Geheimtreffen vom 20. Februar 1933
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Bei dem Geheimtreffen vom 20. Februar 1933 handelt es sich um eine geheimgehaltene Zusammenkunft Adolf Hitlers mit 20 bis 25 Industriellen in Hermann Görings Amtssitz im Reichstagspräsidentenpalais zur Finanzierung des Wahlkampfes der NSDAP.[1][2]
Auf diesem Treffen wurde für den laufenden Wahlkampf zur Reichstagswahl am 5. März 1933, mit der die NSDAP die notwendige Zweidrittelmehrheit für das Ermächtigungsgesetz erreichen wollte und die sich als letzte Mehrparteien-Reichstagswahl des Deutschen Reichs erweisen sollte, eine Wahlkampfhilfe von drei Millionen Reichsmark beschlossen. Davon sind mehr als zwei Millionen Reichsmark als Einzahlung nachweisbar.
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[Bearbeiten] Teilnehmer
Am Treffen nahmen die folgenden Wirtschaftsvertreter teil: [3]
- Hjalmar Schacht
- Gustav Krupp von Bohlen und Halbach
- Albert Vögler, erster Vorstandsvorsitzender der Vereinigte Stahlwerke AG
- Fritz Springorum, Hoesch AG
- Ernst Tengelmann, Vorstandsvorsitzender der Gelsenkirchener Bergwerks-AG
- August Rosterg, Generaldirektor der Wintershall AG
- Ernst Brandi, Vorsitzender des Bergbauvereins
- Karl Büren, Generaldirektor der Braunkohlen- und Brikettindustrie AG, Vorstandsmitglied der Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
- Günther Heubel, Generaldirektor der C. TH. Heye Braunkohlenwerke AG, Vorstandsmitglied der Deutschen Arbeitgeberverbände
- Georg von Schnitzler, Vorstandsmitglied der IG Farben
- Hugo Stinnes junior, Vorstandsmitglied des Reichsverband der Deutschen Industrie, Mitglied des Aufsichtsrats des Rheinisch-Westfälischen Kohlen-Syndikats
- Eduard Schulte, Generaldirektor Giersch’s Erben, Zink und Bergbaubetrieb
- Fritz von Opel, Vorstandsmitglied der Adam Opel AG
- Ludwig von Winterfeld, Vorstandsmitglied der Siemens & Halske AG und Siemens-Schuckert-Werke AG
- Wolf-Dietrich von Witzleben, Leiter des Büros von Carl Friedrich von Siemens
- Wolfgang Reuter, Generaldirektor der Demag, Vorsitzender des Vereins Deutscher Maschinenbau-Anstalten, Präsidialmitglied des Reichsverbands der Deutschen Industrie
- Günther Quandt, Großindustrieller, aufgrund seiner Unterstützung des Regimes späterer Wehrwirtschaftsführer.
