Gecekondu
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Gecekondu (Mehrzahl: Gecekondular) ist die türkische Bezeichnung für ein Haus in einer Marginalsiedlung, also in einem ungeplanten Viertel mit primitiven Unterkünften am Rande einer Großstadt, jedoch nicht für einen Slum. Übersetzt bedeutet es soviel wie „nachts hingestellt“ (türk. gece: Nacht).
Der Begriff geht auf ein (Gewohnheits?-)Recht aus osmanischer Zeit zurück: Ein Haus, das „über Nacht“ auf öffentlichem Grund und Boden errichtet worden ist, darf demnach nicht mehr abgerissen werden.
Dies geschieht bis in die Gegenwart. Um ein Haus tatsächlich in einer Nacht errichten zu können, packen in der Regel viele Leute gemeinsam an. Sobald der zunächst noch provisorische Bau steht, wird er in der Regel nach und nach weiter ausgebaut.
Obwohl die Gecekondus offiziell nicht gesetzmäßig und somit illegal sind, wird die Errichtung dieser Siedlungen wahrscheinlich auf Grund des wirtschaftlichen Wachstums oftmals von der Regierung geduldet. Dies ist unter anderem ein Grund warum es vor allem in der Region um Ankara in den letzten Jahrzehnten zu enormen Bevölkerungswachstum kommen konnte.
In der Vergangenheit kam es bei Zwangsräumungen immer wieder zu Ausschreitungen der Bewohner. Im türkischen Privatfernsehen wurden mitunter heftige Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und den Bewohnern ganzer Gecekondu-Viertel gezeigt. Weil die Behörden beabsichtigten, Häuser und Siedlungen die infrastrukturelle Probleme verursachten, ohne vorherige Ankündigung räumen und abreißen zu lassen, rückte die Polizei mit Wasserwerfern und Tränengas an. Dies führte teilweise zu tagelangen Auseinandersetzungen, die nicht selten blutig endeten.
Mit den meist groß angelegten Polizeiaktionen war das Problem der Gecekondu jedoch nicht in den Griff zu bekommen.
Im Zuge einer friedlicheren Modernisierung gibt es deshalb mittlerweile von Seiten der Stadtverwaltung Ankaras den Kompromiss aus den ehemaligen Besetzern, Eigentümer zu machen. So erhielten viele der dort lebenden Familien einen Grundbucheintrag, was die soziale Stellung der dort lebenden Menschen stärkte.
In vielen Fällen wurden Gecekondus im Laufe der Zeit an die öffentliche Versorgung angeschlossen. Häufig wurden in den letzten Jahren, so in Ankara, auf der Fläche ehemaliger Gecekondus neue Wohnviertel errichtet. Dies geschieht häufig nach dem sogenannten Yapsat-Prinzip (türk. yap: Bau; sat: Verkauf), bei dem Bauunternehmer mit den meistens eher mittellosen Grundstückseigentümern den Vertrag aushandeln einen Neubau (meist mehrstöckige erdbebensichere Apartmenthäuser) zu errichten, den Eigentümern aber dafür im Gegenzug einige der Wohnungen überlassen. Vielen ehemaligen Migranten ermöglicht dies, den sozialen Aufstieg in den Mittelstand.