Die Nachtwache
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Die Nachtwache |
Rembrandt van Rijn, 1642 |
Öl auf Leinwand, 363 cm × 437 cm |
Rijksmuseum |
Die Nachtwache (niederländisch: De Nachtwacht) ist ein Gemälde des niederländischen Malers Rembrandt van Rijn.
Das 1642 fertig gestellte Werk gehört zu den holländischen Gruppenbildnissen von Schützengilden und hängt heute im Rijksmuseum in Amsterdam.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Titel
Der offizielle Titel des Bildes lautet: „Die Kompanie des Frans Banning Cocq″, ndl.: „De compagnie van Frans Banning Cocq″.
Im Familienalbum des Hauptmannes Cocq hat das Bild den Titel „Der Hauptmann gibt seinem Leutnant den Auftrag, die Bürgerwehr marschieren zu lassen.“ [1]
[Bearbeiten] Beschreibung
Das Bild zeigt 34 Personen – davon 18 Schützen und 16 Figuren, die durcheinanderlaufen. Im Vordergrund steht der Hauptmann und sein Leutnant. Zwei grell erleuchtete Figuren in gelber Kleidung beherrschen den Bildaufbau: Ein Mädchen im mittleren Hintergrund und der Leutnant im Vordergrund.
Das Gemälde ist sehr dunkel, manche Details im Hintergrund lassen sich kaum noch ausmachen. Die gängige Erklärung dafür ist, dass im Verlauf der Zeit die zahlreichen Firnis-Schichten natürlich nachgedunkelt sind.[2] Ob zusätzlich Restauratoren im späteren 17. Jahrhundert oder 18. Jahrhundert, wie sie es gern taten, mit einem ergänzenden gelb-braunen Firnis dem Bild zu einem sogenannten „Galerie-Ton“ verhalfen, ist nicht geklärt. Der Titel "Nachtwache" wurde dem Gemälde jedenfalls erst Ende des 18. Jahrhunderts verliehen.[3]
Im Mittelpunkt des Bildes steht eine Bürgerwehr aus der Zeit des 17. Jahrhunderts. Es gab ihrer viele, denn die Niederlande rangen damals um ihre Loslösung von der Herrschaft der spanischen Krone. Der Hauptmann dieser Kompanie hieß Frans Banning Cocq, der neben ihm stehende Leutnant Willem van Ruytenburgh. Die dargestellten Büchsenschützen gehörten der Kloveniers-Gilde an. Etliche weitere Mitglieder der Gilde hat Rembrandt ebenfalls auf dem Gemälde verewigt. Die Namen von 18 Personen sind auf einer Tafel vermerkt, die im Hintergrund zu erkennen ist, aber erst später hinzugefügt wurde. Die restlichen Personen werden in der Fachliteratur als Allegorien gedeutet.
[Bearbeiten] Kommentar
Viele Experten haben im Verlauf der Zeit immer wieder versucht, in Amsterdam die Stelle ausfindig zu machen, an der sich die Bürgerwehr versammelt hat, ohne Erfolg. Rembrandt scheint die Kulisse nach seinen Vorstellungen selbst zusammengestellt zu haben. Lediglich die Fahne – sie enthält Anteile des Wappens von Amsterdam – ist ein Hinweis auf die Örtlichkeit. Gut dokumentiert ist, dass die Gilde der Büchsenschützen in den dreißiger Jahren des 17. Jahrhunderts in der Amsterdamer Nieuwe Doelenstraat ein neues Schützenhaus errichten ließ, dessen Portal mit Wappen und Emblemen der Gilde und dessen Festsaal zwischen 1638 und 1645 mit zahlreichen Gruppenporträts ihrer Mitglieder ausgeschmückt wurde.[4] Eines dieser Gruppenporträts ist Rembrandts berühmtes Gemälde. Es zeigt die Büchsenschützen nicht in der damals oft üblichen starren Porträt-Haltung, sondern in Aktion: Der Hauptmann erteilt seinem Leutnant den Marschbefehl. Jedoch ist die Marschordnung noch nicht vollständig hergestellt, was das relative Durcheinander innerhalb der Teilgruppen auf dem Bild erklärt. Der Rembrandt-Experte Christian Tümpel schreibt:
Dieser Idee der zu erreichenden Ordnung ist das Bildganze zugeordnet, auch die Komposition. Die beiden Offiziere gehen auf die Mitte zu. Viele Spieße und Gewehre lassen in ihrer rhombischen Anordnung schon das Ordnungsprinzip der militärischen Übungen ahnen, wie die Lehrbücher und Illustrationen der Zeit sie zeigen. Die Spannung zwischen dem 'schon jetzt' und 'noch nicht' macht den besonderen Reiz dieser Komposition aus.[5]
Auf dem Bild sind ferner einige Schützen bei Gewehrübungen dargestellt: Einer lädt das Gewehr, ein zweiter schießt, ein dritter bläst das Pulver ab. Der Fahnenträger, der eine Fahne mit dem Amsterdamer Wappen mit sich führt, verdeutlicht zusätzlich, dass es sich um eine Amsterdamer Schützenkompanie handelt, denn im Niederländischen ist das Wort für "Fahne" und "Kompanie" identisch.
