Nierenkrebs
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Nierenkrebs (meist bösartiger Nierentumor) ist relativ selten (1 bis 2 % aller bösartigen Tumoren). Am häufigsten ist das Nierenzellkarzinom (Synonyme: Hypernephrom, Grawitz-Tumor), welches vom Tubulusepithel ausgeht. Es betrifft etwa neun von 100.000 Einwohnern, wobei Männer dreimal häufiger erkranken als Frauen. Überwiegend tritt das Nierenzellkarzinom im fünften und sechsten Lebensjahrzehnt auf.
Risikofaktoren sind hohes Alter, Rauchen, chronische Niereninsuffizienz, langjährige Analgetikatherapie, Cadmium- und Bleibelastung und angeborene Nierenerkrankungen (tuberöse Sklerose, Morbus Hippel-Lindau).
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Klassifikation
Klassifikation nach ICD-10 | ||
---|---|---|
C64 | Bösartige Neubildung der Niere, ausgenommen Nierenbecken | |
C65 | Bösartige Neubildung des Nierenbeckens | |
ICD-10 online (WHO-Version 2006) |
Unter Nierenkrebs im engeren Sinne versteht man bösartige Erkrankungen, die dem Funktionsgewebe der Niere (Nierenparenchym) entspringen. Prinzipiell kann an allen Abschnitten eines Nephrons eine maligne Entartung entstehen. Diese Arten von Nierentumoren werden auch als Nierenzellkarzinome (NCC) bezeichnet. Es wird nach dem Ausgangsgewebe, den zytogenetischen Befunden und dem histologischen Bild unterschieden. Am häufigsten findet sich das konventionelle Nierenzellkarzinom, das oft auch als klarzelliges bezeichnet wird. Weiterhin finden sich das chromophile (papilläre), das chromophobe und am seltensten das Ductus-Bellini-Karzinom (Sammelrohrkarzinom). Letzteres zeichnet sich durch besondere Aggressivität aus. Auch das Wachstumsmuster dieser Tumoren wird erwähnt. Tumorzytogenetisch werden chromosomale Aberrationen (Chromosomenabweichungen) beschrieben. Die Zellen des konventionellen Nierenzellkarzinom zeigen beispielsweise früh im Entstehungsprozess einen Fragmentverlust am Chromosom 3.
Klassifikation der epithelialen Neoplasien in der Niere
Karzinomtyp |
Wachstumsmuster |
Ursprung |
Zytogenetik |
---|---|---|---|
Klarzellkarzinom |
azinös, sarkomatoid |
proximaler Tubulus |
3p- |
chromophiles Karzinom |
papillär, sarkomatoid |
proximaler Tubulus |
+7, +17, -Y |
chromophobes Karzinom |
solid, tubulär, sarkomatoid |
Sammeltubulus (kortikal) |
Hypodiploidie |
onkozytäres Karzinom |
Tumornester |
Sammeltubulus (kortikal) |
- |
Ductus-Bellini-Karzinom |
papillär, sarkomatoid |
Sammeltubulus (medullär) |
- |
Im weiteren Sinne versteht man unter Nierenkrebs auch bösartige Erkrankungen, die zwar in der Niere entstehen, nicht jedoch dem Funktionsgewebe der Niere entspringen. Hervorzuheben ist das Nierenbeckenkarzinom (Urothelkarzinom des Nierenbeckens). Dies ist ein Tumor, der dem Übergangsgewebe (Urothel) in den angrenzenden Harnwegen entspringt. Von besonderer Wichtigkeit ist auch das Nephroblastom (Wilms-Tumor). Das ist ein embryonaler Mischtumor, welcher in der Pädiatrie eine bedeutende Rolle spielt. Weitere maligne Prozesse in der Niere können durch Metastasen (Lungenkrebs, Brustkrebs, malignes Melanom) und vereinzelt durch Sarkome verursacht sein.
