Josef Kohler

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Josef Kohler (* 9. März 1849 in Offenburg; † 3. August 1919 in Charlottenburg) war ein deutscher Jurist.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Leben

Er war der Sohn eines Volksschullehrers, studierte an den Universitäten Heidelberg und Freiburg und wurde 1873 promoviert. Ein Jahr später wurde er Kreisgerichtsrat in Mannheim. Auf Grund einer 1878 veröffentlichten Darstellung des Patentrechts wurde er im gleichen Jahr an die Universität Würzburg berufen. Von dort wechselte er 1888 an die Universität Berlin, wo er Professor für Bürgerliches Recht, Handels- und Strafrecht, Zivilprozess und Rechtsphilosophie wurde.

[Bearbeiten] Werk

Die Werkliste Josef Kohlers umfasst ca. 2.500 Titel und weist ihn als äußerst fruchtbaren und vielseitigen Gelehrten aus. Sein besonderer Schwerpunkt war die vergleichende Rechtswissenschaft, die er auch schon in seinem Frühwerk von 1878 anwendet. Sie führte ihn auch zur ethnologischen Betrachtung von außereuropäischen Rechten. Bereits in diesem Jahr war er Mitbegründer der Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft. Seit 1909 gab er darüber hinaus zusammen mit Ernst Rabel die Rheinische Zeitschrift für Zivil- und Prozessrecht, eine rechtsvergleichende deutsch-französische Zeitschrift heraus.

Auf dem Gebiete des Patentrechts begründete er die Erschöpfungslehre, nach der die Rechte aus einem Patent erlöschen (erschöpft sind), wenn der geschützte Gegenstand mit Zustimmung des Patentinhabers im Inland in Verkehr gebracht wurde, → Patent. Seine Definition des Patents wurde noch 1959 in das japanische Patentgesetz übernommen. (Wikipedia englisch: Japanese patent law)

Ausgehend von seinen Forschungen zum Patentrecht widmete er sich auch dem Urheberrecht, wo er mit dem von ihm geprägten Begriff Immaterialgüterrecht den bis dahin rein vermögensrechtlichen Ansatz um persönlichkeitsrechtliche Aspekte ergänzte. Seine Lehre setzte sich gegen die von Rudolf Klostermann auf das Naturrecht gegründete Theorie vom geistigen Eigentum durch.

Er widmete sich auch besonders den Rechtsquellen, von denen er auch kritische Editionen erstellte. So gab er u.a. 1900 zusammen mit Willy Scheel das Strafgesetzbuch Constitutio Criminalis Carolina heraus, beteiligte sich aber auch an Editionen assyrischer, babylonischer und altgriechischer Rechtstexte.

In seinen späteren Jahren wandte er sich der Rechtsphilosophie zu. Seine Überlegungen führten im Anschluss an Gedanken von Hegel und Schopenhauer zu einer kulturwissenschaftlichen Interpretation des Rechts, das er als Naturrecht der jeweiligen Kulturperiode auffasste. 1907 war er zusammen mit Fritz Berolzheimer Begründer des Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie. Zwei Jahre später war er Mitbegründer der Internationale Vereinigung für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie (seit 1933: Internationale Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie).

Sein umfassender Überblick über die Rechtswissenschaft qualifizierte ihn nach dem Tode von Franz von Holtzendorff zum Herausgeber der Neubearbeitung von dessen Encyklopädie der Rechtswissenschaft, die 1904 erstmals und 1917 in zweiter Auflage erschien.

Sein Interesse an der Literatur führte ihn einerseits zu juristischen Betrachtungen über literarische Werke, z.B. von Shakespeare. Er war aber auch selbst literarisch tätig und veröffentlichte u.a. Nachdichtungen von Werken von Dante Alighieri und Francesco Petrarca, aber auch der Gedanken von Laotse. Ein Theaterstück ist ebenfalls von ihm überliefert. Schließlich verfasste er auch eine Reihe von Beiträgen zu kulturellen Themen.

[Bearbeiten] Der "Briefmarken-"Kohler

Quellenangaben
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Eine von Josef Kohler selbst wohl als Nebenwerk eingestufte Veröffentlichung hat über den rechtswissenschaftlichen Nachruhm hinaus dauernde und aktuelle Bedeutung noch in der heutigen Rechtspraxis behalten, nämlich sein Aufsatz über Post-Briefmarken von 1892, acht Jahre vor Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetz-Buches (BGB) von 1900. Dieser Aufsatz ist praktisch die erste umfassende Arbeit über den Rechtscharakter der 1892 50jährigen Briefmarke, der sowohl für das Zivil- als auch das Strafrecht von grundlegender Bedeutung ist. Kohler charaterisierte den Erwerb einer Briefmarke auf der Post als Kauf einer bürgerlich-rechtlichen Urkunde im Sinne eines Inhaber-Papieres, das einen schuldrechtlichen Anspruch verbriefe. Strafrechtlich unterlägen sie damit dem Recht der Urkundenfälschung. Josef Kohler prägte damit die herrschende Meinung der deutschen Rechtswissenschaft und -praxis für eine ganze Generation. Zuletzt wurde Kohlers privatrechtliche Briefmarkentheorie im Deutschen Reich 1929 von dem Hamburger Juristen Oswald Lassally, später Mitbegründer des Lärmbekämpfungsrechts in der Bundesrepublik Deutschland (Siehe Wikipedia: Lärmbekämpfung) in seinem Aufsatz in der Fachzeitschrift "Juristische Rundschau" (1929) vertreten.

