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Fundregion Kalkriese – Wikipedia

Fundregion Kalkriese

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Karte der Fundstellen
Karte der Fundstellen

Die Fundregion Kalkriese in der Kalkrieser-Niewedder Senke in Bramsche gilt als Hinweis darauf, dass im heutigen Osnabrücker Land im Herbst des Jahres 9 n. Chr. die Varusschlacht, von römischen Schriftstellern als clades Variana bezeichnet, stattgefunden hat.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Fundregion

Vermuteter Ort der Schlacht bei Kalkriese
Vermuteter Ort der Schlacht bei Kalkriese
Geländemodell der Enge beim Kalkrieser Berg
Geländemodell der Enge beim Kalkrieser Berg

Das Fundareal befindet sich etwa 16 km nordöstlich von Osnabrück und 10 km östlich von Bramsche in der Senke bei Bramsche-Kalkriese. Nach Wolfgang Schlüter ist die Senke „ein etwa 6 km langer und an der schmalsten Stelle rund 1 km breiter Engpaß zwischen dem Großen Moor im Norden und dem Kalkrieser Berg, der dem Wiehengebirge vorgelagert ist, im Süden.“ [1]

Die Funde in dieser Region reichen bis mindestens in das 18. Jahrhundert zurück. Inzwischen wurden viele tausend Fundstücke und mehrere Befestigungsanlagen entdeckt. Sie streuen sich über ein Areal von mehr als 30 km² Fläche.

Der römische Feldherr Publius Quinctilius Varus wurde im Jahre 9. n. Chr. von seinem germanischen Verbündeten Arminius verraten und in einer Schlacht vernichtend geschlagen. In der Zeit der Römer in Germanien fanden eine Reihe großer Schlachten in Germania Magna statt. Für diese, im deutschen Bewusstsein bedeutsamste Schlacht wurde das Schlachtfeld bisher nicht abschließend lokalisiert, doch gilt „Kalkriese“ seit 1988 als der Favorit unter den Theorien zum Ort der Varusschlacht.

Zur Information über die Ausgrabungen entstand 2000 auf dem Fundplatz Oberesch der Museumspark „Varusschlacht“, der im Jahr 2001 durch ein Museum zum Museum und Park Kalkriese ergänzt wurde.

Die heutige Tätigkeit der Archäologen konzentriert sich im Wesentlichen auf das Gebiet namens Oberesch. Der Name Esch deutet auf eine Methode der Bodenverbesserung hin, die in Norddeutschland über Jahrhunderte angewandt wurde: Aus den nahen Moorgebieten sowie aus den eigenen Ställen wurde immer wieder Material herangeschafft, um den vom Anbau von Getreide ausgelaugten Boden zu düngen (sog. Plaggenwirtschaft). Die herangeschafften Mengen reichten aus, die ursprüngliche Erdoberfläche unter einer meterhohen Schicht verschwinden zu lassen und über 2000 Jahre hinweg zu konservieren.

[Bearbeiten] Fundgeschichte

[Bearbeiten] Sammlung der Familie von Bar

Schon vor mehreren Jahrhunderten fanden Bauern beim Bestellen der Felder der Gegend römische Münzen. Die Familie von Bar, die ihren Sitz auf der Wasserburg Alt Barenaue, später auf den Schloss Neu Barenaue hatte, versprach den Findern eine Belohnung. Auf diese Weise entstand eine Münzsammlung seit Ende des 17. Jahrhundert, die auf Graf Heinrich Sigismund von Bar (1655–1721) zurückgeht. [2]

Der Osnabrücker Rektor Zacharias Goeze (1662–1722) berichtete 1698 über die Sammlung: [3]

„Herr Heinrich Sigismund von Bar … zeigte 127 Münzen aus seinem Besitz, sowohl goldene als auch silberne, gefunden im Boden von Barenaue. Er verfasste mit eigener Hand eine kleine Schrift so sorgfältig, dass es kaum einer hätte besser machen können.“

Goeze, 1698

Der Jurist und Philosoph Carl Gerhard Wilhelm Lodtmann (1720–1755) ordnete die Funde den Feldzügen des Germanicus und einem Reitergefecht im Rahmen der Schlacht am Angrivarierwall zu:[4]

