- Schemata sind unabhängige kognitive Entitäten. Falls ein Schema aktiviert ist, bedeutet das nicht, dass ein Schema, das ähnliche Inhalte aufweist, ebenfalls aktiviert ist.
- Schemata beinhalten Informationen und können die Interpretation von Informationen beeinflussen. Nicht eindeutige Informationen werden somit mittels des aktivierten Schema interpretiert. Falls beispielsweise eine Person mit Glatze das Schema „Skinhead“ aktiviert, wird zum Beispiel das Verhalten der Person anhand der Information, die im Schema „Skinhead“ enthalten ist, interpretiert. Dieser Effekt wird als „Assimilation“ bezeichnet.
- Schemata können die Aufmerksamkeit lenken, abhängig von den Umständen, auf schemakonsistente Informationen oder auf schemainkonsistente Informationen. Aktivierte Schemata können die Erinnerung von Informationen beeinflussen, wenn die eigentliche Erinnerung an ein Ereignis nicht eindeutig ist.
[Bearbeiten] Wissenspsychologie
In der Wissenspsychologie definieren Mandl und Spada Schemata als „Wissensstrukturen“, die auf Erfahrungen basieren und „typische Zusammenhänge eines Realitätsbereichs“ repräsentieren. [4]
Danach lassen sich Schemata nach 6 Merkmalen beschreiben:
- Schemata sind kognitive Strukturen für allgemeines Wissen im Gedächtnis. Innerhalb dieser Strukturen zeigt sich, wie dieses Wissen repräsentiert wird. Schemata organisieren typische Zusammenhänge aus dem Bereich der Realität.
- Schemata besitzen „Leerstellen“ die mit unterschiedlichen Werten besetzt werden können.
- Schemata können ineinander gefügt sein.
- Schemata verfügen über episodisches und generisches Wissen.
- Neben einer Struktur verfügen Schemata ebenso über eine ausgeprägte Prozesskomponente.
- Das in Schemata repräsentierte Wissen ist nicht auf einzelne Inhaltsbereiche beschränkt.
Wie bei Quinn und Holland, so werden allgemein Wahrnehmungsschemata und Handlungsschemata von einander unterschieden. Als „Modelle von der Welt“ beinhalten sie Deutungs- und Erklärungswissen. Als „Modelle für die Welt“ beinhalten sie Wissen zur Lösung von Problemen und für das Handeln.
[Bearbeiten] Repräsentationsebenen
Das Abbilden von Ereignissen im Gedächtnis des Menschen wird Repräsentation genannt. Dabei dienen die Schemata zur Umformung der durch die Sinnesorgane wahrgenommenen Informationen.
Neben den angeborenen Repräsentation wie Lidreflex und Sprachkompetenz können nach Karl-Heinz Flechsig in vier Ebenen der Repräsentation, basierend auf erlernte Schemata, unterteilt werden [5]:
- episodische Repräsentation (einfache Sachverhalte: beispielsweise das Anzünden einer Zigarette)
- kategorische Repräsentation (abstrakte Schemata: die Vorstellung einer Zigarettenschachtel, vom Rauchen, vom Genießen). Diese Ebene ist mit anderen Ebenen verbunden.
- einfache hypothetische Repräsentation (einfache „kulturelle Modelle“ „cultural models“ wie Krankheit, Eigentum)
- komplexe hypothetische Repräsentation („Weltbilder“, „Menschenbilder“, „Mythen“, „Lebensmuster“)
[Bearbeiten] Gesellschaftliche Aspekte von Schemata
Schemata werden individuell dargestellt, können jedoch nicht losgelöst von gesellschaftlichen Aspekten betrachtet werden. Sehr verallgemeinert lassen sich dabei alle Schemata nach drei Aspekten befragen [6]:
- Wie verbreitet sind diese Schemata unter den Mitgliedern einer Gesellschaft?
- Wie selbstverständlich sind diese Schemata unter den Mitgliedern dieser Gesellschaft?
- Welche Bedeutung für die Mitglieder dieser Gesellschaft kommt den Schemata für das Weltverständnis und das Verhalten zu?
[Bearbeiten] Alternative Begriffe
Seit Mitte 1980 findet die wissenschaftliche Bearbeitung von Schematheorien in unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen Beachtung. Es existieren dazu Beiträge aus dem Bereich der Psychologie, der Linguistik, der Computer-Wissenschaft (Erforschung künstlicher Intelligenz), der Neurophysiologie und der Wissenstheorie. Der Sprachgebrauch und die Theoriebildung weisen eine grosse Vielfalt auf und es gibt derzeit keine einheitliche Definition der Schematheorie. Zu Schema vergleichbare Begriffe sind „Skript“, „Modell“, „Muster“, „Szenario“, „Kontext-Modul“, „Frame“ oder auch „Prototyp“. Die unterschiedlichen Theorien können das Schemakonstrukt je nach konkretem Gegenstand unterschiedlich benutzen. In der Kernaussage (nach Mandl S. 124) sind Schemata Wissensstrukturen, in denen auf Grund von Erfahrungen typische Zusammenhänge eines Realitätsbereichs repräsentiert sind. Ähnlichkeiten bestehen in der gemeinsamen Annahme mehrerer Stufen oder Ebenen der Schemabildung, wobei vorwiegend von einer Verbindung oder Vernetzung untereinander ausgegangen wird.[7]
[Bearbeiten] Literatur
- Smith, E.R., / Queller, S. (2001). Mental Representations. In Tesser, A., & Schwarz, N. (Eds.). Blackwell handbook of social psychology: Intraindividual processes. London: Blackwell Publishers.
- Mandl, H. / Spada, H. (Hg.) (1988), Wissenspsychologie. München / Weinheim.
- Holland, D. / Quinn, N. (Hg.) (1987): Cultural Models in Language and Thought. Cambridege-Mass.
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Karl-Heinz Flechsig: Kulturelle Schemata und interkulturelles Lernen
- ↑ Smith, Eliot R. and Sarah Queller. "Mental Representations." Blackwell Handbook of Social Psychology: Intraindividual Processes. Tesser, Abraham and Norbert Schwarz (eds). Blackwell Publishing, 2002. Blackwell Reference Online. 06 April 2007 Link
- ↑ Karl-Heinz Flechsig: Kulturelle Schemata und interkulturelles Lernen
- ↑ Mandl, H. / Spada, H. S. 124
- ↑ Karl-Heinz Flechsig: Kulturelle Schemata und interkulturelles Lernen
- ↑ Karl-Heinz Flechsig: Kulturelle Schemata und interkulturelles Lernen
- ↑ Karl-Heinz Flechsig: Kulturelle Schemata und interkulturelles Lernen