[Bearbeiten] Symptome
Die klassische Trias Blut im Harn (Hämaturie), Flankenschmerzen und tastbarer Tumor in der Flanke findet man nur noch selten. Wenn der Tumor in die linke Nierenvene einbricht, kann sich beim Mann eine symptomatische Varikozele im linken Hoden bilden (1 % der Fälle). Weiterhin treten selten paraneoplastische Syndrome auf (durch die Tumorzellen gebildete Hormone, etwa Renin, Erythropoetin, Parathormon oderACTH). Wie bei den meisten Tumorerkrankungen können Allgemeinsymptome wie Müdigkeit, Fieber und Gewichtsverlust auftreten. 70 % der Nierentumore werden zufällig im Rahmen von bildgebenden Untersuchungen (Sonographie, Computertomographie usw.) gefunden. Dies hat in den letzten zwei Jahrzehnten auch zu einem so genannten „stage shift“ geführt: Es werden immer häufiger kleine nicht symptomatische Tumoren in den Nieren gefunden, die sich somit auch besser behandeln lassen.
[Bearbeiten] Diagnose
Bei der klinischen Untersuchung fallen nur große, fortgeschrittene Tumoren im Bauch auf. Die Laboruntersuchung kann eine durch den Blutverlust über den Urin hervorgerufene Anämie zeigen. Die Sonographie ist der erste Schritt zur genaueren Beurteilung der Niere. Mit ihrer Hilfe können auch Punktionen verdächtiger Raumforderungen in der Niere vorgenommen werden, die dann vom Pathologen histologisch beurteilt werden. Eine i.v.-Urographie ist eine Röntgenaufnahme mit nierengängigem Kontrastmittel, die Aufschlüsse über einen behinderten Harnabfluss geben kann und die Funktion der gesunden Niere beurteilen lässt. Um die Ausbreitung des Tumors (Staging) und damit die Operabilität zu bestimmen, wird eine Computertomographie des Bauches durchgeführt. Mit Röntgenaufnahmen der Brust (Thorax) und ggf. eine Skelettszintigraphie und ein Gehirn-MRT (Kernspin) lassen sich mögliche Fernmetastasen nachweisen. Erwähnenswert ist, dass sich röntgenografisch Metastasen ab 1 cm Durchmesser erfassen lassen, was der Computertomographie eindeutig den Vorzug gibt.
T1 | Tumor begrenzt auf die Niere und < 7 cm |
T2 | Tumor begrenzt auf die Niere und > 7 cm |
T3 | Tumor infiltriert das umliegende Gewebe nicht über die Gerota-Faszie |
T3a | Tumor infiltriert die Nebenniere oder das perirenales Gewebe |
T3b | Tumor infiltriert die Nierenvene oder die Vena cava inferior bis unterhalb des Zwerchfells |
T3c | Tumor infiltriert die Vena cava inferior oberhalb des Zwerchfells |
T4 | Tumor infiltriert über die Gerota-Faszie hinaus |
N0 | keine Lymphknotenmetastasen |
N1 | Metastasen in einem Lymphknoten |
N2 | Metastasen in mehr als einem Lymphknoten |
M0 | keine Fernmetastasen |
M1 | Fernmetastasen |
[Bearbeiten] Therapie
Die Therapie der Wahl bei Vorliegen eines nicht metastasierten Nierenzellkarzinoms ist die chirurgische Entfernung des Tumors, wobei neuere Studien gezeigt haben, dass die onkologischen Langzeitergebnisse bei nierenerhaltender Entfernung des Nierentumors (wenn operativ möglich und sinnvoll) genauso gut wirkt wie die radikale Entfernung der Niere.
