Neofolk
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Neofolk (grch. neos = „neu“) ist eine Musikrichtung, die etwa in der Mitte der 1980er Jahre in England entstanden ist. Die Genre-Bezeichnung selbst wurde jedoch erst mit der Popularität des Stils erschaffen und ist seit 1992 belegt. Als Begründer des Neofolk gelten Death in June und Sol Invictus, beide aus der britischen Punk-Band Crisis hervorgegangen. Ein bedeutsames Subgenre des Neofolk ist der Apocalyptic Folk, als dessen Begründer Current 93 gilt.
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Musik und Texte
Neofolk-Kompositionen beruhen hauptsächlich auf einer akustischen Instrumentierung mit Akustikgitarren, Flöten, Trommeln, Geigen oder Celli, häufig unter Verwendung von Synthesizer-Flächen.
Zu den Themen der „Neuen Folklore“ zählen unter anderem Naturmystik, Heidentum, Christentum, Satanismus, Buddhismus, Runologie oder das Mittelalter. Literarische und dichterische Bezüge tauchen häufig auf. Zu den rezipierten Autoren zählen unter anderem Rainer Maria Rilke, Hermann Hesse, Ernst Jünger, Novalis, Yukio Mishima, Julius Evola, Jean Genet und Stefan George.
Neofolk im Post-Industrial-Kontext
Die Verschränkungen und Querverbindungen zu Künstlern aus dem Industrial-Umfeld ist auffällig und ein interessantes Detail, das vor allem auf die experimentierfreudigen Tage von Current 93 zusammen mit Nurse With Wound oder Death in June mit Boyd Rice und seinem Projekt NON zurückzuführen ist. Dadurch werden etliche Neofolk-Künstler im englisch-sprachigen Raum als Teil der Post-Industrial-Bewegung angesehen.
Die meisten Projekte bestehen oft nur aus einer Person, die entweder allein oder mit Kollegen und Freunden eine Produktion einspielt. Dabei kommt es häufig zur Zusammenarbeit zwischen den Künstlern aus dem Neofolk- oder Martial-Industrial-Umfeld. Gemeinsam ist dabei oft die Verwendung kontroverser Symbolik und ein Hang zu Tabuthemen. Bei ihren Veröffentlichungen legen die Musiker hohen Anspruch auf eine anspruchsvolle und programmatische Gestaltung des Tonträgers, der oft nur in limitierter Stückzahl und in aufwändig gestalteten Boxsets vertrieben wird.
Bedeutende Vertreter
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Neben diesen Künstlern gibt es noch eine Reihe weiterer Musikprojekte wie Allerseelen, Blood Axis, Der Blutharsch, Hekate, Kirlian Camera, Ordo Rosarius Equilibrio, Ostara oder Sixth Comm/Mother Destruction, die mit einzelnen Tracks in das Neofolk-Umfeld steuern, den Stil jedoch nur ansatzweise repräsentieren, obgleich sie im Neofolk eine große Hörerschaft haben.
Neofolk als Subkultur
Die Neofolk-Szene wird von vielen ihrer Angehörigen als eigenständige Szene betrachtet, andere sehen darin noch immer einen Bestandteil der ausklingenden Dark-Wave-Bewegung, in deren Umfeld sich das Neofolk-Genre in den 1980er und der 1990er Jahren bewegte. Grund hierfür ist der stilistische Ursprung des Neofolk sowie seine Überlagerungen mit anderen Genres hinsichtlich Thematiken oder klanglicher Komponenten.
Das Publikum setzt sich aus Menschen verschiedener Interessen zusammen. Beispiele hierfür war eine 2005 in einem Jugendtreff in Leipzig im Rahmen des Wave-Gotik-Treffens abgehaltene Konzertreihe und ist aktuell die Veranstaltungsreihe Elfenfolk.
Große Bedeutung im Zusammenhang mit der Szene hatte der englische (und 2004 in Insolvenz gegangene) Vertrieb World Serpent, dessen Katalog sich aus einer Vielzahl von Neofolk-Alben zusammensetzte.
