Reaktive Panzerbüchse
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Die reaktiven Panzerbüchsen sind tragbare Waffen zur Panzerabwehr, welche HEAT- bzw. Hohlladungsgeschosse verschießen und nicht mit konventionellen Treibladungen arbeiten. Die Granaten erzielen selbst bei geringen Geschossgeschwindigkeiten eine hohe Durchschlagskraft.
Zu Beginn des zweiten Weltkrieges wurde deutlich, dass die konventionellen Panzerbüchsen bei neueren Panzermodellen bald nicht mehr die geforderten Durchschlagleistungen erreichen. Verschiedene kriegführende Länder entwickelten deswegen leichte Infanteriewaffen mit Hohlladungsgeschossen, aber verschiedenen Abschussprinzipien:
Der Raketenantrieb ist zum Start nachteilig, weil die heißen Abgase den Schützen gefährden. Entweder wird die Brenndauer beschränkt, sobald die Rakete das Abschussrohr verlässt, oder es muss ein Schutzschild (wie bei Panzerschreck) vorhanden sein. Das rückstoßfreie Prinzip ist für den Start gut, allerdings haben die Geschosse aufgrund der geringen Geschwindigkeit eine stark ballistische Bahn und eine geringe Reichtweite. Dabei entweichen die Antriebsgase nach hinten aus dem Rohr und bilden einen Gegenimpuls, so dass die Waffe praktisch rückstoßfrei ist.
Die meisten modernen reaktiven Panzerbüchsen kombinieren das rückstoßfreie Prinzip, um die Granate aus einem Startrohr zu verschießen, und einen Raketentreibsatz, der einige Zeit nach dem Verlassen des Startrohres zündet. Das ist ein Kompromiss, um die Reichweite der Granaten zu erhöhen und den Schützen vor den Feurstrahl des Raketentreibsatzes zu schützen. Dieses Prinzip wird als raketengetriebene Granate bezeichnet. Die sowjetische RPG-7 war eine sehr erfolgreiche Waffe nach diesem Prinzip.
Personen hinter dem Schützen sind durch die heißen Gase gefährdet und die Stellung des Schützen wird durch den Feuerstrahl und die Rauchentwicklung verraten. Abschuss aus geschlossenen Räumen ist problematisch, deswegen wurden Gegenmassen bei modernen Baumustern (z.B. Armbrust) verwendet.
Je nach Einsatzzweck können unterschiedliche Granaten verwendet werden. Auch Sprenggranaten zur Bekämpfung infanteristischer Ziele sowie Leuchtgranaten zum Ausleuchten des Gefechtsfeldes bzw. Brandmittel können von manchen Modellen verschossen werden. Neben den gepanzerten Fahrzeugen können auch befestigten Stellungen, tieffliegende Hubschrauber sowie „weiche“ Ziele wie Lastkraftwagen, Lager usw. aus geringer Entfernung bekämpft werden.
Reaktive Panzerbüchsen werden meist von der Schulter, in stehender, kniender oder liegender Stellung abgeschossen, einige Systeme kann man jedoch auch mit einer Lafette sowie einem Ballistikcomputer ausrüsten, um ihre Reichweite und Treffergenauigkeit zu erhöhen.
Den modernen Panzerungen (ERA, Chobham) sind die klassischen reaktiven Panzerwaffen nicht gewachsen. Teilweise werden daher Tandemhohlladungen eingesetzt, so bei der RPG-29.
Manche Modelle haben eine fest eingebaute Munition und können nicht nachgeladen werden (z.B. M72). Bei nachladbaren Modellen wird unterschieden zwischen Kalibermunition und Überkalibermunition. Kalibermunition hat den Innendurchmesser des Abschussrohrs und kann von hinten geladen werden. Das hat den Vorteil, dass der Schütze nicht die Deckung und Schussposition wechseln muss, während der Ladeschütze die Waffe nachlädt. Überkalibermunition hat zum Teil einen größeren Durchmesser als das Abschussrohr, ragt aus diesem heraus und muss demnach von vorne geladen werden.
Heute werden reaktive Panzerbüchsen zunehmend von Panzerabwehrlenkwaffen ersetzt, so im Libanonkrieg 2006.
[Bearbeiten] Bezeichnung
Die Bezeichnung reaktive Panzerbüchse (obwohl technisch nicht sauber) wird für diese Waffenfamilie vor allem in der Fachliteratur verwendet. Umgangssprachlich wird oft Panzerfaust (vor allem für Überkaliber-Modelle) oder Bazooka als Synonym gebraucht. Die häufig eingesetzte englische Bezeichnung lautet rocket propelled grenade (kurz RPG) und ist ein Backronym aus dem russischen Rutschnoj Protivotankovy Granatomiot (siehe RPG (Waffe)).