Präsidentenwahl in der Republik China 2008
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Die Präsidentenwahl in der Republik China 2008 fand am 22. März statt. Sie war die vierte Direktwahl des Präsidenten der Republik China seit 1996. Hauptkandidaten waren Hsieh Chang-ting von der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) und der Kandidat der oppositionellen Kuomintang (KMT) Ma Ying-jeou. Gewinner der Wahl war Ma Ying-jeou, der 58,45 % der Stimmen erhielt. Damit endete die achtjährige Regierungsherrschaft der DPP.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Auswahl der Präsidentschaftskandidaten im Vorfeld der Wahl
[Bearbeiten] Pan-grüne Koalition
Da sich der amtierende Präsident Chen Shui-bian (DPP) in seiner zweiten Amtsperiode befindet, war ihm nach der Verfassung keine erneute Amtsperiode gestattet. Die DPP hatte daher zusammen mit den Parteien der Pan-Grünen Koalition schon lange im Vorfeld ihren Kandidaten nominiert. Aus dem parteiinternen Vorwahlen am 6. März 2007 ging der frühere Premierminister und Bürgermeister von Kaohsiung Hsieh Chang-ting als Sieger hervor.[1] Er erhielt 44 % der Stimmen. Die drei anderen Kandidaten, der damals amtierende Premierminister Su Tseng-chang, der DPP-Parteivorsitzende You Xikun und die amtierende Vizepräsidentin Lü Xiulian erhielten jeweils 33,4 %, 15,78 % und 6,16 %. Nach den Wahlmodusbestimmungen hätte diese Vorwahl jedoch nur mit 30 % gewichtet werden sollen. 70 % des Stimmengewichts hätten mit einer allgemeinen Meinungsumfrage in der Bevölkerung ermittelt werden sollen. Die drei unterlegenen Kandidaten verzichteten jedoch, um die Einheit der DPP-geführten Parteienkoalition nicht zu gefährden, zugunsten von Hsieh Chang-ting auf eine weitere Kandidatur, so dass die öffentliche Umfrage abgesagt wurde und Hsieh Chang-ting zum offiziellen Kandidaten der DPP nominiert wurde.[2] Su Tseng-chang wurde für den Posten des Vizepräsidenten nominiert.
[Bearbeiten] Pan-blaue Koalition
Am 2. Mai 2007 nominierte das Zentralkomitee der Kuomintang den früheren Parteivorsitzenden Ma Ying-jeou zum Kandidaten für die Präsidentenwahl. Dieser wählte Vincent Siew zu seinem Kandidaten für die Vizepräsidentschaft. Die Nominierung wurde durch den KMT-Kongress am 24. Juni 2007 bestätigt.[3]
[Bearbeiten] Bilder der Kandidaten
[Bearbeiten] Wahlprogramme[4]
[Bearbeiten] Wirtschaftspolitik
Im Bereich der Wirtschaftspolitik versprachen beide Kandidaten das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Ma Ying-jeou schlug die Bildung eines gemeinsamen Marktes zwischen der Republik China und der Volksrepublik China vor. Dieser gemeinsame Markt sollte sich z.T. auch auf Arbeitskräfte erstrecken. Der Vorschlag wurde von Hsieh Chang-ting und der DPP abgelehnt, die im Wahlkampf die Schreckensvision einer Überschwemmung Taiwans mit Millionen von billigen Arbeitskräften vom chinesischen Festland ausmalten. Außerdem warnte Hsieh vor dem Import von Massen billiger aber qualitativ minderwertiger, u.U. sogar gesundheitsschädlicher Produkte aus der Volksrepublik.
[Bearbeiten] Korruption
Beide Kandidaten und Parteien versprachen einerseits, energisch gegen die Korruption vorzugehen, beschuldigten andererseits die gegnerische Seite der Bestechlichkeit und Vorteilsannahme. Beide Seiten sind in Antikorruptionsprozesse bzw. -affären verwickelt. Gegen Präsident Chen Shui-bian (DPP) wurden wiederholt Beschuldigungen laut, er habe sein Amt für Vorteilsannahmen missbraucht. Er genießt als Präsident jedoch politische Immunität. Ma Ying-jeou genoss als Justizminister in den 1990er Jahren einen Ruf als Saubermann und Korruptionsbekämpfer. Später wurde er jedoch beschuldigt, in seinem Amt als Bürgermeister von Taipeh Gelder für persönliche Zwecke benutzt zu haben. Auch dem DPP Kandidaten Hsieh Chang-ting wurden Irrgularitäten und Missbrauch von Geldern während seiner Zeit als Bürgermeister von Kaohsiung vorgeworfen.
