Böhmische Kronländer
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Als Böhmische Kronländer (auch: Böhmische Krone, tschechisch Česká Koruna, Země koruny české, lateinisch Corona Bohemiae bzw. Corona Regni Bohemiae) bezeichnet man die Gesamtheit der Länder, die mit dem Königreich Böhmen durch den gemeinsamen Herrscher sowie über Lehensbeziehungen miteinander verbunden waren. Der Begriff bezeichnet also nicht die materielle Krone, die dem König aufs Haupt gesetzt wurde (siehe dazu Wenzelskrone), vielmehr wird damit das entpersonalisierte, aus mehreren Gliedern bestehende böhmische Staatswesen benannt. Der Begriff Staat war im Spätmittelalter noch nicht bekannt.
Im 12. und 13. Jahrhundert waren nur Böhmen und die Markgrafschaft Mähren auf Dauer miteinander verbunden. Unter den Luxemburger Königen Johann und Karl IV. kamen Schlesien, die Ober- und die Niederlausitz sowie eine Vielzahl von kleineren Reichslehen hinzu. Karl IV. verfügte, dass die Länderverbindung unabhängig von den dynastischen Entwicklungen Bestand haben sollte, auch dann, wenn die Luxemburger einmal aussterben sollten. Die förmliche Verbindung einzelner Territorien mit der Krone Böhmen bezeichnete man als Inkorporationen.
Die Böhmische Krone war weder eine bloße Personalunion noch eine Föderation gleichberechtigter Mitglieder. Stattdessen galten das Königreich Böhmen und seine Stände als Haupt, die anderen Länder als die Glieder. Während die Böhmen den Unterschied zwischen Hauptland und Nebenländern hervorhoben und neben der Führungsrolle im Inneren nach außen die Alleinvertretung des Staates beanspruchten, betonten Mährer, Schlesier und Lausitzer die politische Autonomie ihrer Länder, die sich schließlich freiwillig mit Böhmen vereinigt hätten. Die Führungsrolle Böhmens wurde von den Ständen der Nebenländer nicht grundsätzlich in Frage gestellt, wenngleich sie seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts beharrlich mehr Rechte, zum Beispiel die Beteiligung an der Königswahl, forderten.
Außer dem König verfügte die Böhmische Krone über keine gemeinsamen Staatsorgane, was in Krisenzeiten ein großer Nachteil war. Nur selten trafen sich die Stände aller Länder zu Generallandtagen. Lediglich die böhmische Hofkanzlei unter der Führung des Oberstkanzlers war für alle Länder der Krone zuständig. Obwohl kaum Institutionen vorhandenen waren, kam es vor allem im 16. Jahrhundert zu immer engeren politischen Verbindungen zwischen den Kronländern und zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges schien es, als könnte mit der Confoederatio Bohemica das politische System der Böhmischen Krone entscheidend modernisiert werden. Mit der Schlacht am Weißen Berg war dieses Verfassungsexperiment allerdings schnell beendet. In der Folgezeit verlor die Krone Böhmen als Staatskonstrukt innerhalb der frühneuzeitlichen Habsburgermonarchie immer stärker an Bedeutung. Schon 1635 waren im Prager Frieden die Lausitzen herausgelöst und an Sachsen gegeben worden. 1742 gingen der größte Teil Schlesiens und die Grafschaft Glatz an Preußen verloren.
[Bearbeiten] Literatur
- Velké dějiny zemí koruny české, hrsg. v. Marie Bláhová, Jan Frolík, Naďa Profantová u.a. Praha 1999 ff.
- Bd. 1: Do roku 1197 (M. Bláhová)
- Bd. 2: 1197-1250 (V. Vaníček)
- Bd. 3: 1250-1310 (V. Vaníček)
- Bde. 4A u. 4B: 1310-1402 (L. Bobková & M. Bartlová)
- Bd. 5: 1402-1437 (P. Cornej)
- Bd. 7: 1526-1618 (P. Vorel)
- Bd. 10: 1740-1792 (P. Belina)
- Fehlende Bände noch nicht erschienen
- Joachim Bahlcke: Regionalismus und Staatsintegration im Widerstreit. Die Länder der böhmischen Krone im ersten Jahrhundert der Habsburgerherrschaft (1526-1619). (= Schriften des Bundesinstituts für Ostdeutsche Kultur und Geschichte. 3), München 1994.
Siehe auch: Länder Tschechiens