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Punktgruppe – Wikipedia

Punktgruppe

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Eine Punktgruppe ist ein spezieller Typus einer Symmetriegruppe der euklidischen Geometrie, der die Symmetrie einer Punktmenge (beispielsweise eines Körpers) beschreibt. Die Punktgruppe einer Symmetriegruppe enthält die so genannten Ableitungen der affinen Elemente einer Symmetriegruppe.

In der Kristallographie stellt jede der 32 möglichen Kristallklassen eine Punktgruppe dar. Deren Bestimmung ist somit ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Bestimmung der Raumgruppe, die die Symmetrie eines Kristalls beschreibt.

In der Molekülphysik sind Punktgruppen unentbehrlich, um aus spektroskopischen Daten auf die Symmetrie eines Moleküls zu schließen, oder um anhand der bekannten Symmetrie physikalische Eigenschaften vorherzusagen.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Mathematische Grundlagen

Die Symmetriegruppe eines Körpers wird mathematisch als Menge aller möglichen Symmetrieoperationen beschrieben. Mit Symmetrieoperationen sind dabei euklidische Bewegungen gemeint, die den Körper auf sich abbilden. Zu unterscheiden sind dabei gerade Bewegungen, welche die Orientierung erhalten und ungerade, welche die Orientierung umkehren, z. B. Spiegelungen an Ebenen.

Mögliche Symmetrieoperationen in Punktgruppen im dreidimensionalen, euklidischen Vektorraum sind die Identitätsabbildung, Punktspiegelung an einem Inversionszentrum, Spiegelung an einer Spiegelebene, Drehung um eine Drehachse, sowie als Kombination daraus eine Drehspiegelung. Wenn man das Hintereinanderausführen von Symmetrieoperationen als additive Verknüpfung auffasst, erkennt man, dass eine Menge von Symmetrieoperationen eine (in der Regel nicht kommutative) Gruppe ist. Die Elemente einer Punktgruppe sind die Bilder der Symmetriegruppe unter dem Ableitungs-Homomorphismuses. Diese Abbildung ist nicht injektiv, da beispielsweise sowohl Translationen als auch die Identitätsabbildung auf ihre linearen Teile abgebildet werden, welche in beiden Fällen die Identität der Punktgruppe darstellt. Punktgruppen enthalten mindestens einen Punkt, der Fixpunkt aller Symmetrieoperationen ist. Dies ist genau dann der Fall, wenn die Symmetriegruppe keine Translationen enthält, also immer bei beschränkten Körpern.

[Bearbeiten] Internationale Nomenklatur

Es finden zwei Symbolsysteme breite Anwendung: In der Kristallographie hat sich das von Carl Hermann und Charles-Victor Mauguin abgeleitete System durchgesetzt, das die Zähligkeit der Symmetrie in den Vordergrund setzt. In der Molekülphysik ist die Symbolik von Schoenflies weit verbreitet, die auf den zugrundeliegenden Symmetrieelementen beruht.

[Bearbeiten] System von Hermann-Mauguin

Zähligkeit der Achse: im Kristall nur 1, 2, 3, 4 oder 6, sonst auch 5, 7, ...
Drehinversionsachse:         - (über der Zahl)
Symmetrieebene:              m
Kombination Drehachse/Ebene: / 

Dabei wird in der internationalen Form nicht für alle Achsen eine Angabe gemacht, sondern verkürzt dargestellt. Z.B. mmm statt 2/m 2/m 2/m

[Bearbeiten] System von Schoenflies

Drehgruppen:                C
Drehspiegelgruppen:         S
Diedergruppen:              D
Tetraedergruppen:           T
Oktaedergruppen:            O
Ikosaedergruppen:           I
Kugelgruppen:               K
horizontale Symmetrieebene: h
vertikale Symmetrieebene:   v
diagonale Symmetrieebene:   d
Inversionszentrum:          i
Spiegelebene:               s

Dabei wird dem Gruppensymbol je nach Bedarf die Zähligkeit der Achse und/oder ein Symbol für andere Symmetrieelemente als Index angehängt, z.B. D2h

[Bearbeiten] Kristallographische Bedeutung / Kristallklassen

Nicht alle Symmetrien eines Moleküls sind mit der Symmetrie eines Kristalls vereinbar: Wie Pierre Curie erkannte, sind in einem Kristall nur 6-, 4-, 3-, 2-zählige Drehachsen möglich (Drehungen um 60, 90, 120 bzw. 180 und jeweils Vielfache davon). Die Angabe einer 1-zähligen Drehachse bedeutet, dass ein Körper keine Drehsymmetrie besitzt. Eine 5-, 7- oder höherzählige Drehachse gibt es in Kristallen nicht, weil damit keine vollständige Raumausfüllung möglich wäre. Dennoch wurde eine 5-zählige Symmetrie in manchen metallischen Gläsern gefunden.

