Flaggenstreit zwischen den USA und Panama 1964
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Vom 9. bis 11. Januar 1964 kam es in der Panamakanalzone im Laufe von Auseinandersetzungen in der sogenannten Flaggen-Frage zu anti-amerikanischen Demonstrationen und Ausschreitungen, in deren Verlauf vier US-Soldaten starben und 34 verwundet wurden. Auf panamaischer Seite starben 23 Personen und 200 wurden verletzt. Panama brach am 10. Januar 1964 die diplomatischen Beziehungen zu den USA ab; am 3. April 1964 wurde die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen vereinbart. Die Vorgänge sind als Día de los Mártires bzw. Martyrs’ Day in die Geschichte eingegangen.
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[Bearbeiten] Anlass und Verlauf der Ausschreitungen
Kernstück der Beziehungen zwischen den USA und Panama und Ausgangspunkt aller Streitigkeiten zwischen beiden Staaten war die Frage, wer die Souveränität über die Panama-Kanal-Zone innehaben sollte (Panama-Kanal-Frage).
In der Zeit vom 7. bis 9. Januar 1964 hissten Schüler von US-Schulen (u.a. Canal Zone Junior College, Balboa High School, Cristobal High School) in der Kanalzone unter Missachtung der bestehenden Vereinbarungen an verschiedenen Stellen die amerikanische Flagge. Dagegen demonstrierten zunächst panamaische Studenten der Elitehochschule Instituto Nacional, die mit Gewalt die panamaische Flagge aufzogen. Ihnen schlossen sich andere Demonstranten an und es kam zu einem Marsch von 150 bis 200 Personen in die Kanalzone.
Am 9. Januar 1964 kam es erstmals zu Schießereien und die Kanal-Polizei tötete den 20-jährigen Studenten Ascanio Arosemena. Die Demonstration eskalierte. Autos von US-Soldaten oder Mitarbeitern der Kanalzone wurden in Brand gesetzt, Häuser beschädigt oder auch in Brand gesetzt, u.a. ein Gebäude der US-Fluggesellschaft PanAmerican. Da die 70 Mann starke Polizei der Kanalzone die Situation nicht mehr kontrollieren konnte und viele Polizisten verletzt wurden, ersuchte der amtierende Gouverneur Generalmajor Robert J. Fleming, Jr. die in der Panama-Kanalzone stationierten US-Streitkräfte des US Southern Command unter der Führung des US-Generals Andrew P. O'Meara, um Übernahme der Sicherung der Kanalzone und um Wahrung der Ordnung.
Nach US-Militärangaben befanden sich unter den Demonstranten auch von Kuba ausgebildete Provokateure, die mit Handgranaten und Gewehren bewaffnet waren und auch selbstgebastelte Bomben in die Kanalzone brachten. Die US-Streitkräfte, unter anderem Soldaten der 193. US-Infanteriebrigade unter der Führung von Brigadegeneral George Mabry, übernahmen die Befehlsgewalt der Kanalpolizei und bekämpften die Demonstranten mit Tränengas und Waffengewalt. Die US Army setzte außerdem gepanzerte Truppentransporter ein und rief die jetzt bis zu 3.500 teilweise bewaffneten Demonstranten auf, sich zurückzuziehen.
Die Gewalt eskalierte und die US Army tötete das auf einem Balkon stehende 11-jährige Mädchen Rosa Elena Landecho durch Gewehrfeuer. Der 33-jährige Rodolfo Sanchez wurde in einem Auto erschossen. Zu den namentlich bekannten Opfer zählen auch der 14-jährige Schüler Gonzalo France und der 29-jährige Taxifahrer Victor Garibaldo. Nach offiziellen Angaben kamen in den drei Tagen 4 US-Soldaten und 23 panamaische Zivilisten um.