[Bearbeiten] Politik gegenüber der Volksrepublik China
Ma Ying-jeou und die KMT streben eine an drei Grundsätzen orientierte Chinapolitik an: 1. keine Vereinigung mit China, 2. keine Unabhängigkeit Taiwans, 3. keine Anwendung von Gewalt. Mit der Volksrepublik sollten Verhandlungen über ein Wirtschaftsabkommen und Friedensabkommen geführt werden, jedoch keine Verhandlungen über Vereinigung oder Unabhängigkeit. Die KMT lehnt die Maxime Ein Land, zwei Systeme, unter der Hongkong mit der Volksrepublik vereinigt wurde, ab, will jedoch einen Dialog mit der Kommunistischen Partei Chinas. Die DPP-geführte Parteienkoalition betont eher die Eigenständigkeit Taiwans und möchte eine eigenständige taiwanische Identität entwickeln (sinnfälliger Ausdruck dessen war die medienwirksame Umbenennung des größten Flughafens von Internationaler Flughafen Chiang Kai-shek in Flughafen Taiwan Taoyuan im September 2006). Die DPP tritt außerdem für direkte Verkehrsverbindungen zwischen Taiwan und dem Festland sowie für die Öffnung des Marktes für chinesisches Kapital und des Landes für festlandchinesische Touristen ein.
[Bearbeiten] Die Greencard-Affäre
Hsieh Chang-ting warf im Wahlkampf Ma Ying-jeou mangelnde Loyalität gegenüber Taiwan vor, da dieser eine Green Card besitze. Er wäre 1977 nie Chiang Ching-kuos Berater geworden, wenn dieser gewusst hätte, dass er Inhaber einer Green Card sei und eine permanten Aufenthaltserlaubnis für die USA habe. Ma verteidigte sich daraufhin, dass er damals gegen keine geltenden Regeln verstoßen habe. Die DPP warf daraufhin Ma vor, dass seine Schwestern und seine (in den USA geborene) Tochter sogar U.S.-Bürgerinnen seien. Ma verteidigte sich und wies Beschuldigungen, er und seine Familie empfinde keine ungeteilte Loyalität gegenüber Taiwan, von sich. Derartige US-Dokumente würden nur Reisen in den USA erleichtern. Er habe vor 20 Jahren eine Green Card besessen, die jetzt aber nicht mehr gültig sei. Einen Beweis dieser Behauptung blieb Ma jedoch schuldig, als Präsident Chen Shui-bian und der Präsidentschaftskandiat Hsieh eine Woche vor den Wahlen vorschlugen, dass sie zurücktreten bzw. die Kandidatur zurückziehen würden, wenn er dies nachweisen könne. Weiter betonte der in Hongkong geborene Ma Ying-jeou bei der zweiten Fernsehdebatte als Antwort auf die „Green Card-Frage“ und die Identität Taiwans, dass er „Taiwaner“ sei und nach seinem Tod auf Taiwan beerdigt werden möchte.
[Bearbeiten] Fernsehdebatten
Für die Präsidentschaftswahl 2008 wurden die ersten Fernsehdebatten zwischen Präsidentschaftskandidaten im Fernsehen abgehalten und live übertragen. Bei der ersten Debatten am 24. Februar wurden von 456 Fragen 20 ausgewählt. Darunter Fragen über Innen- und Außenpolitik, Beziehungen zwischen Taiwan und China, Ureinwohner Taiwans, Umweltpolitik, Klimawandel, Homosexualität und Menschenrechte. Die Fragesteller mussten hierfür sich selber auf Video aufnehmen und die jeweilige Frage stellen. Sie durften nach der Antwort der Präsidentenkandidaten auf ihre Frage noch eine Nachfrage stellen. Die gesamte Fernsehdebatte dauerte drei Stunden.[5]
Bei der zweiten Fernsehdebatte wurden unter anderen die Themen Innen- und Außenpolitik, Chinapolitik und Verteidigungspolitik behandelt. Die meisten Fragen zielten auf das Wahlprogramm vom KMT Kandidaten Ma Ying-jeou ab, der bei einer erfolgreichen Wahl die Wirtschaftsmärkte der Volksrepublik China und der Republik China verbinden will. Hierfür wurde aus den eigenen KMT-Reihen der Begriff „Ein-China-Markt“ (一中市場 / 一中市场, Yīzhōng Shìchǎng, engl. one china market) in Bezug auf Ein-China-Politik (one china policy) gebildet.[6] Jedoch vermied Ma während des Wahlkampfes diesen Begriff.
