Dies irae

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Dies irae (lat. „Tag des Zorns“, häufig auch in der mittellateinischen Form Dies ire) ist der Anfang eines mittelalterlichen Hymnus vom Jüngsten Gericht, der bis 1970 in der römischen Liturgie als Sequenz der Totenmesse gesungen wurde. Er fand ab dem 14. Jahrhundert Eingang in das Requiem, und wurde durch das Konzil von Trient (1545–1563) als fester Bestandteil der Totenmesse bestätigt. Heute wird er in der letzten Woche des Liturgischen Jahres in der Stundenliturgie gesungen. Als Autor wird traditionell Thomas von Celano (* um 1190; † um 1260) angesehen, ein Freund und Biograph von Franz von Assisi; diese Zuschreibung ist allerdings umstritten. Der Hymnus weist ein alternierendes akzentuierendes Versmaß auf (Trochäus).

Das Jüngste Gericht, Hans Memling, um 1470
Das Jüngste Gericht, Hans Memling, um 1470

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Der Hymnus

Das Dies irae, häufig einfach als „Totensequenz“ bezeichnet, besteht aus zunächst 17 dreizeiligen Strophen und wird durch drei zweizeilige Strophen beendet. Alle Verse einer Strophe reimen sich am Ende. Inhaltlich orientiert der Hymnus sich an einer Prophezeiung Zefanjas [1]. Er ist ein radikaler Bruch mit der antiken Hymnendichtung, unter anderem durch die Verwendung von Endreim und akzentuierender Betonung (Rhythmus) statt der älteren metrischen Versmaße, die auf Silbenlänge und -kürze beruhten. Seine Melodie wurde in älteren Vertonungen lautstark gesungen.

[Bearbeiten] Vertonungen

Das Dies irae wurde erstmals im 13. Jahrhundert als Sequenz – einer Spätform der Gregorianik – vertont und wurde in dieser Form Bestandteil des gregorianischen Requiems. Bei späteren Kompositionen der Totenmesse wird das Dies Irae zumeist in die Teile Dies irae, Tuba Mirum, Liber Scriptus, Rex Tremendae, Recordare, Ingemisco, Confutatis und Lacrimosa untergliedert.

Die Komponisten verfahren mit der Anordnung der Sätze häufig recht frei, auch der Text des mittelalterlichen Hymnus wird nicht immer verwendet. Meistens hat der Dies-irae-Satz gewaltige Dimensionen. Hector Berlioz verwendet in seinem Requiem zum Beispiel 16 Pauken und vier Blechbläser-Chöre, die das Tuba Mirum (Posaune, wundertönend durch die grabgewölbten Hallen) plastisch darstellen. Berlioz übernahm Abschnitte der alten Melodie in der Phantastischen Symphonie, sein Dies irae in der Grande Messe des Morts hingegen kommt ohne den Hymnus aus.

Auch sonst wird das gregorianische Dies-irae-Motiv öfters in musikalischen Werken zitiert, wenn auf das Gericht Gottes oder auch einfach auf den Tod hingewiesen werden soll. Darunter sind durchaus auch sehr weltliche Kompositionen. Beispielsweise verwendet Jerry Goldsmith das Motiv in seiner Filmmusik zu Gremlins 2 – Die Rückkehr der kleinen Monster, wobei er hier das Zitat sicherlich mit einem kleinen Augenzwinkern gebraucht hat.

Eine weitere bekannte Verwendung des "Dies irae" fand seinen Platz im Vorspann des Horrorfilms "The Shining" von Stanley Kubrick. Kubrick bediente sich hier einer von Béla Bartók entworfenen Variation, die von zwei Posaunen vertont wurde, während von einem Hubschrauber aus die einsame Gegend Colorados gefilmt wurde. Kubrick verweist durch die Unterlegung der Eingangssequenz und der Bedeutung des Stückes auf die folgende Handlung des Filmes.

Erste Strophe des Dies Irae

[Bearbeiten] Beispiele für Vertonungen

[Bearbeiten] Verwendung des gregorianischen Hymnus in anderen Konzertformen

Der Autograph des Dies Irae aus W. A. Mozarts Requiem
Der Autograph des Dies Irae aus W. A. Mozarts Requiem

[Bearbeiten] Bekannte Dies-irae-Sätze in Requiem-Kompositionen

[Bearbeiten] Moderne Vertonungen

[Bearbeiten] Lateinischer Originaltext und deutsche Übersetzung

Diese freie Übersetzung hält die kunstvolle Struktur und Form des lateinischen Originaltextes aufrecht.

