Albrechtsburg
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Der Burgberg über Meißen (Sachsen) wurde 929 von Heinrich I. befestigt und trug ursprünglich drei Burgen.
Die Albrechtsburg (der Name stammt erst aus dem 17. Jahrhundert) ist zwischen 1471 und etwa 1500 als eine Residenz der sächsischen Kurfürsten aus dem Hause Wettin an der Stelle der alten Markgrafenburg der Wettiner an der Nordostecke des Domberges von Grund auf neu errichtet worden. Bei Baubeginn regierten Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht gemeinsam den sächsischen Kurstaat. Architektonisch ist das Schloss im wesentlichen eine Schöpfung des Arnold von Westfalen (um 1425/30 – 1482), der zu den bedeutendsten Baumeistern des 15. Jhs. zählt.
Wegen ihrer Lage über der Elbe wird die Albrechtsburg auch „sächsische Akropolis“ genannt.
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[Bearbeiten] Architektonisches Gesamtbild
Das ehemalige kurfürstliche Schloss erhebt sich über hakenförmigem Grundriss auf einem zur Elbe hin steil abfallenden Felsplateau nördlich des Meißener Domes. Alle Geschosse unter der Trauflinie sind gewölbt, eine große Besonderheit im deutschen Schlossbau, die einen immensen finanziellen und entwerferischen Aufwand bedeutete. Über den hohen Substruktionen des Kernbaus folgen ein niedriges Erdgeschoss und zwei mit ungewöhnlich großen sogenannten Vorhangbogenfenstern geöffnete Hauptgeschosse. Ein weiteres herrschaftlich genutztes Geschoss liegt bereits innerhalb der Dachzone und wird durch die Fenster der Lukarnenreihe belichtet.
Der von allen Seiten noch heute so ins Auge springende, turmartige Charakter des Meißener Schlosses dürfte ein wohlkalkuliertes Bild mit politischer Bedeutung darstellen. Die Albrechtsburg sollte nicht nur ein besonders komfortabel zu bewohnendes Residenzschloss werden, sondern auch ein unübersehbares Zeichen für die sich immer mehr konsolidierende und an reichspolitischer, administrativer und wirtschaftlicher Bedeutung gewinnende Territorialherrschaft der Wettiner setzen. Zu diesem Zweck wurde wohl von Arnold von Westfalen die Formulierung einer neuen Architektursprache erwartet.
Durch die Grundrissgestaltung wurde der an sich bereits turmartig proportionierte Baukörper der Albrechtsburg noch einmal in einzelne Turmfiguren aufgegliedert; alle Fassadenstreifen tendieren zu hochrechteckigen Format; in der Licht- und Schattenwirkung präsentiert sich der Kernbau wie ein Kristall mit vielfach gefalteter Oberfläche. Neben den Treppentürmen der Hofseite entwickelt sich jedoch nur ein in der Mittelzone der Elbseite angeordneter Baukörper zu einem echten Turm, alle andern Baukörper werden durch das mächtige Dach wieder zusammengebunden. In der Dachzone bilden jedoch die Lukarnen, hochrechteckige, auf der Trauflinie aufsitzende Dacherker, einen den Bau umziehenden Kranz von Turmfiguren. Die Lukarne in ihrer typischen Ausbildung als Fenstererker stammt aus Frankreich; um 1470 war sie aber erst in Einzelfällen (z. B in den Schlössern von Baugé und Le Rivau) in solcher Systematik und Konsequenz verwendet worden.
Eine weitere folgenreiche Adaption französischer Baukultur in Meißen war die Verwendung des Schautreppenturmes, wie er 1365 mit der – später abgetragenen - Großen Wendeltreppe im Hof des Louvre als Typ formuliert worden war. Die große Haupttreppe im Süden, über die der Zugang zu den herrschaftlich genutzten Obergeschossen führt, ist ein Meisterwerk der Steinmetzkunst mit aufwändig geschwungenen Stufen, die sich um ein offenes Auge in der Mitte hinaufwinden. Ihre Fenster waren ursprünglich offen und ermöglichten vielfältige Blickbeziehungen zwischen den auf der Treppe Schreitenden und Zuschauern im Hof. Die Gesamtgestalt der dem Meißener Treppenturm und dem benachbarten Fassadenabschnitt vorgelagerten Altane besitzt jedoch kein direktes französisches Vorbild. Ein kleinerer Treppenturm befindet sich ebenfalls an der Hoffassade in der Ecke zwischen Nord- und Ostflügel.