„Der Ort selbst ist ein wenig entfernt vom Erdwall und vom Dümmersee und passt nicht zum Kampf. Daher kann behauptet werden, dass dort zwischen Reitern beider Völker gekämpft wurde.“

Lodtmann, 1753

Auch der Jurist und Historiker Justus Möser (1720–1794) vermutete im Jahre 1780 einen Zusammenhang mit der Schlacht am Angrivarierwall:[5]

„Der Sieg, den Germanicus damals auf dem Rückzuge an dem Damme erfocht, welcher die Angrivarier und Cherusker schied, soll zu Damme nahe bei diesem Vörden vorgefallen seyn; und man hat in den dortigen Gegenden verschiedene Münzen gefunden. Davon befindet sich ein guter Teil bey dem Grafen von Bar zu Barenau.“

Möser, 1780

Der Osnabrücker Syndikus Johann Eberhard Stüve interpretierte 1789 die Funde als Hinterlassenschaft der Varusschlacht: [6]

„Viele sind der Meinung, dass dieses Treffen in der Gegend von Detmold geschehen sey. Allein der durch das Hochstift fließende Fluß, die Dute genannt, die sehr bergige Gegend, die vielen römischen Münzen so des Kaysers Augustus Namen zeigen, welche noch immer gefunden werden, und andre Umstände, machen es sehr wahrscheinlich, dass der Ort dieser Niederlage im Hochstift Osnabrück, und zwar, wo es mit der Grafschaft Tecklenburg zusammengrenzet, zu suchen sey.“

Stüve, 1789

Der Historiker Theodor Mommsen ließ im Dezember 1884 die Sammlung durch den Berliner Numismatiker Julius Menadier untersuchen. Zu diesem Zeitpunkt umfasste die Sammlung einen Aureus, 179 Denare und zwei Asse. 1885 interpretierte er aufgrund der Münzfunde und der Topographie ihres Fundortes Kalkriese als Schauplatz der Varusschlacht.[7][8] Am 15. Januar 1885 trug Mommsen seine Schlussfolgerung der Preußischen Akademie der Wissenschaften vor:[9]

„Meines Erachtens gehören die in und bei Barenau gefundenen Münzen zu dem Nachlaß der im Jahre 9 n. Chr. im Venner Moor zugrundegegangenen Armee des Varus.“

Mommsen, 1885

Der Historiker Friedrich Tewes aus Hannover widersprach Mommsen und ordnete die Funde am 27. Dezember 1887 den Germanicus-Feldzügen des Jahres 15 n. Chr. zu:[10]

„Das Terrain zwischen Barenau und Engter hat keine Umwallungen oder sonstige Anhaltspunkte aufzuweisen, und wie bekannt, hat Mommsen seine Hypothese lediglich mit den angeblich in der nächsten Umgegend von Barenau aufgefundenen römischen Münzen, welche sich heute im Besitz des Erblanddrosten von Bar befinden, zu begründen versucht. Der letztere gestattete nun gerne die Besichtigung der Sammlung, deren republikanische und augusteische Denare der Überlieferung nach einzeln durch den Plaggenhieb zu Tage gefördert sein sollen. Hiergegen spricht jedoch die Oxidation der Münzen, die, wie ich bisher beobachten konnte, sich nur bei größeren Funden und niemals bei Einzelfunden in dieser Weise zeigte. Die Beweiskraft wird dadurch bedeutend abgeschwächt. Sämtliche, bezüglich der Kriegsschauplätze der Jahre 9, 15 und 16 n. Chr. aufgestellten Hypothesen stehen überhaupt vor der Hand noch auf sehr schwachen Füßen, immerhin ist die Annahme, dass die Kämpfe des Jahres 15 n. Chr. in der Gegend zwischen Barenau und Engter bzw. im Dieven-Moor stattgefunden haben, die berechtigte, da das dortige Terrain sich wohl mit dem von Tacitus und anderen geschilderten vereinbaren läßt und auch die Richtung des besprochenen Bohlweges darauf bezogen werden kann.“

Tewes, 1887

Zu den weiteren Funden zählte im Jahre 1908 eine Goldmünze. Während der Besetzung durch britische Truppen im Jahre 1945 wurde der Schatz entwendet und ist bis heute zum großen Teil verschollen. Im Jahre 1963 fand der Fund einer Silbermünze nur geringe Beachtung.