Dies irae dies illa,[1]
Solvet saeclum in favilla:
Teste David cum Sibylla.
Quantus tremor est futurus,
Quando iudex est venturus,
Cuncta stricte discussurus!
Tuba mirum spargens sonum
Per sepulcra regionum,
Coget omnes ante thronum.
Mors stupebit et natura,
Cum resurget creatura,
Iudicanti responsura.
Liber scriptus proferetur,
In quo totum continetur,
Unde mundus iudicetur.
Iudex ergo cum sedebit,
Quidquid latet apparebit:
Nil inultum remanebit.
Quid sum miser tunc dicturus?
Quem patronum rogaturus?
Cum vix iustus sit securus.
Rex tremendae maiestatis,
Qui salvandos salvas gratis,
Salva me, fons pietatis.
Recordare Iesu pie,
Quod sum causa tuae viae:
Ne me perdas illa die.
Quaerens me, sedisti lassus:
Redemisti crucem passus:
Tantus labor non sit cassus.
Iuste iudex ultionis,
Donum fac remissionis,
Ante diem rationis.
Ingemisco, tamquam reus:
Culpa rubet vultus meus:
Supplicanti parce Deus.
Qui Mariam absolvisti,
Et latronem exaudisti,
Mihi quoque spem dedisti.
Preces meae non sunt dignae:
Sed tu bonus fac benigne,
Ne perenni cremer igne.
Inter oves locum praesta,
Et ab haedis me sequestra,
Statuens in parte dextra.
Confutatis maledictis,
Flammis acribus addictis,
Voca me cum benedictis.
Oro supplex et acclinis,
Cor contritum quasi cinis:
Gere curam mei finis.
Lacrimosa dies illa,
Qua resurget ex favilla.
Iudicandus homo reus:
Huic ergo parce Deus.
Pie Iesu Domine,
dona eis requiem.
Tag der Rache, Tag der Sünden,
Wird das Weltall sich entzünden,
wie Sibyll und David künden.
Welch ein Graus wird sein und Zagen,
Wenn der Richter kommt, mit Fragen
Streng zu prüfen alle Klagen!
Laut wird die Posaune klingen,
Durch der Erde Gräber dringen,
Alle hin zum Throne zwingen.
Schaudernd sehen Tod und Leben
Sich die Kreatur erheben,
Rechenschaft dem Herrn zu geben.
Und ein Buch wird aufgeschlagen,
Treu darin ist eingetragen
Jede Schuld aus Erdentagen.
Sitzt der Richter dann zu richten,
Wird sich das Verborgne lichten;
Nichts kann vor der Strafe flüchten.
Weh! Was werd ich Armer sagen?
Welchen Anwalt mir erfragen,
Wenn Gerechte selbst verzagen?
König schrecklicher Gewalten,
Frei ist Deiner Gnade Schalten:
Gnadenquell, lass Gnade walten!
Milder Jesus, wollst erwägen,
Dass Du kamest meinetwegen,
Schleudre mir nicht Fluch entgegen.
Bist mich suchend müd gegangen,
Mir zum Heil am Kreuz gehangen,
Mög dies Mühn zum Ziel gelangen.
Richter Du gerechter Rache,
Nachsicht üb in meiner Sache
Eh ich zum Gericht erwache.
Seufzend steh ich schuldbefangen,
Schamrot glühen meine Wangen,
Lass mein Bitten Gnad erlangen.
Hast vergeben einst Marien,
Hast dem Schächer dann verziehen,
Hast auch Hoffnung mir verliehen.
Wenig gilt vor Dir mein Flehen;
Doch aus Gnade lass geschehen,
Dass ich mög der Höll entgehen.
Bei den Schafen gib mir Weide,
Von der Böcke Schar mich scheide,
Stell mich auf die rechte Seite.
Wird die Hölle ohne Schonung
Den Verdammten zur Belohnung,
Ruf mich zu der Sel'gen Wohnung.
Schuldgebeugt zu Dir ich schreie,
Tief zerknirscht in Herzensreue,
Sel’ges Ende mir verleihe.
Tag der Tränen, Tag der Wehen,
Da vom Grabe wird erstehen
Zum Gericht der Mensch voll Sünden;
Lass ihn, Gott, Erbarmen finden.
Milder Jesus, Herrscher Du,
Schenk den Toten ew’ge Ruh.

[Bearbeiten] Anmerkungen

  1. a b Zef 1,15 VUL

[Bearbeiten] Weblinks