[Bearbeiten] Innenraumgestaltung
Im Innern der Albrechtsburg hatte der Baumeister ein hochkomplexes Raumprogramm umzusetzen. Große Bereiche des ersten Obergeschosses werden durch zwei Säle eingenommen. Beide sind großzügig auf mehreren Seiten befenstert, zweischiffig angelegt und wie die übrigen Räume des Geschosses gewölbt. Der zentral gelegene Saal, auf den der Hauptaufgang des Großen Treppenturms führt, war der fallweise zu nutzende große Festsaal des Schlosses. Er war nicht heizbar und erfüllte im Alltagsleben die Funktion eines Kommunikationsbereichs zwischen den umgebenden Treppen und Räumen, zu denen auch ein Kapellenraum gehört.
Im Gegensatz dazu war der Nordsaal die durch einen ehemals an der Nordostecke platzierten großen Kachelofen geheizte Hofstube, in der sich zweimal täglich der gesamte männliche Hofstaat unter Einschluss der Fürsten zu den Hauptmahlzeiten versammeln sollte. Zwischen beiden Saalräumen liegt über der Verbindungstür eine Musikantenempore, die je nach Bedarf beide Räume bedienen konnte.
Um diese beiden Großräume gruppieren sich drei von einander unabhängige Appartements als Wohn- und Amtsbereiche, die jeweils aus einer ofenbeheizten Stube als Hauptraum und einer oder mehreren nachgeordneten Kammern als Schlaf- und Aufbewahrungsräume gebildet werden. Architektonisch am aufwändigsten ist dabei das Appartement gestaltet, das sich im Nordosten an die Hofstube anschließt. Seine Stube und die darüber liegende, durch eine Mauertreppe direkt zu erreichende unbeheizte Schlafkammer nehmen den um 45 Grad aus der Hautgebäudeflucht herausgedrehten Baukörper ein, der sich turmartig mit drei freistehenden Seiten über dem Elbtal erhebt. Über den aufwändigen und kostspieligen Substruktionen der Untergeschosse hat der Architekt hier Räume geschaffen, die einen weit reichenden Ausblick nach drei Seiten ermöglichen.
Der baulich inszenierte Überschaublick an sich war damals bereits europaweit im Schlossbau geschätzt. Allerdings unterscheidet sich der mehransichtige „Fächerblick“ in Meißen grundlegend von den damals in Frankreich oder Italien üblichen Blickführungen, wo die optische Bezugnahme zur Umgebung fast immer in der Figur eines gerichteten Einheitsbildes formuliert wurde. In der Folgezeit sollten solche Raumbildungen u. a. in Wittenberg, Torgau, Neuburg a. d. Donau oder Heidelberg zu einem Charakteristikum des aufwändigen mitteleuropäischen Schlossbaus werden. Wahrscheinlich war das große dreiseitig befensterte Nordost-Appartement der Albrechtsburg ursprünglich für hochrangige Gäste vorgesehen; im Laufe des 16. Jahrhunderts zogen sich dorthin jedoch die Fürsten während der Hauptmahlzeiten zu einer Separattafel zurück. Zur Erbauungszeit war die Absonderung von der Gesamtmahlzeit nur für die weiblichen Mitglieder des Hofes, das sogenannte Frauenzimmer, üblich. Für sie hat der Baumeister ebenfalls einen Raum mit drei Fensterfronten entworfen, allerdings im zweiten Obergeschoss, wo dieser Personenkreis etwas dem Hoftreiben abgesondert war.
Im zweiten Obergeschoss war neben der Frauenzimmertafelstube und zwei kleineren weiteren Appartements auf der Südseite das dreiräumige Appartement des Kurfürsten als Zentrum zwischen Elb- und Hoffront eingerichtet. Zusätzlich zur zweiseitig befensterten Stube als Hauptempfangsraum und der nachgeordneten, intimeren Schlafkammer sollte dem Kurfürsten eine kleine Nebenstube auf der Talseite zur Verfügung stehen. Als typologische Vorbilder für einen solchen Rückzugsraum kommen die estudes oder cabinets in französischen Schlössern infrage, es spricht aber auch nichts dagegen, die Meißener Neuerung von den seit Petrarca (1304–1374) von italienischen Humanisten propagierten studioli abzuleiten. Ein berühmtes Beispiel ist zwischen 1472 und 1476 im Herzogspalast zu Urbino eingerichtet worden. Der kleine Raum der kurfürstlichen Wohnung in Meißen ist architektonisch zu einem regelrechten Schaustück gestaltet und gewährt in verschiedene Richtungen aufgefächerte Ausblicke über das Elbtal. In seiner vom unruhigen Treiben des Schlosshofs abgewandten Lage entspricht er genau den Ratschlägen, die der einflussreiche Renaissancetheoretiker Leon Battista Alberti (1404–1472) für die Anlage solcher Räume formuliert hat.
Der Grundriss des zweiten Obergeschosses wiederholt sich in wesentlichen Aspekten im darüber liegenden Geschoss der Lukarnenzone. Hier kann man das Appartement der Kurfürstin vermuten mit einem internen Treppenaufgang zu den Räumen ihres Gefolges ein Geschoss höher im Dach.
