Leo Baeck
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Leo Baeck (* 23. Mai 1873 in Lissa (Provinz Posen), heute Leszno, Polen; † 2. November 1956 in London) war ein Rabbiner und bekannter Vertreter des deutschen liberalen Judentums.
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[Bearbeiten] Leben
Leo Baeck wuchs in Lissa (damals preußische Provinz Posen, heute: Leszno/Polen) als Sohn des Rabbiners Dr. Samuel Baeck (1837-1912) und seiner Ehefrau Eva geb. Placzek mit vier Schwestern auf. Er besuchte das Johann-Amos-Comenius-Gymnasium seiner Geburtsstadt. Nach einem Studium am konservativen Rabbinerseminar in Breslau, wo er gleichzeitig an der Universität Philosophie studierte, wechselte er 1894 an die liberale Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin, wo er an der Friedrich-Wilhelms-Universität neben Philosophie auch Geschichte und Religionsphilosophie belegte und im Mai 1895 bei Wilhelm Dilthey über Spinozas erste Einwirkungen auf Deutschland promovierte.
1895 nahm er eine Rabbinerstelle in Oppeln an. Dort entstand sein Hauptwerk Das Wesen des Judentums, das 1905 erschien. Darin setzte er sich kritisch mit den Positionen des evangelischen Theologen Adolf von Harnack auseinander und wehrte sich gegen die Darstellung des Judentums als überholter Gesetzesreligion. 1896 heiratete er Nathalie Hamburger, die Enkelin eines Rabbinerkollegen. Von 1907 bis 1912 amtierte er in Düsseldorf. 1912 wurde er Gemeinderrabiner in Berlin (zu der Zeit zählte die Jüdische Gemeinde Berlin ungefähr 150.000 Mitglieder), wo er ab 1913 auch als Dozent an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums wirkte, bis zu deren Schließung durch die Nationalsozialisten am 19. Juli 1942.[1]
Am Ersten Weltkrieg nahm Leo Baeck als Feldrabbiner teil. In der Weimarer Republik wurde er zum bekanntesten Vertreter des liberalen deutschen Judentums und übernahm mehrere repräsentative Ämter in jüdischen Organisationen. So wurde er 1922 Vorsitzender des Allgemeinen Rabbinerverbandes in Deutschland und war von 1925 bis 1937 Präsident der Großloge der deutschen Sektion von B'nai B'rith, die damals mehr als hundert Einzellogen umfasste [2]. Ab 1925 war Leo Baeck Vorsitzender der Zentralwohlfahrtsstelle der deutschen Juden.
1933 wurde Leo Baeck Präsident der Reichsvertretung der Deutschen Juden, die eine Dachorganisation der jüdischen Organisationen darstellte und zu deren Leitung er mit seinen Fähigkeiten zu vermitteln besonders geeignet war. Die Aufgaben der Reichsvertretung in der Zeit der schwersten antisemitischen Verfolgung reichten von der humanitären Unterstützung für die verelendete jüdische Bevölkerung, der Bildung für die aus den Schulen getriebenen Schülerinnen und Schüler bis zur Unterstützung bei der Auswanderung. Die Nazis entzogen ab 1939 anderen jüdischen Einrichtungen die Selbstständigkeit, schufen die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland als Zwangsvereinigung und versuchten über die Gestapo deren Aktivitäten direkt zu kontrollieren. Auch unter diesem Druck lehnte Leo Baeck Angebote zur Emigration ab und unterhielt Kontakte zur Widerstandsgruppe um Carl Friedrich Goerdeler. 1943 wurde Leo Baeck (mit der Nummer: 187 894) wie die meisten anderen Vertreter der Reichsvereinigung in das Konzentrationslager Theresienstadt verschleppt. Die „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“ wurde von der Gestapo geschlossen.