[Bearbeiten] Funde des Major Clunn

Der Fund der drei Schleuderbleie 1988 war Auslöser der andauernden archäologischen Grabungen in Kalkriese.
Der Fund der drei Schleuderbleie 1988 war Auslöser der andauernden archäologischen Grabungen in Kalkriese.

Der britische Offizier und Amateurarchäologe Major Tony Clunn entdeckte 1987 160 Silbermünzen und zwei Spielsteine (latrunculi) in einem Verwahrfund auf dem Flurstück Lutterkrug.

Im Sommer 1988 fand er drei Schleuderbleie. Es waren die ersten römisch-militärischen Ausrüstungsgegenstände, die bis dahin in dieser Gegend gefunden worden waren. Sie legen auch die Anwesenheit von Hilfstruppen nahe, da vor allem im Mittelmeerraum rekrutierte Soldaten solche Geschosse benutzten.[11]

[Bearbeiten] Funde aus der organisierten Ausgrabung

Im Anschluss an die Funde von Clunn fanden systematische Untersuchungen statt, die bis heute andauern.

Im Gebiet sind viele archäologische Funde wie Münzen, militärische Ausrüstungsgegenstände, Knochen und Wallanlagen gemacht worden. Bis auf wenige Ausnahmen handelt es sich bei den Funden um kleine Stücke und Fragmente, die entweder der systematischen Plünderung eines Schlachtfeldes entgangen sind, oder die den Germanen des Aufhebens nicht wert waren. Die östlichsten Fundstellen befinden sich 5 bis 6 km östlich des Kalkrieser Bergs in den Gemarkungen Schwagstorf und Ostercappeln.

Die eiserne Gesichtsmaske weist Reste eines Überzuges aus Silberblech auf und war Teil eines Maskenhelmes.
Die eiserne Gesichtsmaske weist Reste eines Überzuges aus Silberblech auf und war Teil eines Maskenhelmes.

Münzen

Zu den wichtigsten Funden und Befunden zählen mehrere tausend römische Gold-, Silber- und Kupfermünzen (letztere sind das Geld der Legionäre). Sie stammen überwiegend aus der Regierungszeit des Kaisers Augustus, die übrigen sind älter. Zur Einordnung des Fundes interessieren nur die jüngsten Münzen. Es sind keine römischen Münzen vorhanden, die später als 9 n. Chr. geprägt wurden. Vorhanden sind dagegen Kupfermünzen mit dem Gegenstempel des Varus, die nur in den Jahren 7 bis 9 n. Chr. geprägt wurden.

Eine Ausgrabungsstelle auf dem Schlachtfeld
Eine Ausgrabungsstelle auf dem Schlachtfeld

Unter den Münzfunden von Assen fanden sich immer wieder kleinere Siegelstücke, mit denen normalerweise das Säckchen von Schreibutensilien verschlossen wurde. Ihr gehäuftes Auftreten in der Gegend von Kalkriese lässt die Vermutung aufkommen, dass das Vergraben der persönlichen Besitztümer der römischen Soldaten vor einem Gefecht von der Armee organisiert wurde, um je nach Ausgang des Gefechtes Eigentumskonflikte zu vermeiden und den beteiligten Soldaten ihre persönliche Habe zurückerstatten zu können. Für Verwundete und Tote werden demnach ähnliche Regeln vorhanden gewesen sein. Art, Menge und Verbreitung von aufgefundenen Münzen lassen den Schluss zu, dass es sich bei Kalkriese um eines unter vielen Kampffeldern der untergegangenen Legionen handelt. Die großräumige Streuung des gesamten Fundmaterials sowie der Münz-, Einzel- und Hortfunde macht die Interpretation als Verlustgut unwahrscheinlich. Die Gabelung des Fundstranges etwa 500 Meter westlich der Ausgrabungsstätte deutet dagegen auf ein unkoordiniertes und planloses Vorgehen der Römer während einer Schlacht hin.