In den 1930er Jahren setzte jedoch im Deutschen Reich eine zunehmende zentralistische Verstaatlichungs- und Bürokratisierungs-Mentalität des allgemeinen Lebens ein. In derem Zuge wurde der Erwerb einer Post-Briefmarke zum öffentlöich-rechtlichen Anstalts-benutzungsverhältnis, zum Verwaltungsakt und die Briefmarken selbst zu geldähnlichen hoheitlichen "amtlichen Wertzeichen" unter dem neuen amtlichen Fachbegriff "Postwertzeichen" erklärt, die nicht mehr unter das bürgerliche Recht fielen, keine Urkunden mehr waren, die nicht mehr dem Strafrecht der Urkundenfälschung, sondern dem der Geld- und Wertzeichenfälschung unterlagen. Dadurch war die Lehrmeinung Kohlers überholt und obsolet, aber nicht vergessen. Es zeugt von seiner grundlegenden Bedeutung, dass auch während der rund 70 Jahre währenden Epoche der öffentlich-rechtlichen Postwertzeichen die dogmatische Pionierleistung Kohlers regelmäßig mit dem Vermerk "anderer Ansicht Kohler... und O. Lassally..." in einer Klammer oder Fußnote auch den neueren Juristen-Generationen immer präsent blieb.

Eine völlig überraschende Renaissance erlebten Josef Kohler und auch Oswald Lassally, als mit der sog. "Postprivatisierung" 1994 das seit Jahrhunderten hoheitliche Postwesen ("Postregal") in die privatwirtschaftliche "Deutsche Post AG" umgewandelt wurde. 1998 stellte der Jurist Gerold Schmidt, der das von Kohler begründete Spezialgebiet des Briefmarkenrechts fast als Einziger durch mehrere strafrechtliche Arbeiten weiter gepflegt hatte, fest, dass der Erwerb der von der privatwirtschaftlichen Post-Aktiengesellschaft herausgegebenen Marken ein bürgerlich-rechtlicher Kauf und die Marken selbst bürgerlich-rechtliche kleine Inhaber-Papiere gem. § 807 BGB seien. Diese anfänglich sensationelle Rechtsänderung wurde dann 2004/05 zuerst vom OLG Köln und dann vom Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt, der sich ausdrücklich auf Joseph Kohler und seine Veröffentlichung von 1892 berief. Diese war nach einem Jahrhundert - mit einer "Pause" von rd. 70 Jahren wieder so aktuell und modern wie damals - eine in der Rechtsgeschichte seltener, wenn nicht einmalige Auszeichnung.

