Rohrrücklauf
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Der Rohrrücklauf ist eine Vorrichtung an Geschützen, die das Rohr gegenüber der Lafette beweglich macht und so den Rückstoß aufnimmt.
[Bearbeiten] Geschichte
Bis Ende des 19. Jahrhunderts waren Geschützrohre in Längsrichtung starr mit der Lafette verbunden. Durch die beim Schuss auftretende Rückstoßkraft wurde die Lafette meist verschoben, so dass nach jedem Schuss ein neues Richten nötig war. Dies setzte die Feuergeschwindigkeit erheblich herab.
Die ersten Versuche mit einem Rohrrücklauf waren nicht erfolgreich, da ein sehr kurzer Rücklauf gewählt wurde, der zwar das Schießen mit großen Rohrerhöhungen gestattete, aber auf Grund der hohen Bremskräfte zu einem Springen der Lafette bei niedrigen Rohrerhöhungen führte.
Nach verschiedenen Versuchen entwickelte Heinrich Ehrhardt 1898 einen veränderlichen Rohrrücklauf, der den Rücklaufweg an die Rohrerhöhung anpasste. Die daraus resultierende verbesserte Schussfolge führte zu einer Umrüstung fast aller Armeen auf Geschütze mit Rohrrücklauf (in Deutschland ab 1904).
Das erste felddiensttaugliche Rohrrücklaufgeschütz der Welt war eine französische 7,5 cm Feldkanone, System Deport, welche als Canon de 75 mle 1897 in der französischen Armee eingeführt und im Ersten Weltkrieg in großer Zahl verwendet wurde. Der Deutsche Heinrich Ehrhardt, Gründer der "Rheinischen Metallwaren- und Maschinenfabrik Akt.-Ges.", später Rheinmetall, sowie die Firma Krupp zogen im Jahr 1900 nach.
Heutzutage sind praktisch alle schweren Waffen mit Rohrrücklauf ausgestattet. Anders wären die heute üblichen Kaliber nicht zu bewältigen; so würde die Lafette der leichten Feldhaubitze 105 mm bei starrer Lagerung mit bis zu 2310 kN belastet. Ausnahmen sind Mörser, die nur in der oberen Winkelgruppe feuern, bei denen kann die Rückstoßkraft über eine Bodenplatte vollständig in den Boden übertragen werden.
[Bearbeiten] Funktionsweise
Auf der Lafette ruht eine Wiege (Oberlafette), die die Rohrbremse und die Rückholeinrichtung aufnimmt. Das Geschützrohr ist mit der Oberlafette verbunden. Beim Schuss gleitet nun das Geschützrohr zurück und wird durch die Rohrbremse gebremst. Diese besteht meist aus einem Hydraulikzylinder, in dem die Flüssigkeit durch eine Lochplatte strömt. Dabei wird durch eine zweite verschiebbare Lochplatte die Größe der Durchlassöffnungen abhängig von der Rohrerhöhung gesteuert. Weiterhin werden die Rückholfedern oder ein Pneumatikzylinder (Luftvorholer) zusammengepresst; diese bringen das Rohr wieder in die Ausgangsstellung zurück. Die Rücklaufwucht des Rohres wird heutzutage meist durch eine Mündungsbremse gemindert.
Bei der Verwendung von Federn spricht man von einem hydromechanischen, bei der Verwendung von einem oder mehreren Luftzylindern von einem hydropneumatischen Rohrrücklauf.
[Bearbeiten] Kräfteverhältnisse
In hinreichend genauer Näherung können die Gewichtskräfte vernachlässigt werden, da die Massenkräfte erheblich größer sind. Damit ergibt sich für den ungebremsten Rohrrücklauf:
mit
mG = Masse Geschoss
mR = Masse Rohr
mL = Masse Ladung
vR = Rohrgeschwindigkeit
V0 = Geschossgeschwindigkeit an der Muendung