Wallanlage

Auf dem zentralen Fundplatz Oberesch wurde 1990 eine etwa 400 m lange, in Ost-West-Richtung verlaufende Wallanlage entdeckt. Hauptsächlich aus Rasensoden errichtet, dürfte er eine Sohlbreite von 4,5 bis 5 m aufgewiesen haben. Er war „ohne vorgelagerten Befestigungsgraben, aber mit einem schmalen Drainagegraben an der Rückfront“ versehen. [1] Seine ursprüngliche Höhe wird auf 2 m geschätzt. [12]

Vor der Wallanlage wurden besonders viele Kleinteile wie Kupfermünzen oder Fragmente gefunden. Nach der Deutung von Susanne Wilbers-Rost war der Wall so angelegt, dass von ihm aus der Weg besonders gut angegriffen werden konnte. Der Wall wies Pfostenlöcher einer Brustwehr und Durchlässe auf. Ein größeres, verziertes Silberblech-Fragment, das im Jahr 2005 zusammen mit einem verbogenen Bronzeblech in einem mal mulden-, mal V-förmigen Graben am Westende des Walles gefunden wurde, weist darauf hin, dass der rechtwinklig zum Wallende verlaufende Graben erst nach den Kampfhandlungen verfüllt wurde. Wegen des Arbeitsaufwandes, mit dem der lange Graben zur Südseite hin angelegt wurde, sprechen die Archäologen der Anlage strategische Bedeutung zu. Sie sollte offenbar das Vordringen von Gegnern hinter den Wall verhindern.[13]

Knochen

Es wurden ab 1994 mehrere Gruben gefunden, die mit Menschen- und Tierknochen gefüllt waren, sowie im Sommer 2000 die Überreste eines vierjährigen, angeschirrten Maultiers mit gebrochenem Genick, das offenbar von einer während des Kampfes zusammenbrechenden Wallanlage verschüttet wurde. Bis 2001 wurden die Reste von 8 Pferden und 30 Maultieren nachgewiesen.[1]

Die menschlichen Knochenreste stammen durchweg von gesunden Männern im Alter zwischen 25 und 45 Jahren. Einige Knochen weisen eindeutige Hiebspuren auf (beispielsweise ein menschlicher Schädel, der durch einen Schwerthieb gespalten wurde).[14] Der anthropologische Befund weist auch darauf hin, dass die Skelette mehrere Jahre an der Erdoberfläche gelegen haben, was aufgrund der Trockenbrüche der Knochen sowie der ungeordneten Einbringung von nicht vollständigen Skeletten in die Gruben geschlussfolgert wird.[15][16] Die naturwissenschaftlichen Untersuchungen der Pferde- und Maultierknochen zeigen unter anderem, dass alle Tiere im Spätsommer oder Herbst zu Tode kamen.[17]

Ausrüstungsteile

Zu den Fundstücken zählt auch eine eiserne, einst mit Silberblech überzogene Gesichtsmaske des Maskenhelmes eines römischen Reiters. Sie wurde 1990 gefunden.

Im Jahre 1992 wurde das bronzene Mundblech einer Schwertscheide in Kalkriese gefunden. Die Untersuchungsergebnisse wurden der Öffentlichkeit im Jahre 2007 vorgestellt. Es trägt eine Besitzer-Ritzinschrift mit der Abkürzung „LPA“. Die Inschrift kann als L(egio) P(rima) A(ugusta) gelesen werden. [18]

Man fand verschiedene Teile der Ausstattung von Reit- und Zugtieren wie beispielsweise eine als Deichselende umfunktionierte Kuhglocke oder ein bronzener Anhänger eines Pferdegeschirrs, der gleichzeitig die Funktion eines Amuletts hatte.

Es gibt Fundstücke auch aus verschiedenen handwerklichen Bereichen. So weisen ein bronzener Knochenheber und ein bronzener Skalpellgriff auf die Anwesenheit von Ärzten und die gefundenen bleiernen Senklote auf anwesende Landvermesser hin.

[Bearbeiten] Interpretation

[Bearbeiten] Interpretation als Ort der Varusschlacht

Auch wenn die Diskussion nicht abgeschlossen ist, hält dennoch die große Mehrheit der Historiker einen Zusammenhang zwischen Kalkriese und der Varusschlacht aufgrund einer Reihe von Indizien zumindest für eine plausible Hypothese.