[Bearbeiten] Werke in Auswahl

  • Studien über Mentalreservation und Simulation. In: Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts 16 = NF 4 (1878) S. 91
  • Deutsches Patentrecht : systematisch bearbeitet unter vergleichender Berücksichtigung des französischen Patentrechts. Mannheim: Bensheimer, 1878 (862 S.)
  • Das Autorrecht : eine zivilistische Abhandlung ; zugleich ein Beitrag zur Lehre vom Eigenthum, vom Miteigenthum, vom Rechtsgeschäft und vom Individualrecht. Sonderdruck aus Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts, Bd. 18 = N.F. 6 (1880) (Diss., 352 S.)
  • Aus dem Babylonischen Rechtsleben (zusammen mit Felix Peiser). Leipzig: Pfeiffer, 1890
  • Altindisches Prozessrecht : mit einem Anhang: Altindischer Eigenthumserwerb. Stuttgart: Enke, 1891 (56 S.)
  • Lehrbuch des Konkursrechts. Stuttgart: Enke, 1891 (732 S.)
  • Das literarische und artistische Kunstwerk und sein Autorschutz : Eine juridisch-ästhetische Studie. Mannheim: Bensheimer, 1892 (204 S.)
  • Das Recht der Azteken. Stuttgart: Enke, 1892 (160 S.)
  • Melusine : dramat. Dichtung in 3 Akten. Mannheim: Bensheimer, 1896
  • Handels- und Seerecht und Binnenschiffahrtsrecht. Berlin, 1896 (385 S.)
  • Zur Urgeschichte der Ehe : Totemismus, Gruppenehe, Mutterrecht. Stuttgart: Enke, 1897 (167 S.)
  • Das Strafrecht der italienischen Statuten vom 12. - 16. Jahrhundert. Mannheim: Bensheimer 1890-1897 (742 S.)
  • Handbuch des Deutschen Patentrechts in rechtsvergleichender Darstellung. Mannheim: J. Bensheimer, 1900 (971 S.)
  • Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. von J. Kohler und Willy Scheel. Halle a. S.: Buchh. des Waisenhauses, 1900
  • Freie Nachdichtung der Divina Commedia : Dantes heilige Reise. Berlin ; Köln ; Leipzig, 1901 (3 Bde.)
  • Einführung in die Rechtswissenschaft. Leipzig: Deichert, 1902 (208 S.)
  • Aus Petrarcas Sonettenschatz : Freie Nachdichtungen. Berlin: G. Reimer, 1902
  • Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht. Stuttgart, 1906
  • Darstellung des talmudischen Rechtes. Berlin, 1907
  • Des Morgenlandes grösste Weisheit. Laotse. Berlin u.a.: Rothschild. 1908 (92 S.)
  • Aus vier Weltteilen : Reisebilder. Berlin ; Leipzig: Rothschild, 1908 (185 S.)
  • Lehrbuch der Rechtsphilosophie. 1909. – 2. Auflage 1917. – 3. Auflage, bearbeitet von Arthur Kohler (Sohn) 1923
  • Recht und Persönlichkeit in der Kultur der Gegenwart. 1914
  • Internationales Strafrecht. Stuttgart: Enke, 1917 (276 S.)
  • Grundlagen des Völkerrechts. Stuttgart 1918 (250 S.)
  • Shakespeare vor dem Forum der Jurisprudenz. Berlin [u.a.] : Rotschild. - 2. Auflage 1919 (366 S.) – Digitalisat
  • Aequitas gegen res judicata. Archiv für die Civilistische Praxis, 114. Band, J.C.B.Mohr 1916

[Bearbeiten] Literatur

  • Klaus Luig: Kohler, Josef. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Bd. 12, Berlin 1980, S. 425 f.
  • Adalbert Erler, Joseph Kohler, in: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte (HRG), II.Bd, Berlin (Erich Schmidt Verlag)1992, Sp. 925-927
  • Gerold Schmidt, Verstößt die Ausgabe hoheitlicher "Postwertzeichen" gegen Art. 87f GG?, in: NJW 51.Jg./1998, S. 200-204
  • BGH Urt. v. 11.10.2005 - XI. ZR 395/04 (OLG Köln), in: NJW 2006, S. 54-56 = JZ 2006, S. 368
  • OLG Köln, Urt. v.25.11.2004 - 14U15/04, in: Justiz-Ministerialblatt NRW JG 2005 S. 117-119
  • Adrian, Johann u.a. (Hrsg.): Josef Kohler und der Schutz des geistigen Eigentums in Europa. Berlin: Berlin-Verl. Spitz, 1996 (145 S.)
  • Dölemeyer, Barbara: "Das Urheberrecht ist ein Weltrecht". Immaterialgüterrecht und Rechtsvergleichung bei Josef Kohler. In: Historische Studien zum Urheberrecht in Europa, hg. von Elmar Wadle, Berlin 1993 (Schriften zur Europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte Band 10), S. 139-150
  • Kelsen, H.: Hundredth Birthday of Josef Kohler. In: American Journal of International Law, Vol. 43, No. 2 (Apr. 1949), pp. 346-347
  • Kohler, Arthur u.a.: Josef-Kohler-Bibliographie : Verzeichnis aller Veröffentlichungen und hauptsächlichen Würdigungen ; mit einem Bild Josef Kohlers von Alfred Enke. Berlin Grunewald: Rothschild, 1931 (160 S.)
  • Kreimer, Rolf: Josef Kohler. In: Bernhard Großfeld (Hrsg.) Rechtsvergleicher - verkannt, vergessen, verdrängt, Münster u.a. 2000, S. 145ff.
  • Luig, Klaus: Joseph Kohler. In: Michael Stolleis (Hrsg.), Juristen, München:Beck 1995, S. 351-352 (mit der falschen Vornamensform "Joseph")
  • Nies, Kirsten: Wissenschaft in Berlin: Der Rechtsgelehrte Josef Kohler – Prophet einer Epoche?. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins, 2007 II.
  • Osterrieth, Albert: Josef Kohler, ein Lebensbild. Berlin 1920
  • Spendel, Günter: Josef Kohler : Bild eines Universaljuristen. Heidelberg 1983
  • Spendel, Günter: Josef Kohler (1848-1919). In: Lebensbilder bedeutender Würzburger Professoren, 1995, S. 178-203
  • Spendel, Günter: Josef Kohler (1848-1919). In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung, 113 (1996) 434ff.

[Bearbeiten] Weblinks