[Bearbeiten] Künstlerische Bedeutung
Die außerordentlich aufwändige Bauaufgabe der Albrechtsburg erforderte die Einrichtung und den konstanten Betrieb einer großen Bauhütte, die unter Meister Arnold und seinen engsten Schülern zu einem Zentrum der Architekturentwicklung und –ausbildung mit überregionaler Ausstrahlungskraft wurde, wie sie vorher nur für die großen Kirchenbauhütten typisch war. Das in der Albrechtsburg entwickelte Zellengewölbe und die vorhangartigen oberen Abschlüsse der Hauptfenster wurden in weitem Umkreis kopiert; teilweise wurden die zunächst für den Profanbereich geschaffenen Formen anschließend sogar im Sakralbau eingeführt.
Hier deutet sich eine Umkehrung des traditionellen künstlerischen Gefälles an, wie sie dann im Laufe des 16. Jahrhunderts immer deutlicher zutage treten sollte. Arnold von Westfalen ist zusätzlich 1471 mit dem neu geschaffenen Amt eines landesherrlichen Oberbaumeisters ausgestattet worden, so dass er als früher Vertreter des neuzeitlichen Berufsbildes des Hofkünstlers auch unter dem Dach des sich formierenden frühneuzeitlichen Territorialstaates seinen Einfluss geltend machen konnte.
Die Albrechtsburg ist in Wirklichkeit nie zu einem Zentrum wettinischer Hofhaltung geworden. Noch während des Baufortgangs vereinbarten die Bauherren 1485 eine Aufteilung ihres Territoriums, der zufolge Meißen an die nun entstehende albertinische Linie der Wettiner fiel. Zwischen 1495 und 1500 wurden die Bauarbeiten während des Innenausbaus in den oberen Nordteilen eingestellt. Erst 1521 ließ der nun in Dresden residierende Sohn Herzog Albrechts, Herzog Georg der Bärtige (1500–1539), diese Bereiche durch Jakob Heilmann fertigstellen. Aus dieser Zeit stammt das Schlingrippengewölbe nach Art des in Prag tätigen Benedikt Ried im zweiten Obergeschoss des Nordostbaus und ein Kamin im darüber liegenden Raum. Damals wurde auch der Bildhauer Christoph Walther I. mit der Anfertigung von figürlichen Reliefs für die Brüstungen des Großen Treppenturmes beauftragt, deren Rahmen typische Frührenaissanceformen zeigen.
[Bearbeiten] Porzellanmanufaktur und heutige Verwendung
Die Albrechtsburg ist nach ihrer Entlassung aus dem Hofzubehör von 1710 bis 1863 als Produktionsstätte der berühmten sächsischen Porzellanmanufaktur genutzt worden.
Erst nach deren Auszug konnte der Bau bis 1870 restauriert werden. Zwischen 1873 und 1885 wurden alle Räume der beiden Hauptgeschosse mit Wandbildern zur Geschichte Sachsens und Meißens geschmückt, eine Kunstgattung, die bei Erbauung des Schlosses mit Sicherheit nicht vorgesehen war. Damals stellten mobile Wandteppiche die komfortabelste und repräsentativste Ausschmückung solcher Räume dar.
Das Schloss gehört heute zu den staatlichen Schlössern und Gärten in Sachsen und beherbergt ein öffentlich zugängliches Museum.
[Bearbeiten] Literatur
- Mrusek, Hans-Joachim (Hrsg.): Die Albrechtsburg zu Meißen. Leipzig 1972.
- May, Walter: Die Albrechtsburg zu Meißen. Herkunft und Bedeutung. In: Sächsische Heimatblätter 17 (1971), S. 103 - 110.
- Hoppe, Stephan: Die funktionale und räumliche Struktur des frühen Schloßbaus in Mitteldeutschland. Untersucht an Beispielen landesherrlicher Bauten der Zeit zwischen 1470 und 1570. Köln 1996, S. 35ff.
- Fuhrmann, Dietmar; Schöner, Jörg (Fotos): Albrechtsburg Meißen. Ursprung und Zeugnis sächsischer Geschichte. Halle/Saale 1996.
- Müller, Matthias: Das Schloß als Bild des Fürsten. Herrschaftliche Metaphorik in der Residenzarchitektur des Alten Reiches (1470–1618). Göttingen 2004, S. 42ff.
- Hoppe, Stephan: Die Albrechtsburg zu Meißen als Beispiel eines retrospektiven Architekturstils? Beobachtungen zu möglichen Wechselwirkungen zwischen Architektur und Bildkünsten im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts. In: Schlossbau der Spätgotik in Mitteldeutschland. Dresden 2007, S. 64 - 74.
[Bearbeiten] Weblinks
Koordinaten: 51° 9′ 57" n. Br., 13° 28′ 14" ö. L.