Es fehlt jedoch der letzte Beweis; zudem passt die Stelle nicht gut zu den geographischen Angaben, die Tacitus im Zusammenhang mit dem Bericht vom Besuch des Germanicus auf dem Schlachtfeld macht. Man hat daher versucht, den Quellenwert des Tacitus in Frage zu stellen. Allerdings könnten sowohl der archäologische Fund als auch der Bericht des Tacitus in Einklang gebracht werden, wenn man annimmt, dass es sich bei den Kalkriese-Funden um die Überreste von den Kampfhandlungen des Jahres 15 n. Chr. unter Germanicus handelt. In diesem Fall bliebe der wahre Ort der Schlacht des Jahres 9 n. Chr. verborgen. Die Münzfunde sprechen allerdings eher gegen Kalkriese als Ort einer späteren Schlacht, da dort bislang keine Münzen aus den Jahren 10 bis 15 n. Chr. gefunden wurden.

Die 20 Kilometer nordöstlich von Osnabrück liegende Kalkrieser-Niewedder Senke ist die einzige Passage in ost-westlicher Richtung, die über ebenes und trockenes Gelände führt, will man nicht große Umwege in Kauf nehmen. Die Marschlänge wird bei drei Legionen, drei Alen und sechs Kohorten sowie einem außergewöhnlich großen Tross und einer unbekannten Zahl von begleitenden Zivilisten mindestens 15 bis 20 Kilometer betragen haben. Die sechs Kilometer lange Engstelle wurde im Norden durch ein riesiges Hochmoor, im Süden durch das schräg verlaufende Wiehengebirge sanduhrartig eingeschnürt. Die Hangsandzone verengt sich an den Ost- und den Nordhängen des Kalkrieser Berges auf weniger als 100 Meter. Der Weg, der nicht mit einer gut ausgebauten Römerstraße verwechselt werden darf, war noch schmaler. Das galt ebenso für die Brücken, die über Bäche und Flüsse führten oder die zum Teil erst noch von der marschierenden Truppe gebaut werden mussten. Solche Engstellen lösten bei größeren Truppenverbänden unweigerlich Rückstaueffekte aus. Die Breite einer Kolonne hängt immer von der schmalsten Stelle des zu passierenden Weges ab.

Ein weiterer wesentlicher Befund ist die Streuung der archäologischen Zeugnisse über eine mehr als 20 Kilometer lange Wegstrecke und das Aufzweigen dieser Fundspur in zwei Äste. Die Archäologen sehen darin eine Bestätigung der historischen Quellen über die Varusschlacht – die Reiter sollen sich vom Rest der Truppe abgesetzt haben[19] – und einen Hinweis auf die Marschrichtung des an diesem Ort angegriffenen römischen Heeres.

Die Befunde beweisen, dass in spätaugusteischer Zeit römische Legionen, die von einem Tross begleitet waren, bei Kalkriese in massive Kampfhandlungen verwickelt waren. Die Datierung der Münzen und die Tatsache, dass in den Jahren der Statthalterschaft des Varus keine weiteren kriegerischen Ereignisse überliefert sind, an denen römische Legionen beteiligt waren, aber auch die Entdeckung der Knochengruben, die anthropologischen Befunde und die Untersuchungen der gefundenen Tierknochen deuten darüber hinaus darauf hin, dass Kalkriese der Ort der Varusschlacht ist. Die Streuung der Funde passt zu dem Schlachtgeschehen, das sich über vier Tage an unterschiedlichen Orten ereignete.[20] Die Bestattungsgruben stimmen mit der Überlieferung überein, dass Germanicus im Jahre 15 n. Chr. am Ort der Schlacht den gefallenen Legionären ein ehrenvolles Begräbnis gab.[21] Auch die Beschaffenheit des Geländes passt zur schriftlichen Überlieferung.

In neuerer Zeit wurde versucht, bei dem jetzigen Stand der Forschung die schriftlichen Quellen und die archäologischen Überreste miteinander zu vergleichen. Der Schlachtbericht des Cassius Dio deckt sich im Wesentlichen mit der Fundsitutation, seine Glaubwürdigkeit wurde dadurch sehr gestärkt.