In Theresienstadt wurde Leo Baeck Mitglied im Ältestenrat und kümmerte sich unter schwierigsten Bedingungen um die Gemeinde, unterstützt von Regina Jonas und Viktor Frankl. Außerdem initiierte er zusammen mit Professor Maximilian Adler aus Prag und Professor Emil Utitz aus Halle eine Vortragsreihe, die er selbst mit einem Vortrag über Platon begann. Es existiert eine Liste seiner Vortragsthemen (geschrieben in Sütterlinschrift), auf der genannt sind: Platon, Maimonides, Spinoza, Kant, Mendelssohn, Hermann Cohen, Die jüdische Religionsphilosophie des Mittelalters, Die jüdische Mystik des Mittelalters, Das Problem von Leib und Seele, Die Lebenseinheit in Leib und Seele, Der Sinn der Geschichte, Die Geschichtsschreibung, Die Jahrhunderte von der Zerstörung des ersten bis zu der des zweiten Tempels, Die Zeit der Makkabäer. Soweit bekannt, hielt er seinen letzten Vortrag mit dem Titel Galileo Galilei und das Ende des Mittelalters am 23. Dezember 1944.[3] [4]
Bereits im August 1943 hatte Baeck in Theresienstadt erfahren, dass Auschwitz ein Vernichtungslager war, traf aber die Entscheidung, seinen Mitgefangenen nichts davon zu sagen. Er überlebte (schwer misshandelt, seine vier Schwestern waren im Ghetto umgekommen) den Holocaust und siedelte am 5. Juni 1945 nach London um. Dort wirkte er als Präsident der von ihm 1924 mitbegründeten Weltunion für progressives Judentum; ein Amt, in das er bereits 1938 gewählt worden war und das er bis 1955 ausübte. 1947 gründete er das später nach ihm benannte „Institut zur Erforschung des Judentums in Deutschland seit der Aufklärung“. 1948 bis 1953 übernahm er zudem eine Professur am Hebrew Union College in Cincinnati.
Er starb am 2. November 1956 in London und ist in Golders Green begraben.
[Bearbeiten] Namensverwendung
Der Name Leo Baeck wird heute von einer Vielzahl von Institutionen als Erinnerung an ihn im Namen verwendet: Schulen, Logen, Synagogen und Gemeindezentren auf der ganzen Welt. Hier sind einige wichtige Einrichtungen genannt.
- 1938 gründete Rabbiner Dr. Meir Elk in Haifa das Leo-Baeck-Erziehungszentrum.
- Das Leo Baeck Institut hat Standorte in New York, Jerusalem und London sowie eine Arbeitsgemeinschaft in Berlin, seit 1978 vergibt es in unregelmäßigen Abständen die Leo-Baeck-Medaille.
- Seit 1956 vergibt der Zentralrat der Juden in Deutschland den Leo-Baeck-Preis an Personen, die sich für die Ideale von Baeck einsetzen ("um Religiosität, Achtung vor Geisteswissenschaft, Wohltätigkeit und Humanität fortzupflanzen"). Auch das Gebäude des Zentralrats der Juden in Berlin, der frühere Sitz der von Baeck zuletzt geleiteten Hochschule (Lehranstalt) für die Wissenschaft des Judentums, wurde nach ihm benannt.
- Das Leo Baeck College in London ist ein Rabbinerseminar für das progressive Judentum in Großbritannien, das 1956 gegründet wurde.
- Die Leo Baeck Foundation in Potsdam wurde aus Anlass des 50. Todestages Leo Baecks mit Billigung seiner Familie zur Jahreswende 2005/06 errichtet. Sie widmet sich der Förderung des Abraham-Geiger-Kollegs an der Universität Potsdam und damit der Ausbildung von Rabbinern und Gemeindepersonal für Kontinentaleuropa sowie dem Dialog zwischen den Religionen.
[Bearbeiten] Zitate
„Für uns Juden in Deutschland ist eine Geschichtsepoche zu Ende gegangen. Eine solche geht zu Ende, wenn immer eine Hoffnung, ein Glaube, eine Zuversicht endgültig zu Grabe getragen werden muß. Unser Glaube war es, dass deutscher und jüdischer Geist auf deutschem Boden sich treffen und durch ihre Vermählung zum Segen werden könnten. Dies war eine Illusion - die Epoche der Juden in Deutschland ist ein für alle Mal vorbei.“ (Leo Baeck nach seiner Befreieung aus dem KZ Theresienstadt, New York 1945 - zitiert in Nachum T. Gidal, „Die Juden in Deutschland von der Römerzeit bis zur Weimarer Republik“, S. 426)
[Bearbeiten] Werke
von Leo Baeck
- Das Wesen des Judentums (1905, 6. Aufl. 1960)
- Die jüdische religiöse Erziehung
- Dieses Volk - jüdische Existenz (1955)
- Romantische Religion (1922)
- Die Pharisäer (1937)
- Religion und Weltfriede: Überwindung der Kriege ; Sammelschrift mit Beitr. / von Leo Baeck ; Günther Dehn ; Alfred Klee ... Hrsg. von d. Arbeitsgemeinschaft d. Konfessionen f. d. Frieden, 1930
