Gruppenbeitragsmethoden
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Gruppenbeitragsmethoden (auch als Fragmentmethoden bezeichnet) sind ein in der Technischen Chemie weit verbreitetes Verfahren zur Abschätzung von Stoffdaten.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Verfahren
Chemische Eigenschaften, die etwa in der Prozesssimulation benötigt werden, sind immer Eigenschaften eines Stoffes oder einer Mischung von Stoffen. Da es eine nahezu unendliche und exponentiell weiter ansteigende Anzahl reiner Stoffe und Mischungen gibt, sind Gruppenbeitragsmethoden entwickelt worden, die Stoffeigenschaften nicht mehr den ganzen Stoffen zuordnen, sondern Fragmenten.
Der erzielte Effekt ist, dass aus wenigen Gruppeneigenschaften, typischerweise ein Dutzend bis wenige hundert, die Stoffdaten für viele tausend Substanzen und deren Mischungen bestimmt werden können.
Diese Fragmente (die Gruppen) sind im allgemeinen die funktionellen Gruppen eines Moleküls, wie etwa die Alkoholgruppe (-OH), die Amingruppe (-NH2) oder die Carboxylgruppe (-COOH). Häufig werden als Gruppen auch andere Molekülmerkmale hinzugenommen, wie etwa ortho-/meta-/para-Stellungen an Aromaten, Ringgrößen und Kettenlängen.
[Bearbeiten] Reinstoffeigenschaften
Eine Eigenschaft, hier als Beispiel der kritische Druck, wird über die Summe der Beiträge Gi errechnet.
Typischer werden Reinstoffgrößen wie kritische Temperatur, kritischer Druck, kritisches Volumen, Normalsiedepunkt, Wärmekapazitäten, Viskositäten, Phasenübergangswärmen über diese einfache Beziehung abgeschätzt.
[Bearbeiten] Gemischeigenschaften
Bei Modellen, die Eigenschaften von Mischungen abschätzen, werden häufig nicht allein die Summen der Gruppenbeiträge verwendet, sondern Gruppenwechselwirkungsparameter Gij und Gji verwendet.
Eine Eigenschaft, die typischerweise durch Gruppenwechselwirkungsmodelle wie UNIFAC oder ASOG berechnet wird, ist der Aktivitätskoeffizient γ.
Eine negative Auswirkung der Verwendung von Gruppenwechselwirkungen ist die massive Erhöhung der benötigten Parameter. Für 10 Gruppen werden bspw. bereits 2 * 45 Wechselwirkungsparameter benötigt. Daher sind Gruppenwechselwirkungsmodelle zumeist nicht vollständig parametrisiert.
[Bearbeiten] Bestimmung der Gruppenbeiträge
Die Gruppenbeiträge werden üblicherweise direkt an experimentell ermittelte Stoffdaten mittels multilinearer oder nichtlinearer Regression angepasst. Nichtlineare Regressionen stellen in aller Regel multimodale Optimierungsprobleme dar, also Optimierungsprobleme mit mehr als einem Optimum im betrachteten Lösungsraum. Zur Anpassung von Gruppenwechselwirkungsparametern werden daher oftmals Evolutionäre Algorithmen (z.B. (verschachtelte) Evolutionsstrategien, Genetische Algorithmen, etc.) eingesetzt, da deterministische Optimierungsalgorithmen in der Regel nicht in der Lage sind, das globale Optimum (bei Regressionen: Minimum) zu finden.
Als Datenbasis experimentell ermittelter Stoffdaten dienen z.B. Faktendatenbanken wie Beilstein, die Dortmunder Datenbank oder die DIPPR 801-Datenbank. Oftmals werden auch zur Ergänzung experimentelle Messungen durchgeführt, wenn es Lücken in der betrachteten Gruppenwechselwirkungsmatrix gibt oder Gruppenbeitragsmethoden zusätzlich eine Temperatur- und/oder Druckabhängigkeit beschreiben.
[Bearbeiten] Literatur
- Bruce E. Poling, John M. Prausnitz, John P. O'Connell, „The Properties of Gases and Liquids“, McGraw-Hill Publishing Co., 5th Edition
- Jürgen Gmehling, Bärbel Kolbe, „Thermodynamik“, Georg-Thieme-Verlag, 1988
- Peter Ulbig, Gruppenbeitragsmodelle UNIVAP & EBGCM, Gelsenkirchen, 1996, ISBN 3-920088-70-0
- Hannes Geyer, Entwicklung und Untersuchung von Gruppenbeitragsmethoden zur Vorhersage thermodynamischer Stoffgrößen unter Verwendung von Methoden der Computational Intelligence, Shaker, Aachen, 2000, ISBN 3-8265-7000-6