- August Diehn, Vorstandsmitglied der Wintershall AG
- Hans von und zu Löwenstein, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Bergbauvereins
- Ludwig Grauert
Der Historiker Gerald Feldmann nennt noch:[4]
- Kurt Schmitt, Vorstandsmitglied der Allianz AG
- August von Finck, war in zahlreichen Aufsichtsräten und Fachgremien
Georg von Schnitzler nannte in seiner Aussage vom 10. November 1945 noch:[5]
- Dr. Stein, Vorsitzender der Gewerkschaft Auguste Victoria, einer Zeche in Marl Hüls (Tochter der I.G. Farben). Stein war aktives Mitglied der Deutschen Volkspartei.[6]
[Bearbeiten] Ablauf
Zuerst hielt Hermann Göring eine kurze Ansprache, in der er auf die Bedeutung des laufenden Wahlkampfes hinwies. Dann erschien Hitler und hielt eine 1½-stündige frei gehaltene Rede. Er bekannte sich zum Privateigentum und behauptete, die NSDAP wäre die einzige Rettung vor der kommunistischen Gefahr. Die Grundlage der NSDAP sei die völkische Idee und der Gedanke der Wehrhaftigkeit. Das Leben sei ein fortgesetzter Kampf, den nur ein wehrhaftes Volk bestehen könne und nur eine wehrhafte Nation könne eine blühende Wirtschaft haben.[3]
In seiner Rede erklärte Hitler, die Demokratie sei Schuld am Aufkommen des Kommunismus. In einer erhalten gebliebenen Aufzeichnung seiner Rede heißt es:
„Wir stehen heute vor folgender Situation: Weimar hat uns eine bestimmte Verfassungsform aufoktroyiert, mit der man uns auf eine demokratische Basis gestellt hat. Damit ist uns aber keine leistungsfähige Regierungsgewalt beschert worden. Im Gegenteil, der Kommunismus mußte sich nach dem, wie ich eingangs die Demokratie kritisiert habe, immer tiefer in das Volk hineinbohren.“[7]
Dann erklärte Hitler, er brauche die gesamten Machtmittel des Staates, um den Kommunismus niederzuwerfen:
„Wir müssen erst die ganzen Machtmittel in die Hand bekommen, wenn wir die andere Seite ganz zu Boden werfen wollen. […] Wir müssen in Preußen [Anm.: zeitgleiche Landtagswahl] noch 10, im Reich noch 33 Mandate erringen. Das ist, wenn wir alle Kräfte einsetzen, nicht unmöglich. Dann beginnt erst die zweite Aktion gegen den Kommunismus.“[7]
Nach Hitlers Rede sprach Krupp den Dank der Beteiligten aus und hob besonders das Bekenntnis zum Privateigentum und zur Wehrhaftigkeit hervor. Danach verließ Hitler das Treffen. Göring hielt eine kurze Rede, in der er darauf hinwies, dass die Kassen der NSDAP leer seien, und bat die anwesenden Herren um Abhilfe. Dann verließ Göring die Versammlung und Hjalmar Schacht ergriff das Wort. Schacht forderte, drei Millionen Reichsmark aufzubringen.[3]
Über die Bedeutung dieser Wahlkampfspende für die NSDAP notierte am selben Tag Joseph Goebbels in seinem Tagebuch:
„Wir treiben für die Wahl eine ganz große Summe auf, die uns mit einem Schlage aller Geldsorgen enthebt. Ich alarmiere gleich den ganzen Propagandaapparat, und eine Stunde später schon knattern die Rotationsmaschinen. Jetzt werden wir auf Höchsttouren aufdrehen. Wenn keine außergewöhnliche Panne mehr unterläuft, dann haben wir bereits auf der ganzen Linie gewonnen.“[8]
Das Geld wurde auf das Konto „Nationale Treuhand, Dr. Hjalmar Schacht“ beim Bankhaus Delbrück Schickler & Co. eingezahlt. Ein in den I.G.-Farben-Prozess eingebrachter Auszug aus dem Konto belegt Zahlungen in Höhe von 2.071.000 Reichsmark. Das Geld wurde anschließend an Rudolf Hess und an den Franz-Eher-Verlag überwiesen.
[Bearbeiten] Spenden
Es wurden Spenden in Höhe von insgesamt 2.071.000 Reichsmark nachgewiesen.