Bei größeren Tumoren (Stadium T1 bis T3) wird die ganze Niere mit Nebenniere, Harnleiter und dem sie umgebende Fettgewebe und Kapsel chirurgisch entfernt. In die Nierenvene und Vena cava inferior gewachsene Tumorzapfen müssen mitreseziert werden, ggf. mit Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine bei Vorwachsen bis in den rechten Herzvorhof. Auch andere Standards sind durch neueste Erkenntnisse in Diskussion: Einzug der laparoskopischen radikalen und nierenerhaltenden Nephrektomie; ist die Nebennierenentfernung immer notwendig?; nierenerhaltende Chirurgie auch bei zwei gesunden Nieren, minimal Invasive Therapiealternativen (RITA, HIFU, usw.). Im Fall des Nierenzell-Karzinoms haben in den vergangenen Jahren in den entsprechenden wissenschaftlichen Studien alle Ansätze einer adjuvanten Therapie enttäuscht. Weder die Therapie mit Interferonen, noch mit Interleukin ergab in den an Nierenkrebspatienten durchgeführten unterschiedlichsten Phase-III-Studien einen statistischen Vorteil gegenüber den Patienten der Kontrollgruppen die nur mit einem Scheinmedikament (Placebo) behandelt wurden. Zudem litten viele Patienten im Rahmen dieser Studien unter so starken Nebenwirkungen, dass die Ärzte die Behandlung abbrechen mussten.
Nach einer im Herbst 2007 veröffentlichten Übersichtsarbeit[1] geht derzeit der einzige Hoffnungsschimmer für Nierenkrebs-Patienten von der adjuvanten Verabreichung eines autologen Tumorvakzins aus. Der aus den körpereigenen Tumorzellen des jeweiligen Patienten gewonnenen Impfstoff hat in Phase-III-Studien die Zeitspanne des progressionsfreien Überlebens und des Gesamtüberlebens der Nierenkrebspatienten statistisch eindeutig verbessert. Die innovative Therapiemethode wurde bereits im Jahr 2004 in der Fachzeitschrift The Lancet [2] als Erfolg versprechend vorgestellt.
In der Behandlung des metastasierenden Nierenzellkarzinoms hat seit der ASCO 2007 ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Vier Substanzen sind inzwischen zur Therapie zugelassen: Sunitinib, Sorafenib, Temsirolimus und Bevacizumab. Sie wirken antiangiogenetisch, das heißt sie verhindern das Wachstum der Gefäße, die den Tumor versorgen, durch Störung der Signalübertragung der Wachstumsfaktoren.[3]
Weitere Substanzen aus der Gruppe der Tyrosinkinaseinhibitoren sind zur Zeit in der klinischen Prüfung.
[Bearbeiten] Prognose
Die 5-Jahres-Überlebensrate des Nierenzellkarzinoms beträgt insgesamt etwa 50 %.
Stadienabhängig:
- lokal begrenzt (T1-T2, N0, M0): 70-80 %
- lokal fortgeschritten (T3, N0-N2, M0): 20-60 %
- Fernmetastasen (alle T, alle N, M1): <10 %
[Bearbeiten] Einzelnachweise
- ↑ Doehn C, Merseburger AS, Jocham D und Kuczyk MA. Gibt es eine Indikation zur neoadjuvanten oder adjuvanten Systemtherapie beim Nierenzellkarzinom? Der Urologe. Volume 46, Number 10 / Oktober 2007 DOI 10.1007/s00120-007-1540-1
- ↑ D. Jocham u. a.: Adjuvant autologous renal tumour cell vaccine and risk of tumour progression in patients with renal-cell carcinoma after radical nephrectomy: phase III, randomised controlled trial. In: The Lancet, 363/2004, S. 594–9. PMID 14987883
- ↑ P. Ivanyi u. a.: „Neue Therapien beim fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom“. Dtsch Arztebl 2008; 105(13): s. 232-7 [Artikel]
[Bearbeiten] Weblinks
- www.krebsinformation.de - Nierenzellkrebs
- www.nierenkrebs-therapie.de Therapie mit einer autologen Tumorvakzine
- www.urologielehrbuch.de - Ausführliches Kapitel über das Nierenzellkarzinom aus dem Online Urologie-Lehrbuch für Ärzte und medizinisches Fachpersonal
- www.meb.uni-bonn.de/cancernet - Bei Kindern tritt der Nierenkrebs eher als Wilms' Tumor auf. Link zur Abhandlung darüber.
- www.nierentumore.de
- Zusammenfassung der Studienergebnisse (Universität Wien)
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