Pucken
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Das Pucken ist eine spezielle Wickeltechnik, bei der Säuglinge eng in ein Tuch eingewickelt werden. Es handelt sich um eine traditionelle Methode der Säuglingspflege; sie ist auf der Welt weit verbreitet. In den letzten Jahren wird sie auch im deutschen Sprachraum und den Niederlanden wieder empfohlen. Die besonders enge Wickeltechnik setzt dem Neugeborenen Grenzen für die Bewegung seiner Arme und Beine. Damit soll ihm geholfen werden, ein Gefühl für den eigenen Körper zu entwickeln.
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[Bearbeiten] Methode
Zum Pucken eines Säuglings benutzt man ein Tuch von etwa 75 x 75 cm Größe aus Baumwolle oder Wolle. Ideal ist z. B. ein Moltontuch. Den Säugling legt man auf eine Diagonale des Tuchs, sodass der Kopf etwas näher an einer Tuchecke liegt als die Füße. Nun klappt man die untere Ecke des Tuchs über das Kind. Damit die Ecke nicht das Gesicht bedeckt, klappt man sie ggf. dabei noch einmal um. Einen Arm des Kindes legt man nun dicht an seinen Torso und schlägt die entsprechende Ecke des Tuches einigermaßen straff über das Kind, um es unter den anderen Arm und nach Möglichkeit unter den Rücken zu legen. Zuletzt verfährt man genauso mit dem anderen Arm, und legt dabei die letzte Ecke des Tuchs unter das „kleine Paket“.
Es ist wichtig, dass das Tuch einigermaßen stramm um den Säugling gewickelt wird, allerdings sollte es nur so stramm sein, dass der Säugling sich auch wohlfühlen und vor allem atmen kann. Das Gesicht muss unbedingt freiliegen. Auch auf eine ausreichende Möglichkeit zum Abspreizen der Beine muss geachtet werden. Ansonsten kann der Säugling eine Fehlstellung des Hüftgelenks (Hüftdysplasie) entwickeln. Bei Hüftdysplasie sollte man nur nach Rücksprache mit dem Kinderarzt pucken. Um einen Hitzestau zu vermeiden sollte man nicht pucken, wenn der Säugling Fieber hat, oder wenn mit Fieber zu rechnen ist, beispielsweise nach einer Impfung.
[Bearbeiten] Möglicher Nutzen
Verschiedene Untersuchungen konnten zeigen, dass gepuckte Kinder länger schlafen, dabei mehr Zeit im Non-REM-Schlaf verbringen und weniger leicht spontan aufwachen.[1] Daher halten einzelne Autoren diese Methode für geeignet, die Akzeptanz der Rückenlage zur Vorbeugung des plötzlichen Kindstodes zu erhöhen, da viele Eltern trotz anderslautender Empfehlungen die risikoreichere Bauchlage vorziehen, weil die Kinder auf dem Bauch angeblich besser schlafen würden.[2] Außerdem gibt es Hinweise, dass diese Wickelmethode wohl auch die Schreidauer signifikant verringern kann.[3] Daher wird das Pucken von verschiedenen Seiten auch zur Unterstützung der Behandlung von Schreibabys empfohlen.
[Bearbeiten] Möglicher Nachteil
Werden auch die Beine fixiert, so steht das zum Widerspruch zur Breitwickeltechnik, welche Hüftschäden vorbeugen soll.[4] Ein Kompromiss könnte sein, das Kind zum Schlafengehen zu pucken und es tagsüber viel im Tragetuch oder geeigneten Tragekonstruktionen zu tragen.
[Bearbeiten] Kulturgeschichte
Das heutige Pucken ist eine Abwandlung einer uralten Wickelmethode, die nachweislich in verschiedenen Kulturen angewendet wurde. In antiken griechischen und römischen Gräbern von Frauen, die bei der Geburt gestorben waren, wurden Votivstatuen gefunden, die eng gewickelte Säuglinge zeigen. Beim Pucken wurden die Säuglinge früher häufig sehr fest eingewickelt, so dass sie völlig bewegungsunfähig waren. Man ging davon aus, dass das enge Wickeln notwendig sei, um eine Verkrümmung des Rückgrats zu verhindern. Aus der Tudorzeit in England ist überliefert, dass die Säuglinge der oberen Schichten in sieben Stofflagen gewickelt wurden, zudem wurde auch der Kopf des Kindes noch mit einem Band an den Schultern fixiert. Diese Einschnürung wurde bis zum Alter von einem Jahr praktiziert.