Datum | Einzahler | Summe |
---|---|---|
23. Februar | Bergbauverein | 200.000 Reichsmark |
24. Februar | Karl Hermann | 150.000 Reichsmark |
Automobil-Ausstellung, Berlin | 100.000 Reichsmark | |
25. Februar | Dir. A. Steinke | 200.000 Reichsmark |
Demag | 50.000 Reichsmark | |
27. Februar | Telefunken | 35.000 Reichsmark |
Osram | 40.000 Reichsmark | |
28. Februar | IG Farben | 400.000 Reichsmark |
1. März | Hjalmar Schacht | 125.000 Reichsmark |
3. März | Dir. Karl Lange, Maschinenindustrie | 50.000 Reichsmark |
Bergbauverein | 100.000 Reichsmark | |
Karl Hermann, Berlin Dessauer Str. | 150.000 Reichsmark | |
AEG | 60.000 Reichsmark | |
7. März | Fritz Springorum | 36.000 Reichsmark |
Accumulatorenfabrik AG, Berlin (Inhaber: Günther Quandt) | 25.000 Reichsmark | |
13. März | Bergbauverein | 300.000 Reichsmark |
Gesamt | 2.071.000 Reichsmark |
[Bearbeiten] Einschätzung
In der marxistischen Forschung, darunter Kurt Pätzold, gilt dieses Treffen als weiterer Beleg für die Finanzierung der NSDAP durch die Großindustrie.[10] Dagegen weist der Historiker Henry Ashby Turner zwar darauf hin, dass die Spendenbereitschaft der Unternehmer nicht ganz freiwillig war, bezeichnet das Treffen aber doch als „Meilenstein: der erste bedeutende materielle Beitrag von Organisationen der Großindustrie für die nationalsozialistische Sache.“.[11] Auch der britische Historiker Ian Kershaw wertet in seiner Hitler-Biographie, dass die Zahlung durch „politische Erpressung“ zustande kam. [12]
[Bearbeiten] Siehe auch
- Industrielleneingabe
- Großindustrie und Aufstieg der NSDAP
- Freundeskreis Reichsführer-SS
- Der Weg zum Wiederaufstieg
- Wirtschaftsvereinigung zur Förderung der geistigen Wiederaufbaukräfte
- Gäa
[Bearbeiten] Einzelnachweise
- ↑ Daniela Kahn: Die Steuerung der Wirtschaft durch Recht im nationalsozialistischen Deutschland. Das Beispiel der Reichsgruppe Industrie. 2006. ISBN 978-3-465-04012-5
- ↑ Rüdiger Jungbluth: Die Quandts. Ihr leiser Aufstieg zur mächtigsten Wirtschaftsdynastie Deutschlands. 2002, ISBN 3-593-36940-0
- ↑ a b c Aufzeichnung von Martin Blank für Paul Reusch gedruckt in: Dirk Stegmann: Zum Verhältnis von Großindustrie und Nationalsozialismus 1930-1933. In Archiv für Sozialgeschichte XIII, Bonn-Bad Godesberg 1973, S. 477 ff.
- ↑ Gerald Feldmann: Die Allianz und die Versicherungsgesellschaft 1933–1945. München 2001, S. 92
- ↑ German History Docs, Nürnberger Dokument EC-439
- ↑ Georg von Schnitzler über Hitlers Appell an führende deutsche Industrielle am 20. Februar 1933 (eidesstattliche Erklärung, 10. November 1945). (Stand: 24. Mai 2008).
- ↑ a b Nürnberger Dokument D-203, zitiert nach: Reinhard Kühnl: Der deutsche Faschismus in Quellen und Dokumenten. Köln 1978, S. 202 f.; englischsprachige Version online verfügbar bei The Mazal Library: NMT, Volume VII, pp. 557 (Dokument D-203 findet sich auf den Seiten 557–562), The Farben Case
- ↑ Elke Fröhlich: Die Tagebücher von Joseph Goebbels, Sämtliche Fragmente. München, New York, London, Paris 1987, Teil 1, Band 2, S. 380.
- ↑ Nürnberger Dokument NI-391; gedruckt in: Eberhard Czichon: Wer verhalf Hitler zur Macht. Köln 1967, S. 82 f; (Czichon bezeichnet dieses Dokument irrtümlicherweise als NI 9550); englischsprachige Version online verfügbar bei The Mazal Library: NMT, Volume VII, pp. 567 (Dokument NI-391 findet sich auf den Seiten 565–568), The Farben Case
- ↑ Kurt Pätzold, Manfred Weißbecker: Hakenkreuz und Totenkopf, Die Partei des Verbrechens. Berlin 1981, S. 213.
- ↑ Henry A. Turner: Die Großunternehmer und der Aufstieg Hitlers. Siedler Verlag Berlin 1985, S. 393–396.
- ↑ Ian Kershaw: Hitler 1889–1936. Stuttgart 1998, S. 567.