Es gibt im endlichdimensionalen Raum nur endlich viele mit Kristallsymmetrie verträgliche Punktgruppen. Speziell im dreidimensionalen euklidischen Raum gibt es 32 davon.

Die möglichen Symmetrien eines Kristalls werden mit den 230 kristallographischen Raumgruppen beschrieben. Können die Rotationsteile der Symmetrieoperationen zweier Raumgruppen bei beliebiger Basenwahl zur Übereinstimmung gebracht werden, so werden sie der selben geometrischen Kristallklasse, entsprechend einer der 32 kristallographischen Punktgruppen, zugeordnet. Fordert man, dass es sich dabei um eine primitive Basis handelt, so erhält man 73 arithmetische Kristallklassen, die den geometrischen Kristallklassen entsprechen, aber zusätzlich Gitterzentrierung besitzen. So entsprechen z.B. der geometrischen Kristallklasse 2 die arithmetischen Kristallklassen P2 und C2.

Weil das Beugungsbild von Kristallen in der Röntgenbeugung bei Abwesenheit anomaler Streuung immer ein Inversionszentrum enthält, werden Kristalle einer von 11 zentrosymmetrischen kristallographischen Punktgruppen zugeordnet, die auch als Lauegruppen bezeichnet werden.

[Bearbeiten] Wichtige Punktgruppen (Tabellen)

[Bearbeiten] Punktgruppen und Kristallklassen

Kristallsystem Kristallklasse Schönflies Hermann-Mauguin Hermann/Mauguin Kurzsymbol
Triklin triklin-pedial C1 1\ 1\
triklin-pinakoidal Ci \bar{1} \bar{1}
Monoklin monoklin-sphenoidisch C2 2\ 2\
monoklin-domatisch Cs m\ m\
monoklin-prismatisch C2h 2/m\ 2/m\
Orthorhombisch rhombisch-disphenoidisch D2 222\ 222\
rhombisch-pyramidal C2v mm2\ mm2\
rhombisch-dipyramidal D2h 2/m\ 2/m\ 2/m m\ m\ m
Tetragonal tetragonal-pyramidal C4 4\ 4\
tetragonal-disphenoidisch S4 \bar{4} \bar{4}
tetragonal-dipyramidal C4h 4/m\ 4/m\
tetragonal-trapezoedrisch D4 422\ 422\
ditetragonal-pyramidal C4v 4mm\ 4mm\
tetragonal-skalenoedrisch D2d \bar{4}2m\ oder \bar{4}m2 \bar{4}2m\
ditetragonal-dipyramidal D4h 4/m\ 2/m\ 2/m 4/m\ m\ m
Trigonal trigonal-pyramidal C3 3 \! 3 \!
rhomboedrisch C3i \bar{3} \bar{3}
trigonal-trapezoedrisch D3 32\ oder 321\ oder 312\ 32\
ditrigonal-pyramidal C3v 3m\ oder  3m1\ oder 31m\ 3m\
ditrigonal-skalenoedrisch D3d \bar{3} 2/moder \bar{3} 2/m 1oder \bar{3} 1 2/m \bar{3} m
Hexagonal hexagonal-pyramidal C6 6\ 6\
trigonal-dipyramidal C3h \bar{6} \bar{6}
hexagonal-dipyramidal C6h 6/m\ 6/m\
hexagonal-trapezoedrisch D6 622\ 622\
dihexagonal-pyramidal C6v 6mm\ 6mm\
ditrigonal-dipyramidal D3h \bar{6}m2oder \bar{6}2m \bar{6}m2
dihexagonal-dipyramidal D6h 6/m\ 2/m\ 2/m\ 6/m\ m\ m\
Kubisch tetraedrischpentagondodekaedrisch T 23\ 23\
disdodekaedrisch Th 2/m\ \bar{3} m\ 3
pentagonikositetraedrisch O 432\ 432\
hexakistetraedrisch Td \bar{4}3m \bar{4}3m
hexakisoktaedrisch Oh 4/m\ \bar{3}\ 2/m m\bar{3}m