Am 10. Januar 1964 brach die panamaische Regierung unter Präsident Roberto Francisco Chiari Remón (1905-1981) die diplomatischen Beziehungen zu den USA ab. Chiari lehnte auch den Einsatz der Nationalgarde gegen die Demonstranten ab und wollte den US-Präsidenten zu weiteren Zugeständnissen bezüglich der Kanal-Zone bewegen und bat um Entsendung eines US-Gesandten. Chiari, der als pro-amerikanisch galt, stand kurz vor den Präsidentschaftswahlen und wollte sich mit seiner starren Haltung profilieren. Die US-Botschaft in Panama-Stadt wurde am gleichen Tage evakuiert.
Durch die Krise verließen 2.000 US-Bürger Panama und flohen in die Kanalzone. Am 13. Januar 1964 beruhigte sich die Lage und die Mitarbeiter der US-Botschaft kehrten wieder in ihr Gebäude zurück.
[Bearbeiten] Bemühungen um die Beilegung des Konflikts
US-Präsident Lyndon B. Johnson verhandelte am 10. Januar 1964 telefonisch mit dem panamaischen Präsidenten Francisco Chiari Remón, der um die Entsendung einer US-Sondermission nach Panama bat. Die Kommission, welcher der Unterstaatssekretär für lateinamerikanische Angelegenheiten Thomas C. Mann und der Staatssekretär für die Armee Cyrus Vance angehörten, reiste am gleichen Tage ab.
In der Nacht zum 11. Januar 1964 trat auf Ersuchen Panamas der UN-Sicherheitsrat zu einer Sondersitzung zusammen, beschloss jedoch nach kurzer Debatte die Vermittlungsergebnisse der OAS (Organisation Amerikanischer Staaten) abzuwarten.
Am 13. Januar 1964 traf eine OAS-Friedensmission in Panama ein. In Verhandlungen mit der panamaischen Regierung wurde die Einrichtung einer gemischten Kommission zur Wiederherstellung des Friedens und zur indirekten Aufrechterhaltung der diplomatischen Beziehungen beschlossen. Im Laufe dieser Verhandlungen erhob Panama die Forderung, als Vorausbedingung für die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen müssten die USA ihre Bereitschaft zur Revision der Panamakanal-Verträge erklären, während die US-Regierung feststellte, sie sei nicht bereit, die diplomatischen Beziehungen unter Druck wieder aufzunehmen, wohl aber, nach Wiederaufnahme der Beziehungen in Verhandlungen ohne Einschränkung einzutreten.
Am 15. Januar 1964 veröffentlichte die OAS-Friedenskommission ein Communiqué, in dem sie die Wiederherstellung des Friedens feststellte und Panama und die USA aufforderte, diplomatische Beziehungen so schnell wie möglich wiederherzustellen.
Am 16. Januar 1964 wies die Regierung Panamas die Botschaftsangehörige in Washington an, die Botschaft zu schließen und in die Büros der OAS in Washington überzusiedeln. Am Folgetag verließen auf Druck der Regierung Panamas die Angehörigen der US-Botschaft in Panama-Stadt das Land.
Am 28. Januar 1964 brach Panama die Gespräche im Rahmen der OAS-Friedensmission ab und drang auf Einberufung des Rates der OAS. Der OAS-Rat trat am 31. Januar 1964 zu einer Sondersitzung zusammen und beschloss nach Anhören der beiden Standpunkte auf seiner Sitzung am 4. Februar 1964 mit 16 gegen 1 Stimme, einen Antrag Panamas zu entsprechen und sich auf Grund des Rio-Paktes von 1947 (Vertrag der interamerikanischen Verteidigungskonferenz von Petropolis bei Rio de Janeiro in Brasilien) als Konsultativorgan zu konstituieren, um die von Panama vorgebrachten Vorwürfe einer Aggression zu prüfen.