- Chaim Nachman Bialik. Eine Einführung in sein Leben und sein Werk. (1935)
- Das Evangelium als Urkunde der jüdischen Glaubensgeschichte (1938)
- Der Sinn der Geschichte (1946)
- Maimonides, der Mann, sein Werk und seine Wirkung (1954)
- Aus drei Jahrtausenden. Wissenschaftliche Untersuchungen und Abhandlungen zur Geschichte des jüdischen Glaubens. (1958)
- Von Moses Mendelssohn zu Franz Rosenzweig: Typen jüdischen Selbstverständnisses in den letzten beiden Jahrhunderten (1958)
- Paulus, die Pharisäer und das Neue Testament. (1961)
- Vortrage und Ansprachen Mit einem geleitwort von Dr. Leo Baeck. Herausgegeben von der Grossloge Deutschland VIII U. O. B. B. Zweite, Verbesserte Auflage, Stein, Maximilian; Baeck, Leo [foreword]
- Zum 50jährigen Bestehen des Ordens Bne Briss in Deutschland. U.O.B.B. (Enthält außerdem: Alfred Goldschmidt : Der deutsche Distrikt des Ordens Bne Briss. Arthur Löwenstamm : Soziologie der Loge. Bruderworte, zusammengestellt von Paul Rosenfeld.) Baeck, Leo (Einleitung)
- Geschichte der Juden, 3 Bände (1954-1959, 1965)
- Werke, 6. Bände, Gütersloh 1998 - 2003
über Leo Baeck
- Albert H. Friedlander: Leo Baeck: Teacher of Theresienstadt, Verlag: Overlook Press; Auflage: Reprint der Ausgabe 1973 (Juli 1991), engl., ISBN 978-0-87951-393-1 (13)
- Albert H. Friedlander: Leo Baeck, Leben und Lehre, Stuttgart 1973
- Walter Homolka: Jüdische Identität in der Modernen Welt - Leo Baeck und der deutsche Protestantismus, Gütersloh 1994, ISBN 3-579-00259-7
- Walter Homolka: Jüdisches Denken - Leo Baeck, Perspektiven für heute, Herder spektrum, Freiburg 2006, ISBN 978-3-451-05728-1
- Walter Homolka, Elias H. Füllenboch, Leo Baeck - Eine Skizze seines Lebens, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, 2006, ISBN 978-3-579-06429-1
- Ralf Koerrenz: Das Judentum als Lerngemeinschaft. Zur Konzeption einer pädagogischen Religion bei Leo Baeck. Weinheim 1992
[Bearbeiten] Vorträge
- Geist und Blut. Vortrag, gehalten auf der Jubiläumstagung der Gesellschaft für Freie Philosophie in Darmstadt am 25. November 1930. (Berlin, Philo-Verlag, 1931. Gr.-8vo. 14 S. Orig.-Broschur. (Morgenreihe 9. Schrift).)
- Der Sinn der Geschichte. Drei Vorträge aus der Sendereihe 'Lebendiges Abendland' des Deutschen Dienstes des Londoner Rundfunks (5., 12. und 19. Mai 1946). Baeck, Leo.
- Maimonides, der Mann, sein Werk und seine Wirkung, Vortrag, anlässlich der Gedenkfeier zur 750. Wiederkehr des Todestages des großen Gelehrten Moses Maimonides am 7. Juli 1954 in Düsseldorf
[Bearbeiten] Weblinks
- Leo Baeck Education Center Haifa
- Freunde und Förderer des Leo Baeck Instituts e.V.
- Leo-Baeck-Preis
- Vita von Leo Baeck
- Leo Baeck Foundation
- Deutsches Historisches Museum: Biografische Datenliste Leo Baecks
- Friedrich Wilhelm Bautz: Leo Baeck. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Bd. 1, Hamm 1975, ISBN 3-88309-013-1, Sp. 334–335.
- Archiv des Leo Baeck Instituts, Jüdisches Museum Berlin
- Rabbiner in Berlin: Leo Baeck
- The Leo Baeck Institute (englisch)
- Leo Baeck College Center for Jewish Education (englisch)
- Leo Baeck in einem Artikel von Julius H. Schoeps
- Leo Baeck-Dokumente des Center for Jewish History, Leo Baeck Institut
- Literatur von und über Leo Baeck im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Artikel
- Arno Lustiger: Der Hirte der Verfolgten, FAZ vom 5. November 2007.
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Walter Homolka, Elias H. Füllenboch, Leo Baeck - Eine Skizze seines Lebens, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, 2006
- ↑ Dr. E. G. Lowenthal
- ↑ Liste der Vortragenden im Ghetto Theresienstadt
- ↑ Elena Makarova, Sergei Makarov, Victor Kuperman: University Over the Abyss, The story behind 520 lecturers and 2,430 lectures in KZ Theresienstadt 1942-1944, Second Edition, Verba Publishers Ltd., Jerusalem 2004, ISBN 965-424-049-1
Personendaten | |
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NAME | Baeck, Leo |
KURZBESCHREIBUNG | Rabbiner und Vertreter des liberalen Judentums |
GEBURTSDATUM | 23. Mai 1873 |
GEBURTSORT | Leszno |
STERBEDATUM | 2. November 1956 |
STERBEORT | London |