[Bearbeiten] Bilder der Wahl
[Bearbeiten] Die Wahlergebnisse
Wahlberechtigt waren über 17 Millionen Staatsangehörige der Republik China. Die Wahlbeteiligung betrug 76,33 % (13.103.963 gültige Stimmen) und entsprach damit den Erwartungen. 117.646 Stimmen waren ungültig.[7][8] Fast alle Wahlumfragen vor der Wahl hatten einen Sieg des Kuomintang-Kandidaten vorausgesagt. Dies bestätigte sich auch am Wahltag. Der neu gewählte Präsident verfügt im Parlament über eine Zweidrittel-Mehrheit der Abgeordneten, da die Kuomintang bereits am 12. Januar die Parlamentswahlen in einem Erdrutschsieg gewonnen hatte. Somit kontrolliert die KMT das Parlament mit Verfassungsmehrheit und stellt mit der gewonnenen Präsidentschaftswahl die Regierung, was mit der Einparteienherrschaft vor dem Jahr 1996 identisch ist.[9]
Kandidaten (Präsident und Vize) | Partei | Wahlbezirke | Stimmen | Prozent |
---|---|---|---|---|
Ma Ying-jeou (馬英九), Vincent Siew (蕭萬長) |
Kuomintang | 20 | 7.658.724 | 58,45 % |
Hsieh Chang-ting (謝長廷), Su Tseng-chang (蘇貞昌) |
DPP | 5 | 5.445.239 | 41,55 % |
Gesamt | 25 | 13.103.963 | 100,0 % |
[Bearbeiten] Ergebnisse nach Wahlbezirken
Die folgende Tabelle zeigt die Ergebnisse in den 25 Wahlbezirken. Die Stimmen- und Prozentzahl des Gewinners ist jeweils rot markiert.
Wahlbezirk | Hsieh・Su | Ma・Siew | Ungültig | Wahl- beteiligung |
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Die Wahlkarte zeigt eine ähnliche Verteilung der Mehrheiten wie bei den Parlamentswahlen im Januar 2008. Die DPP (grün) hat ihren Schwerpunkt im Süden, die KMT (blau) im Norden
██ 50,0 %–59,9 % für Hsieh Chang-ting
██ 50,0 %–59,9 % für Ma Ying-jeou
██ 60,0 %–69,9 % für Ma Ying-jeou
██ 70,0 %–79,9 % für Ma Ying-jeou
|
||
---|---|---|---|---|---|---|---|
Stimmen | Prozent | Stimmen | Prozent | ||||
Taipeh Stadt (台北市) | 593.256 | 36,97% | 1.011.546 | 63,03% | 12.807 | 79,19% | |
Landkreis Taipeh (台北県) | 866.915 | 38,94% | 1.359.419 | 61,06% | 21.169 | 78,08% | |
Keelung Stadt (基隆市) | 72.562 | 32,27% | 152.327 | 67,73% | 1.701 | 76,09% | |
Yilan Stadt (宜蘭県) | 123.700 | 48,58% | 130.951 | 51,42% | 1.991 | 73,98% | |
Landkreis Taoyuan (桃園県) | 379.416 | 35,36% | 693.602 | 64,64% | 10.330 | 77,58% | |
Landkreis Hsinchu (新竹県) | 73.178 | 25,98% | 208.445 | 74,02% | 2.723 | 79,33% | |
Hsinchu Stadt (新竹市) | 79.634 | 35,30% | 145.930 | 64,70% | 2.036 | 78,52% | |
Landkreis Miaoli (苗栗県) | 92.795 | 29,01% | 227.069 | 70,99% | 2.974 | 76,83% | |
Landkreis Taichung (台中県) | 353.706 | 41,16% | 505.698 | 58,84% | 8.761 | 76,47% | |
Taichung Stadt (台中市) | 226.751 | 38,26% | 365.979 | 61,74% | 5.836 | 77,74% | |
Landkreis Changhua (彰化県) | 309.134 | 42,41% | 419.700 | 57,59% | 7.558 | 75,05% | |
Landkreis Nantou (南投県) | 109.955 | 37,97% | 179.630 | 62,03% | 2.467 | 72,12% | |