Einzelheiten wie die Gabelung der römischen Marschsäule 500 Meter westlich von Kalkriese und die Anlage von Rasensodenmauern konnten neu gewonnen werden. Besonders wichtig ist, dass der römische Einfluss auf die Germanen größer war, als bisher angenommen wurde. Die Erhebung erfolgte aus dem römischen Herrschaftsapparat selbst heraus; ohne diesen Rückhalt wäre weder die Logistik des Anschlages noch die Reichweite der Verschwörung zu erklären.

Das besondere Interesse und die frühzeitige Entscheidung, dass es sich um die Örtlichkeit der Varusschlacht handelt, hat dazu geführt, dass die immer noch laufenden Ausgrabungen sehr frühzeitig der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Bereits 1993 – also eine verhältnismäßig kurze Zeit nach den ersten archäologischen Funden – wurde ein Informationsraum auf einem Bauernhof eröffnet. 2000 entstand der etwa 20 Hektar große Museumspark „Varusschlacht“, der im Jahr 2001 durch ein Museum zum Museum und Park Kalkriese ergänzt wurde.

Zu den Kritikern der frühen Festlegung zählen unter anderem der Historiker Rainer Wiegels aus Osnabrück, der Archäologe Stephan Berke aus Münster, der Historiker Peter Kehne aus Hannover sowie der Numismatiker und Althistoriker Reinhard Wolters. [22]

[Bearbeiten] Interpretation als Funde der „Schlacht des Caecina“

Im Jahre 15 n. Chr. begann Germanicus nach der Schilderung des Tacitus weitere Feldzüge in Germanien. Germanicus besuchte auch das Schlachtfeld und ließ die Gefallenen bestatten. Wenig später ließ Germanicus seine Truppen in drei Abteilungen zurückmarschieren, von denen eine von dem römischen General Caecina geleitet wurde. Arminius griff dieses Kontingent in der Schlacht an den Pontes longi an. Die pontes longi waren ein Damm- oder Bohlenweg, dessen Umgebung topografische Ähnlichkeiten mit dem Ort der Varusschlacht aufgewiesen haben soll. Der auch Schlacht des Caecina genannte Kampf ähnelt der Varusschlacht in ihrem Verlauf und weist auch weitere Gemeinsamkeiten mit ihr auf. Diese große Schlacht schilderte Tacitus nach Auffassung der meisten Historiker bewusst als ein trotz aller Verluste für die Römer positiv ausgehendes Gegenstück zur Varusschlacht.[23]

Da die Archäologen in kaum zehn Kilometern Luftliniendistanz zu Kalkriese einen Bohlenweg aufgefunden haben, der dendrochronologisch in das Jahr 15 n. Chr. datiert werden kann und wo aufgefundene Hölzer als germanische Waffen mit Kampfspuren gedeutet werden, werden die Funde von Kalkriese von einigen Wissenschaftlern als Ort der Schlacht an den Pontes Longi interpretiert. Zu dieser Schlacht passt ein in Kalkriese gefundenes und der Öffentlichkeit im Jahre 2007 vorgestelltes Mundblech einer Schwertscheide, das eine Besitzer-Ritzinschrift mit der Abkürzung „LPA“ trägt. Die Inschrift kann als L(egio) P(rima) A(ugusta) gelesen werden. Die 1. Legion war an der Schlacht des Caecina beteiligt und nach den Angaben von Tacitus in besonders schwere Kämpfe verwickelt.[18]

Die These über eine Verbindung zu Caecina vertreten unabhängig voneinander die Historiker Peter Kehne und Reinhard Wolters.

[Bearbeiten] Interpretation als Relikte der „Schlacht am Angrivariarwall“

Diese Vermutungen auf diesen Zusammenhang mit den Feldzügen des Germanicus gehen schon auf Lodtmann 1753[4][24] und Möser 1780[5] zurück. Der Angrivarierwall soll sich bis zum Steinhuder Meer erstreckt haben.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Anmerkungen