Im 17. Jahrhundert änderte sich die Einstellung zu dieser Wickelmethode unter dem Einfluss der Aufklärung allmählich. John Locke war ein entschiedener Gegner des engen Einschnürens und äußerte sich entsprechend in seinem Werk Some Thoughts Concerning Education. Auch Jean-Jacques Rousseau teilte die Auffassung, dass Kinder nicht durch Wickeln oder sonstige Kleidung eingeengt werden sollten. Im westlichen Kulturraum ist diese traditionelle Einschnürung der Säuglinge weitgehend aufgegeben worden, in anderen Kulturen wird sie teilweise noch angewandt.
Die deutschen Säuglinge wurden angeblich länger und fester gewickelt als die in Frankreich und in England, wo diese Methode auch früher aufgegeben wurde. Die Position der Aufklärung wird zum Beispiel von Johann Georg Krünitz in der Oeconomischen Encyklopädie vertreten. Er ist zwar der Ansicht, dass Kinder nach der Geburt zunächst gewickelt werden müssen, um dem Körper Halt zu geben, jedoch nicht in der damals üblichen Art des „Einschnürens“. So heißt es bei ihm: „Es ist die großte Grausamkeit, ein Kind etliche Stunden lang in die engesten Bande einzuschlagen, um ihm die freye Bewegung der Glieder zu nehmen. (...) Das bleiche Gesicht, der magere Körper, und das sieche Leben der in Banden eingekerkert gewesenen Kinder, beweisen genug, wie vielen Schaden die Eingeweide dadurch leiden (...) Es ist nicht zu verwundern, wenn die Kinder in diesen Fesseln den ganzen Tag traurig sind, und ausser dem Schlafe ihre Zeit mit Weinen zubringen.“[5] Krünitz empfiehlt, das Baby schon nach 14 Tagen nur noch locker zu wickeln, damit es sich bewegen könne.
Dennoch wurde diese Wickelmethode in Deutschland einigen Quellen zufolge noch im 19. Jahrhundert relativ strikt angewandt. Im Jahr 1877 erschien in einem englischen Magazin ein Artikel, in dem ein deutsches Baby als „klägliches Objekt“ bezeichnet wird, das wie eine Mumie eingewickelt werde und nur kurz zum Wechseln der Windeln von seinen Bandagen befreit werde. Diese Methode wurde bis zum sechsten Monat angewandt.[6] Noch Anfang des 20. Jahrhunderts wurden deutsche Säuglinge in den ersten acht Wochen nur zum Windelwechsel herausgenommen, weil man den Körper für extrem schwach und zerbrechlich hielt.[6]
[Bearbeiten] Pucksack
Die in Deutschland verkauften Pucksäcke dienen nicht dem klassischen Pucken des Säuglings, da die meisten Modelle unter den Armen des Säuglings enden und daher nur eine Variante eines Schlafsacks sind. Der historische Vorläufer des heutigen Pucksacks ist das so genannte Steckkissen, ein gepolsterter Sack mit Kissen als Kopfauflage, bei dem die Arme frei blieben.
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ P. Franco et al.: Influence of Swaddling on Sleep and Arousal Characteristics of Healthy Infants. In Pediatrics 2005; 115:1307-1311 Volltext online (englisch)
- ↑ C. M. Gerard et al.: Spontaneous arousals in supine infants while swaddled and unswaddled during rapid eye movement and quiet sleep. In: Pediatrics 2002; 110:70-77 Volltext online (englisch)
- ↑ S. Ohgi et al.: Randomised controlled trial of swaddling versus massage in the management of excessive crying in infants with cerebral injuries In: Arch. Dis. Child. 2004; 89:212-216 Volltext online (englisch)
- ↑ Seemann, Bernd; Seemann, Anna: Bedienungsanleitung Kind, lob.de, Berlin, 2007Buch
- ↑ Oeconomische Encyclopädie von Krünitz, Artikel Kind
- ↑ a b Priscilla Robertson: Das Heim als Nest. Mittelschichten-Kindheit in Europa im 19. Jahrhundert