Am 11. Februar 1964 entsandte die OAS ein Sonderkomitee zur Überprüfung der Vorfälle vom 9. bis 11. Januar 1964 und am 15. März 1964 gab die OAS in einem Communiqué bekannt, dass Panama und die USA übereingekommen seien, die diplomatischen Beziehungen wieder aufzunehmen, sowie Gespräche und Verhandlungen zur Lösung des Konflikts zwischen beiden Staaten zu beginnen. Präsident Chiari erklärte in einer Rundfunkansprache, dass Panama der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zugestimmt habe, und dass die vereinbarten Verhandlungen (negociaciones) in eine Revision der Panamakanal-Verträge resultieren würden. Seine Regierung sehe die Zustimmung der USA zu Verhandlungen ohne Einschränkung als Verpflichtung der USA, die bestehenden Verträge zu ersetzen.
US-Präsident Lyndon B. Johnson erklärte am 15. März 1964 in einer Pressekonferenz, dass die Meinungsverschiedenheiten im Gegensatz zur Erklärung von Präsident Chiari noch nicht beigelegt seien. Drei Tage später erklärte der Vorsitzende der OAS-Sonderkomitees Juan Plate aus Paraguay, dass das Komitee seine Tätigkeit einstelle, da seine Bemühungen um eine Versöhnung vereitelt worden seien.
[Bearbeiten] Erklärung von US-Präsident Lyndon B. Johnson zur Entsendung eines Sondergesandten
Am 21. März 1964 erklärte US-Präsident Lyndon B. Johnson zur Panama-Frage:
„Wir sind bereit, jede Frage, die uns jetzt trennt, und jedes Problem, das die panamaische Regierung aufzugreifen wünscht, zu überprüfen. Wir sind bereit, dies zu jeder Zeit und an jedem Ort zu tun. Unser Botschafter wird sich auf den Weg machen, sobald er von der Regierung Panamas eingeladen worden ist. Wir werden auch einen Sondervertreter ernennen. Er wird mit voller Autorität eintreffen, jede Schwierigkeit zu erörtern. Er wird mit der Verantwortlichkeit betraut sein, eine Lösung zu suchen, welche die fairen Forderungen Panamas anerkennt und die Interessen aller amerikanischen Nationen im Kanal schützt. Wir können nicht vor der Zusammenkunft bestimmen, welche Lösung hierfür die beste wäre. Seine Instruktionen werden aber keine Lösung verbieten, die fair und die den angemessenen verfassungsmäßigen Verfahren der beiden Regierungen unterworfen ist.“
[Bearbeiten] Gemeinsame Erklärung von Johnson und Chiari
Der Vorsitzende des Allgemeinen Komitees des Rates der OAS veröffentlichte am 3. April 1964 folgende gemeinsame Erklärung der Präsidenten Lyndon B. Johnson und Roberto Francisco Chiari Remón:
„In Übereinstimmung mit den freundschaftlichen Erklärungen der Präsidenten der USA und der Republik Panama vom 21. und 24. März 1964, die in einem ernsten Verlangen übereinstimmen, in günstiger Weise alle Differenzen zwischen beiden Ländern zu lösen; haben die Vertreter beider Regierungen, die sich unter dem Vorsitz des Präsidenten des Rates trafen, und die bedeutsame Kooperation anerkannten, die die OAS durch die interamerikanische Friedenskommission und die Delegation der Allgemeinen Komitees des Konsultativorgans boten, wie folgt vereinbart:
1. Die diplomatischen Beziehungen wiederherzustellen,
2. Ohne Verzögerung Sonderbotschafter zu bestimmen, die ausreichende Befugnisse haben, um eine sofortige Beseitigung der Gründe des Konflikts zwischen beiden Ländern zu suchen, und zwar ohne Begrenzungen oder Vorausbedingungen irgendwelcher Art,
3. Dass deshalb die bestimmten Botschafter sofort mit den notwendigen Prozeduren beginnen werden, mit dem Ziel, ein gerechtes und faires Übereinkommen zu erreichen, das anschließend den verfassungsmäßigen Verfahren beider Länder unterworfen wird.“