  1. a b c Wolfgang Schlüter: Die Varusschlacht. Archäologische Forschungen in Kalkriese bei Osnabrück. In: Detlev Hopp, Charlotte Trümpler: Die frühe römische Kaiserzeit im Ruhrgebiet. Koloquium des Ruhrlandmuseums und der Stadtarchäologie/Denkmalbehörde in Zusammenarbeit mit der Universität Essen. Klartext Verlag, Essen, 2001, ISBN 3-89861-069-1
  2. Wolfgang Spickermann u.a.: Münzfunde in Kalkriese
  3. Zacharias Goeze: De Numis Dissertationis XX, 1698, zitiert nach [1]
  4. a b Carl Gerhard Wilhelm Lodtmann: Monumenta Osnabrugensia, 1753, zitiert nach [2]
  5. a b Justus Möser: Osnabrückische Geschichte, 1780, S. 159, zitiert nach [3]
  6. Johann Eberhard Stüve: Beschreibung und Geschichte des Hochstifts und Fürstenthums Osnabrück: mit einigen Urkunden. Osnabrück: Schmidt 1789. Zitiert nach [4]
  7. Theodor Mommsen zitiert nach Numa GT
  8. Theodor Mommsen: „Die Örtlichkeit der Varusschlacht“, Berlin, 1885
  9. zitiert nach Patriotische Zänkereien um den wahren Ort der Varusschlacht. Zeitung Universität Osnabrück, Ausgabe Nr. 96/3 vom 1. Juni 1996, Tagungen/Termine, S. 9 (online)
  10. Friedrich Tewes, 1887, zitiert nach [5]
  11. Wolfgang Schlüter: Zwischen Lutherdamm und Oberesch – Die Anfänge des Kalkriese-Projektes. In: Varus-Gesellschaft (Hrsg.): Varus-Kurier. Georgsmarienhütte, April 2002. S. 7ff.
  12. Günther Matthias Moosbauer: Kalkriese oder neueste Forschungsergebnisse zur Varusschlacht. Vortrag zur Veranstaltungsreihe: Landesgeschichte im Landtag. Gehalten am 15. Mai 2006. (online)
  13. Susanne Wilbers-Rost: Immer für eine Überraschung gut: Grabungen auf dem Oberesch In: Varus-Gesellschaft (Hrsg.): Varus-Kurier. Georgsmarienhütte, Dezember 2006. S. 6ff.
  14. Thomas Finke: Liefern Reste menschlicher Gebeine aus Kalkriese Informationen zur Varusschlacht? In: Varus-Gesellschaft (Hrsg.): Varus-Kurier. Georgsmarienhütte, November 1998. S. 9f.
  15. Kurt Langguth: Laborpräparation der Knochenfunde vom Oberesch In: Varus-Gesellschaft (Hrsg.): Varus-Kurier. Georgsmarienhütte, November 1998. S. 10 f.
  16. Susanne Wilbers-Rost, Hans-Peter Uerpmann, Margarethe Uerpmann, Birgit Großkopf, Eva Tolksdorf-Lienemann: Kalkriese 3. Interdisziplinäre Untersuchungen auf dem Oberesch in Kalkriese. Archäologische Befunde und naturwissenschaftliche Begleituntersuchungen. Römisch-Germanische Forschungen, Bd. 65, Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2007
  17. Susanne Wilbers-Rost/Günther Moosbauer: Die Varusschlacht: 15 Jahre Forschung in der Kalkrieser-Niewedder Senke. In: Varus-Gesellschaft (Hrsg.): Varus-Kurier. Georgsmarienhütte, April 2002. S. 15 ff.
  18. a b Legio I in Kalkriese? Zu einer Ritzinschrift auf dem Mundblech einer Schwertscheide aus Kalkriese., In: G. A. Lehmann, Rainer Wiegels (Hrsg.): Römische Präsenz und Herrschaft im Germanien der Augusteischen Zeit. Göttingen 2007, S. 89 ff
  19. Velleius Paterculus: Römische Geschichte 2, 119, 4. (englisch)
  20. Cassius Dio: Römische Geschichte 56, 21, 3. (englisch)
  21. Publius Cornelius Tacitus: Annalen 1, 62, 1. (lateinisch)
  22. Reinhard Wolters zitiert nach: Matthias Schulz: Che Guevara im Nebelland. In: SPIEGEL 11/2004, 8. März 2004 (online)
  23. Publius Cornelius Tacitus: Annalen 1, 63, 7. (lateinisch)
  24. Geschichten um Geschichte aus der Region. In: Westfälische Nachrichten, 5. Januar 2006 (online)

