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Heinrich Schenker – Wikipedia

Heinrich Schenker

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Heinrich Schenker (* 19. Juni 1868 in Wisniowczyk, Ukraine; † 13. Januar 1935 in Wien), österreichischer Musiktheoretiker galizischer Herkunft.

1884 übersiedelt Schenker nach Wien. Zunächst studiert er Jura, dann am Konservatorium Harmonielehre bei Anton Bruckner, Kontrapunkt und Klavier. Schenker begleitet Sänger und Kammermusiker und beginnt zu komponieren. Schließlich gibt er die Komposition auf und widmet sich fortan Fragen der Musiktheorie. Seinen Unterhalt verdient er durch Privatunterricht in Klavierspiel, Analyse und Interpretation.

Zeitlebens fühlt sich Schenker dem musikalischen Meisterwerk verbunden. Zahllose Analysen offenbaren ihm die tragende Struktur tonaler Musik: Urlinie und Ursatz. Um das Werk der berühmten Komponisten (Bach bis Brahms) besser zu verstehen, fragt Schenker nach der Ursache ihres Könnens. So stößt er auf die klassischen Lehrwerke tonaler Musik. Daraus rekonstruiert Schenker eine ebenso originäre wie werkgetreue Auffassung tonaler Musik.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Ursatz

Die von Schenker begründete Reduktionsanalyse basiert auf der Annahme, dass tonale Musik in hierarchischen Schichten gebaut ist. Während der Vordergrund auch kleine Notenwerte umfasst, bildet der Mittel- und Hintergrund eine einfache, stabile Struktur. Die letztmögliche Reduktion tonaler Mehrstimmigkeit nennt Heinrich Schenker Ursatz.

Im Ursatz erscheinen Melodie und Harmonie in ihrer elementaren Form verbunden. Während die Oberstimme den Terzraum fallend diminuiert (ein-, unter- und zerteilt) (3 - 2 - 1), besetzt die Unterstimme den an sich dissonanten Durchgangston (2) konsonant (I - V - I), so dass die melodisch 2. als Quinte der V. erscheint.

Diese Fortschreitung ist so elementar, dass sie auf Naturhörnern mit dem Material der ersten 10 Obertöne spielbar ist (Klarinblasen). Während unten die Obertöne 2 - 3 - 2 erklingen, spielt eine andere Stimme die Obertöne 10 - 9 - 8. Da auch Jagdhörner Naturhörner sind, bestehen mehrstimmige Jagdmotive ebenso aus diesen Tönen. Diese natürliche Satzstruktur wirkt akustisch dermaßen stabil, dass sie zum tragenden Gerüstsatz der tonalen Kunstmusik geworden ist.

Nicht jede Analyse tonaler Musik muss einen Ursatz zu Tage fördern. Der Ursatz ist zwar die primäre Struktur tonaler Musik, ein Stück kann aber auch auf einer sekundären Struktur basieren. Das heißt: findet sich in einer Analyse kein Ursatz, so ist damit nicht Schenkers Ursatz-Theorie widerlegt, sondern bloß eine sekundäre Form nachgewiesen.

Der Ursatz wird aus größeren, mehrere Takte umfassenden Abschnitten oder dem ganzen Werk gewonnen und stellt die letztmögliche Reduktion dar, gleichsam das Extrakt der Stimmführungsanalyse. Da der Ursatz im Hintergrund wirkt und sich über viele Takte erstrecken kann, beinhaltet seine Darstellung selbst keine rhythmisch motivischen Angaben.

[Bearbeiten] Urtext - Ausgaben

Die Quellen erscheinen Schenker zunehmend von einer Theorie verwässert, die mehr intellektueller Spekulation gleicht als praktischer Hörerfahrung. Bereits 1902 kritisiert Schenker, dass die Notendrucke gravierende Fehler enthalten, und regt daraufhin Urtext-Ausgaben an (Klassiker-Ausgaben der Universal-Edition). Schenker publiziert seine Theorien in Zeitschriften, Aufsätzen und Büchern.

[Bearbeiten] Kritik an Schenkers Analysemethode

Dem immanenten Vorteil der Schenker-Analysemethode, lineare Stufengänge sowie strukturelle Vorgänge auf der Metaebene einfach in einem Graphen darzustellen, steht entgegen, dass die system-bedingte Fokussierung auf den Ursatz zur Folge hat, dass rhythmische Vorgänge in der Regel im Graphen vollständig ausgeblendet werden. Ferner sind in ihrer höchsten Abstraktionsebene, dem Ursatz, motivische Relationen in keiner Weise ersichtlich, obgleich sie häufig vom Werk nicht zu trennen sind. Ferner ist der Ursatz nur unter Hinzunahme von Hilfskonstruktionen (Modulation wird beispielsweise als Ursatz-Verschränkung gesehen) bei Musik anzuwenden, deren Tonalität auf dem Dualismus zwischen einem Tonika- und einem Dominantton beruht. Werke der erweiterten Tonaliät oder Werke, welche auf Tonalitätsfeldern beruhen, sind mit Schenkers Methode nur unter dem Verzicht auf einen übersichtlichen Graphen zu deuten. Schenkers Ursatz ist als Ergänzung zur klassisch-motivischen und deduktiven Analysemethode zu sehen.

[Bearbeiten] Kontakte

Zu den bekannten Anhängern Schenkers zählen Wilhelm Furtwängler und Paul Hindemith, der begeistert an Schenker schreibt: "Sie sagen zum ersten mal richtig, was ein guter Musiker hört, fühlt und versteht". Schönberg bemüht sich um den Kontakt zu Schenker, instrumentiert seine Syrischen Tänze, reagiert aber zunehmend gehässig auf seinen "Widersacher". Kein Wunder: Schenker bezichtigt bereits Wagner, die Tonalität nicht mehr zu erweitern, sondern bereits zu verlieren.

[Bearbeiten] Nachwirken

Schenker ist Jude. Die Verfolgung durch die Nazis erlebt er nicht mehr, er stirbt im Januar 1935 in Wien. Seine Frau Jeanette wird ins Ghetto Theresienstadt verschleppt und kurz vor Kriegsende ermordet. Unter den Nazis gelten Schenkers Werke und Ausgaben als verfemt. Viele seiner Schüler emigrieren als Lehrer in die USA und etablieren so die neue Idee tonaler Musik in der anglo-amerikanischen Musiktheorie. Deshalb sind Werke der "Schenkerianer" bis heute selten auf Deutsch zu finden.

[Bearbeiten] Werke

Hauptwerk in 3 Bänden

"Neue musikalische Theorien und Phantasien"

  • 1906 Harmonielehre
  • 1910 Kontrapunkt
  • 1935 Der freie Satz

Weitere Schriften

  • 1904 Ein Beitrag zur Ornamentik
  • 1908 Instrumentations-Tabelle
  • 1912 Beethovens neunte Sinfonie
  • 1933 Brahms Johannes, Oktaven, Quinten u.a.
  • 1935 Fünf Urlinie-Tafeln

[Bearbeiten] Weblinks


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