Landkreis Yunlin (雲林県) | 199.558 | 51,53% | 187.705 | 48,47% | 3.451 | 70,06% | |
Landkreis Chiayi (嘉義県) | 166.833 | 54,44% | 139.603 | 45,56% | 2.936 | 72,32% | |
Chiayi Stadt (嘉義市) | 72.442 | 47,61% | 79.713 | 52,39% | 1.154 | 76,34% | |
Landkreis Tainan (台南県) | 354.409 | 56,15% | 276.751 | 43,85% | 5.614 | 74,54% | |
Tainan Stadt (台南市) | 216.815 | 49,29% | 223.034 | 50,71% | 3.843 | 76,74% | |
Kaohsiung Stadt (高雄市) | 440.367 | 48,41% | 469.252 | 51,59% | 7.112 | 78,79% | |
Landkreis Kaohsiung (高雄県) | 373.900 | 51,41% | 353.333 | 48,59% | 5.859 | 76,88% | |
Landkreis Pingtung (屏東県) | 249.795 | 50,25% | 247.305 | 49,75% | 3.823 | 73,75% | |
Landkreis Hualien (花蓮県) | 40.003 | 22,52% | 137.604 | 77,48% | 1.970 | 68,85% | |
Landkreis Taitung (台東県) | 29.714 | 26,68% | 81.668 | 73,32% | 977 | 63,18% | |
Landkreis Penghu (澎湖県) | 18.181 | 42,07% | 25.037 | 57,93% | 363 | 60,39% | |
Kinmen (金門県) | 1.710 | 4,87% | 33.384 | 95,13% | 172 | 53,78% | |
Matsu-Inseln (連江県) | 220 | 4,84% | 4.329 | 95,16% | 19 | 58,12% |
[Bearbeiten] Referenden über den Beitritt zu den Vereinten Nationen
Parallel zur Präsidentenwahl wurden auch zwei Referenden abgehalten bei denen es um den Beitritt des Landes zu den Vereinten Nationen (UN) geht, der von beiden großen Parteien gewollt wird. Das von der Regierungspartei DPP eingebrachte Referendum strebte einen Beitritt des Landes unter dem Namen "Taiwan" an und das von der Kuomintang initiierte Referendum wollte einen Wiederbeitritt unter dem offiziellen Namen "Republik China". Die beiden Referenden sind jedoch aufgrund zu geringer Beteiligung (35,82 % und 35,74 %) gescheitert. Erforderlich wäre eine Beteiligung von mindestens 50 % gewesen.[8][10]
[Bearbeiten] Einzelnachweise
- ↑ Radio Taiwan International (Deutscher Dienst), Meldung vom 6. März 2006, letzter Zugriff am 21. März 2008
- ↑ Radio Taiwan International (Deutscher Dienst), Meldung vom 7. März 2006, letzter Zugriff am 21. März 2008
- ↑ BBC Nachrichten vom 2. Mai 2007, letzter Zugriff am 21.3.2008
- ↑ Radio Taiwan International: Politische Richtlinien/Wahlkampfthemen
- ↑ Fernsehdebatte der Präsidentenkandidaten, Radio Taiwan International, 24. Februar 2008
- ↑ Zweite Fernsehdebatte zwischen Xie und Ma, Radio Taiwan International, 9. März 2008
- ↑ Meldung Radio Taiwan International – abgerufen am 22. März 2008
- ↑ a b Zentrale Wahlkommission der Republik China, letzter Zugriff am 22. März 2008
- ↑ Oppositionskandidat Ma gewinnt die Wahl, Welt Online, 22. März 2008
- ↑ Beide "UNO Referenden" gescheitert, Radio Taiwan International, 22. März 2008
[Bearbeiten] Weblinks
- Radio Taiwan International über die Präsidentschaftswahl
- Kuaile Long: „Kann Taiwan noch unabhängig sein?“, Readers Edition, 29. März 2008
1996 | 2000 | 2004 | 2008
Siehe auch: Parlamentswahlen, Präsidenten