[Bearbeiten] Literatur

  • Frank Berger: Kalkriese. – 1. Die römischen Fundmünzen. Von Zabern, Mainz 1996 ISBN 3-8053-1917-7
  • Rolf Bökemeier: Die Varusschlacht. Grabert-Verlag, 2000, ISBN 3-87847-190-4
  • Wilm Brepohl: Neue Überlegungen zur Varusschlacht. Aschendorff, Münster 2004, ISBN 3-402-03502-2
  • Mamoun Fansa (Hrsg.): Varusschlacht und Germanenmythos. Eine Vortragsreihe anlässlich der Sonderausstellung Kalkriese – Römer im Osnabrücker Land in Oldenburg 1993. 3. Auflage. Isensee, Oldenburg 2001 (Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland, Beiheft 9) ISBN 3-89598-235-0
  • Joachim Harnecker: Arminius, Varus und das Schlachtfeld von Kalkriese. Eine Einführung in die archäologischen Arbeiten und ihre Ergebnisse. 2. Auflage. Rasch, Bramsche 2002 ISBN 3-934005-40-3
  • Ralf Günter Jahn: Der Römisch – Germanische Krieg (9–16 n. Chr.). Dissertation. Bonn 2001
  • Stefan Mischer et al.: Die Hermannsschlacht. DVD, Hamburg 2005. – Spielfilm, Dokumentation, Interviews und Leporello.
  • Wolfgang Schlüter (Hrsg.): Römer im Osnabrücker Land. Die archäologischen Untersuchungen in der Kalkrieser-Niewedder Senke. Rasch, Bramsche 1991, ISBN 3-922469-57-4
  • Wolfgang Schlüter: Archäologische Zeugnisse der Varusschlacht? Die Untersuchungen in der Kalkrieser-Niewedder Senke bei Osnabrück, in: Germania 70, 1992, S. 307-402.
  • Wolfgang Schlüter (Hrsg.): Rom, Germanien und die Ausgrabungen von Kalkriese. Internationaler Kongress der Universität Osnabrück und des Landschaftsverbandes Osnabrücker Land e.V. vom 2. bis 5. September 1996. In: Osnabrücker Forschungen zu Altertum und Antike-Rezeption 1. Osnabrück 1999, ISBN 3-932147-25-1
  • C., S. und Siegfried Schoppe:Varusschlacht, Books on Demand Norderstedt 2007, ISBN 978-3-8334-9363-8
  • Peter S. Wells: Die Schlacht im Teutoburger Wald. Artemis & Winkler, Düsseldorf/Zürich 2005, ISBN 3-7608-2308-4
  • Rainer Wiegels (Hrsg.): Die Varusschlacht. Wendepunkt der Geschichte? (Archäologie in Deutschland, Sonderheft). Theiss, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-8062-1760-5 – mit Beiträgen von Rainer Wiegels, Armin Becker, Johann-Sebastian Kühlborn, Günther Moosbauer und anderen.
  • Rainer Wiegels, Winfried Woesler (Hrsg.): Arminius und die Varusschlacht. Geschichte – Mythos – Literatur. Schöningh, Paderborn 1995, ISBN 3-506-79751-4 – darin unter anderem: Heinrich Seeba: Hermanns Kampf für Deutschlands Not; Renate Stauf: Germanenmythos und Griechenmythos als nationale Identitätsmythen; Wolfgang Wittkowski: Arminius aktuell: Kleists Hermannsschlacht und Goethes Hermann.
  • Reinhard Wolters: Hermeneutik des Hinterhalts. Die antiken Berichte zur Varuskatastrophe und der Fundplatz von Kalkriese. In: Klio. 85/2003, S. 131–170. – Wolters zählt zu den prominentesten Kritikern der Annahme, die Funde bei Kalkriese stünden in Zusammenhang mit der Varusschlacht.
  • Michel Reddé et Siegmar von Schnurbein (Hg.): Alésia et la bataille du Teutoburg. Un parallèle critique des sources, Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2008 [Beihefte der Francia, hrsg. vom Deutschen Historischen Institut Paris, Bd. 66] ISBN 978-3-7995-7461-7

[Bearbeiten] Weblinks

Koordinaten: 52° 24′ 29″ N, 8° 7′ 46″ O


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