Politische Ausrichtung
Die Neofolk-Musikszene ist – themenbezogen – sehr vielschichtig gestaltet. Mit wenigen Ausnahmen betrachtet sich der Großteil der Neofolk-Musiker selbst als unpolitisch. Das doppelbödige und auch für Fans oft verwirrende Spiel mit faschistischer Ästhetik, das für manche stilprägende Neofolk-Projekte (allen voran Death in June) typisch ist, führte seit den Neunziger Jahren zu dem meist von linksextremistisch/antifaschistischer Seite erhobenen Vorwurf, Neofolk transportiere seine politische Botschaft nicht offen, sondern implizit, "tarne" sozusagen seine wahre "faschistische" Agenda. In der Folge wurde die Frage, ob und auf welche Weise bestimmte Bands nun "rechts" seien, zum Kern der Auseinandersetzungen von Freunden und Feinden der Musik, wobei für die Fans oft gerade die mangelnde Eindeutigkeit der Projekte eine besondere Anziehungskraft ausübt.
Hauptkritikpunkte und Verdachtsmomente ergaben sich dabei unter anderem durch die Verwendung von nordischer bzw. germanischer Symbolik (z. B. Runen), wie sie auch innerhalb der Völkischen Bewegung und nachfolgend den Nationalsozialisten verwendet wurde (u. a. die Wolfsangel). Im Rahmen dieser Symbolik tragen einige Anhänger und Vertreter des Neofolk unter anderem uniformähnliche Kleidungsstücke, Tarnjacken, oder Kleidung im Stil der 1920er und 1930er Jahre. Weitere Kritikpunkte sind die auf dem Sozialdarwinismus beruhenden Äußerungen von Künstlern wie Boyd Rice oder Ian Read, die häufig auftauchende martialische Ästhetik oder die positive Rezeption von Künstlern und Philosophen, die Bezugspunkte zum Nationalsozialismus oder Faschismus aufweisen wie Ernst Jünger, Julius Evola oder Leni Riefenstahl. Besondere Faszination übte auch der Gründer der faschistischen "Eisernen Garde" Corneliu Zelea Codreanu aus, dem sogar ein "Tribut"-Album mit Beteiligung mehrerer Szenegrößen gewidmet war.
Um die Jahrtausendwende führten die Konflikte um mutmaßlich rechte Projekte zu massiven Diskussionen innerhalb der Schwarzen Szene, in der sich Teile der Neofolk-Hörerschaft bewegen (die allerdings selbst insgesamt als unpolitisch einzustufen ist.)
Veranstaltungen
- Wave-Gotik-Treffen Leipzig
- Flammenzauber Heldrungen
Literatur
Bücher
- Diesel, Andreas und Dr. Gerten, Dieter: Looking for Europe - Neofolk und Hintergründe., Zeltingen-Rachtig 2005, ISBN 3936878-02-1
- Speit, Andreas u.a. (Hrsg.): Ästhetische Mobilmachung: Rechtsextreme Tendenzen in der Dark Wave- und Neofolkszene., Münster 2002, ISBN 3897718049
Zeitschriften
- Zwielicht, Zeitschrift für Musik, Kultur und Untergrund. Hrsg. S. Pockrandt, Dresden. [1]
- Zinnober, Zeitschrift für Musik, Subkultur, Literatur und Kulturavantgarde. Hrsg. D. Tischleder u.a., Trier (Erscheinen eingestellt) [2]
- Ikonen, Magazin für Kunst, Kultur und Lebensart, Print - & Onlineausgabe. Hrsg. M. Stiglegger, Wiesbaden ISSN 16109368 [3]
Weblinks
- Fluxeuropa, Englisches Onlinemagazin, wird seit 2005 nicht mehr aktualisiert, es war allerdings das erste seiner Art und umfasst ein sehr großes Band- und Tonträgerarchiv.
- Funprox (Funeral Procession) Englischsprachiges Onlinemagazin aus Holland, welches einen Großteil seiner Berichterstattung dem Neofolk widmet.
- Neo-Form Online-Magazin
- sturmgeweiht.de Umfassende, direkt zu navigierende Datenbank mit einer großen Zahl szenerelevanter Liedtexte.
- "Lichtscheiben über Neuschwabenland"-Story über Neofolk