Landauer
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Ein Landauer ist eine viersitzige und vierrädrige Kutsche mit einem meist in der Mitte geteilten, klappbaren Verdeck. Es handelt sich um eine sog. „konvertible“ Kutsche, d.h. sie lässt sich von einem offenen in einen vollständig geschlossenen Wagen umwandeln. Der Verdecktyp ist mindestens seit dem 17. Jahrhundert bildlich belegt. Durch die Verbindung mit der im oder vor dem 17. Jahrhundert mutmaßlich in Frankreich entwickelten Federung der halboffenen Berline wurde der Landauer im 18. und 19. Jahrhundert in allen europäischen Ländern zum bevorzugten Reisewagen und Statussymbol der begüterten Kreise. Vom Landauer abgeleitet ist die Bauform des Landaulet, bei dem nur die hintere Hälfte des Verdecks zu öffnen ist.
[Bearbeiten] Etymologie
Die Herkunft der Bezeichnung Landauer ist strittig und nach Lage der bekannten Belege nicht ganz sicher zu entscheiden.
Ableitungen aus dem Deutschen bringen den Kutschnamen mit dem Ortsnamen Landau, und dann besonders mit Landau in der Pfalz (siehe auch Landau an der Isar), in Verbindung. Dort sollen Wagen dieses Typs zuerst oder in besonderer Qualität gebaut worden sein, wie auch Goethe es andeutet, wenn in Hermann und Dorothea der „erste Kaufmann“ des rechtsrheinischen Schauplatzes im „geöffneten Wagen (er war in Landau verfertigt)“ (1,56) fährt. Oder der Name soll entstanden sein, als König Joseph I. 1702 von Wien nach Landau in der Pfalz fuhr, um dort den Oberbefehl bei der Belagerung dieser damals französischen Grenzfestung zu übernehmen: der seinerzeit aufsehenerregende Vorgang, bei dem der König mit einem Gefolge von über 250 Personen in 77 Kutschen die Strecke in 14 Tagesetappen zurücklegte, soll den dabei verwendeten Reisewagen neuartigen Typs in der Folgezeit dauerhaft mit dem Namen Landaus verknüpft haben.
Eine „arabische“ Herkunftsthese leitet den Namen dagegen aus arabisch al-andul („Sänfte, Wagen“, von altindisch hindola „Schaukel“) ab: das Wort soll aus dem Arabischen in der Form lando („viersitziger Maultierkarren“) ins Spanische übernommen, von dort in der Form landau ins Englische, Französische und Deutsche gewandert und im Deutschen dann erst durch volksetymologische Umdeutung mit dem Ortsnamen Landau in Verbindung gebracht und zu Landauer umgeformt worden sein.
Die arabische Herleitung bietet den Vorteil, dass sie ohne anekdotische (Reise Josephs I. nach Landau) oder historisch fragwürdige (Entstehung des Landauers im pfälzischen Landau) Voraussetzungen auskommt. Sie steht jedoch im Widerspruch zur Chronologie der bekannten Belege: da das Wort als Kutschname im Deutschen bereits 1723 (englisch 1743), im Spanischen aber erst 1830 belegt ist, ist als wahrscheinlicher anzunehmen, dass es nicht aus dem Arabischen, sondern aus dem Französischen (1814) ins Spanische übernommen wurde und also in letzter Instanz vermutlich doch aus dem deutschen Ortsnamen abzuleiten ist.
[Bearbeiten] Literatur
- Friedrich Kluge, Elmar Sebold (Bearb.): Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. de Gruyter, Berlin & New York, 23. erw. Auflage 1995, ISBN 3-11-012922-1
- Nabil Osman: Kleines Lexikon deutscher Wörter arabischer Herkunft. Verlag C. H. Beck, München 1982, 7. Aufl. 2003, ISBN 3-406-47584-1
- Paul Jäger, Rudolf Wackernagel, Albert Fritz: Der Landauer, ein europäischer Reisewagen. Pfälzische Verlagsanstalt, Landau 1985
- Karl Lokotsch: Etymologisches Wörterbuch der europäischen (germanischen, romanischen und slavischen) Wörter orientalischen Ursprungs. Winter, Heidelberg 1925 (= Indogermanische Bibliothek, 1. Abt., II. Reihe, Bd.3)