[Bearbeiten] Punktgruppen und Molekülsymmetrie

Schönflies H. / M. Symmetrieelemente Molekülbeispiele
Punktgruppen geringer Symmetrie
C1 1\ C1 CHFClBr
Cs ≡ S1 m\ σ ≡ S1 BFClBr, SOCl2
Ci ≡ S2 \bar{1} i ≡ S2 1,2-Dibrom-1,2-Dichlorethan, meso-Weinsäure
ebene Drehgruppen SO(2)
C2 2\ C2 H2O2, S2Cl2
C3 3\ C3 Triphenylmethan, N(GeH3)3
C4 4\ C4 12-Krone-4
C5 5\ C5 15-Krone-5
C6 6\ C6 18-Krone-6
Drehgruppen mit vertikalen Spiegelebenen
C2v ≡ D1h 2mm\ C2, 2σv H2O, SO2Cl2, o-/m-Dichlorbenzol
C3v 3m\ C3, 3σv NH3, CHCl3, CH3Cl, POCl3
C4v 4mm\ C4, 4σv SF5Cl, XeOF4
C5v - C5, 5σv Corannulen, C5H5In
C6v 6mm\ C6, 6σv Benzol-hexamethylbenzol-chrom(0)
C∞v - C, ∞σv lineare Moleküle wie HCN, COS
Drehgruppen mit horizontalen Spiegelebenen
C2h ≡ D1d ≡ S2v 2/m\ C2, σh, i Oxalsäure
C3h ≡ S3 3/m\ C3, σh Borsäure
C4h 4/m\ C4, σh, i Polycycloalkan C12H20
C6h 6/m\ C6, σh, i Hexa-2-propenyl-benzol
Drehspiegelgruppen
S4 \bar{4} S4 Tetraphenylmethan, Si(OCH3)4
S6 ≡ C3i \bar{3} S6 Hexacyclopropylethan
Diedergruppen
D2 ≡ S1v 222\ 3C2 Twistan
D3 32\ C3, 3C2 Tris-chelatkomplexe
D4 422\ C4, 4C2 -
D6 622\ C6, 6C2 Hexaphenylbenzol
Diedergruppen mit horizontalen Spiegelebenen
D2h mmm\ S2, 3C2, 2σv, σh, i Ethen, p-Dichlorbenzol
D3h \bar{6}2m S3, C3, 3C2, 3σv, σh BF3, PCl5
D4h 4/mmm\ S2, C4, 4C2, 4σv, σh, i Re2(CO)10
D5h - S2, C5, 5C2, 5σv, σh IF7
D6h 6/mmm\ S2, C6, 6C2, 6σv, σh, i Benzol
D∞h - S2, C, ∞σv lineare Moleküle wie Kohlendioxid, Ethin
Diedergruppen mit diagonalen Spiegelebenen
D2d ≡ S4v \bar{4}2m\ S4, 3C2, 2σd Propadien, Cyclooctatetraen, B2Cl4
D3d ≡ S6v \bar{3}m\ S6, C3, 3C2, 3σd, i Cyclohexan
D4d ≡ S8v - S8, C4, 4C2, 4σd Cyclo-Schwefel (S8)
D5d ≡ S10v - S10, C5, 5C2, 5σd Ferrocen
Tetraedergruppen
T 23\ 3S4, 4C3, 3C2 Pt(PF3)4
Th m\bar{3} 4S6, 4C3, 3C2, 3σh, i Fe(C6H5)6
Td \bar{4}3m 3S4, 4C3, 3C2, 6σd Methan, Phosphor (P4)
Oktaedergruppen
O 432\ 3C4, 4C3, 6C2 -
Oh m\bar{3}m\ 4S6, 3S4, 3C4, 4C3, 6C2, 3σh, 6σd, i SF6, Cuban
Ikosaedergruppen
I - 12S10, 10S6, 6C5, 10C3, 15C2 Fulleren-C20 (Pentagondodekaeder)
Ih - 12S10, 10S6, 6C5, 10C3, 15C2, 15σv, i Fulleren-C60
räumliche Drehgruppen SO(3)
Kh - ∞C, ∞σ, i einatomige Teilchen wie Helium, Elementarteilchen
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