Marienbader Elegie
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Unter dem Titel „Trilogie der Leidenschaft“ fasst Johann Wolfgang von Goethe 1827 erstmals drei Gedichte zusammen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten und aus verschiedenen Anlässen in den Jahren 1823 und 1824 entstanden sind. Das letzte Gedicht dieser Trilogie bildet die „Marienbader Elegie“, ein Liebesgedicht, dessen Anlass die endgültige Trennung Goethes von Ulrike von Levetzow ist.
Im Sommer 1821 reist Johann Wolfgang von Goethe wegen eines Kuraufenthalts in das böhmische Marienbad. Auf der Suche nach Ablenkung vom tristen Alltag, von Gebrechen des Alters und von der Einsamkeit trifft er auf die 17-jährige naiv-kokette Ulrike von Levetzow, die mit ihrer Mutter und den beiden jüngeren Schwestern den Sommer in Marienbad verbringt. Im fast 72-jährigen Goethe entbrennt eine große Leidenschaft zu dem 54 Jahre jüngeren Mädchen. Blind vor Liebe wagt er zwei Sommer später 1823 das beinahe Undenkbare: Mit Hilfe seines Freundes Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach hält er schriftlich und formell bei Ulrikes Mutter, Amalie von Levetzow, um die Hand des Mädchens an. Carl August unterstützt den Antrag, indem er der Familie ein sorgenfreies Leben an seinem Hof verspricht. „Kein Missbilligen, kein Schelten macht die Liebe tadelhaft“, rechtfertigt Goethe vor Carl August sein Bemühen.
Umso erschütternder ist für den vom Schicksal stets begünstigten Goethe, der sein Leben lang Glück in der Liebe hatte, die höfliche Absage durch Ulrike: „Das Fräulein hätte noch gar keine Lust zu heiraten“ heißt es diplomatisch. Diese größte persönliche Niederlage Goethes wird zugleich zum Höhepunkt seiner Schaffenskraft. Nach dieser bitteren Erfahrung setzt der Liebende seinem entsagungsvollen Liebeserlebnis schon in der Kutsche nach seinem Aufbruch aus Marienbad ein lyrisches Denkmal: Die Marienbader Elegie, ein Klagelied, das laut Goethe „das Produkt eines höchst leidenschaftlichen Zustandes“ ist[1].
Dieses leidvolle Erlebnis ist zugleich die letzte Erfahrung der Liebe in Goethes Leben und besiegelt Goethes Abschied von der Liebe allgemein. Das Schwinden der Liebesfähigkeit des Menschen, der Goethe einen religiösen Rang zuerkennt, ist gleichzusetzen mit dem Tod:
- Mir ist das All, ich bin mir selbst verloren,
- Der ich noch erst den Göttern Liebling war;
- Sie prüften mich, verliehen mir Pandoren,
- So reich an Gütern, reicher an Gefahr;
- Sie drängten mich zum gabeseligen Munde,
- Sie trennen mich, und richten mich zugrunde.
- (Auszug aus der Marienbader Elegie)
Johann Peter Eckermann sieht das Gedicht als persönlichstes Zeugnis von Goethes Leidenschaft:
"Die jugendlichste Glut der Liebe, gemildert durch die sittliche Höhe des Geistes, das erschien mir im Allgemeinen als des Gedichtes durchgreifender Charakter. Übrigens kam es mir vor, als seien die ausgesprochenen Gefühle stärker, als wir sie in anderen Gedichten Goethes anzutreffen gewohnt sind..."[2]
[Bearbeiten] Quelle
- Johann Wolfgang von Goethe, Berliner Ausgabe. Poetische Werke, Band 1, Berlin 1960ff, S. 497–502.
- Onlineversion bei www.zeno.org
[Bearbeiten] Literatur
- Jochen Klauß[Hrsg.], Keine Liebschaft war es nicht – Eine Textsammlung. Manesse, Stuttgart/Zürich 1997, ISBN 3-7175-8224-0
- Friedemann Bedürftig, Die lieblichste der lieblichsten Gestalten – Ulrike von Levetzow und Goethe. Rowohlt Verlag, Reinbek 2005, ISBN 3-499-23849-7
- Dagmar von Gersdorff, Goethes späte Liebe – Die Geschichte der Ulrike von Levetzow. Insel Verlag, Frankfurt am Main, 2005, ISBN 3-458-19265-4
- Astrid Seele: Frauen um Goethe. Rowohlt, Reinbek 2000, ISBN 3-499-50636-X
- Stefan Zweig, Die Marienbader Elegie. In: Sternstunden der Menschheit, Fischer (Tb.), Frankfurt 1964ff. ISBN 978-3596205950
- Martin Walser, Ein liebender Mann. Rowohlt, Reinbek 2008, ISBN 3-4980-7363X
[Bearbeiten] Einzelnachweise
- ↑ Johann Peter Eckermann, Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens, Eintrag vom 16. November 1823, http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=515&kapitel=25&cHash=3caa6cf7792#gb_found
- ↑ Ebd.
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