Bei den für Rembrandt typischen Hell-Dunkel-Kontrasten fällt eine Person besonders auf: Es ist eine kleine Frau, die als solche der Bürgerwehr nicht angehört haben kann. Sie soll nach Meinung vieler Experten eine Marketenderin darstellen, eine die Truppe betreuende und begleitende Händlerin. Nach "offizieller" Interpretation des Rijksmuseums ist dieses Mädchen das Maskottchen der Truppe. Wie bei Rembrandt oft anzutreffen, ähneln ihre Gesichtszüge seiner Frau Saskia. Am Gürtel trägt sie ein ungerupftes Huhn, die Klauen des Tieres sind besonders sorgfältig ausgearbeitet. Klauen waren ein Zeichen von Schützen-Gilden, das Wort Kloven leitet sich aus „Klauw“ = Klaue ab und steht für Gewehrkolben. Dieses Bilddetail ist also ein weiterer Hinweis darauf, dass auf dem Gemälde Porträts von Mitgliedern einer Büchsenschützengilde (niederländisch: Kloveniers-Gilde) verewigt worden sind.
[Bearbeiten] Geschichte
„Die Nachtwache“ ist eines der bekanntesten und auch beliebtesten Gemälde Rembrandts. Es war für den Festsaal der Amsterdamer Schützengilde bestimmt und blieb dort bis 1715. In diesem Jahr kam es ins Amsterdamer Rathaus und wurde an allen vier Seiten beschnitten, weil das ursprüngliche größere Format nicht zum neuen Standort passte. (Das Originalgemälde war 4,02 Meter hoch und 5,10 Meter breit.) Deutlich wird die Beschneidung vor allen Dingen auf der rechten Seite: Der Trommler ist halb durchgeschnitten. Gewonnen hat durch diese Maßnahme das Bild nur in einer Hinsicht: Der Anführer der Nachtwache ist jetzt in zentraler Position zu sehen.
Das Gemälde ist bei hellem Mittagslicht entstanden. Zur "Nachtwache" wurde das Bild offenbar erst am Kamin des Amsterdamer Rathauses, wo es lange Jahre hing. Durch Rauch und Ruß könnte es dort den nächtlich-düsteren Gesamteindruck erhalten haben, der vom Künstler so nicht gewollt war.
In der Londoner Nationalgalerie hängt ein von Gerrit Lundens im 16. Jahrhundert gemaltes Duplikat der "Nachtwache", welches Rembrandts Kunstwerk in seiner ursprünglichen Form zeigt.[6]
Der Maler und Kunsthistoriker Samuel van Hoogstraten kritisierte seinen früheren Lehrmeister, indem er äußerte:
Doch hätte ich es besser gefunden, wenn er sie heller ausgeführt hätte. [7]
Hoogstratens Anmerkungen trugen zu dem Mythos bei, dass die Nachtwache abgelehnt wurde und dass Rembrandt deshalb ruiniert worden sein soll.
Das Gemälde war im 20. Jahrhundert dreimal Gegenstand von Vandalismus.
- Am 13. Januar 1911 stach ein arbeitslos gewordener Marinekoch mit einem Messer auf das Bild ein. Er wollte damit am Staat für seine Situation eine Art Vergeltung üben.[8]
- Am 14. September 1975[9] attackierte ein arbeitsloser Lehrer Rembrandts Bild mit einem Küchenmesser und zerschnitt damit die Leinwand.[10] Obwohl das Gemälde nach aufwändigen Restaurierungsarbeiten wieder gezeigt werden konnte, blieben leichte Spuren dieses folgenschwersten Attentats zurück.
- Am 6. April 1990 versprühte ein Geistesgestörter aus einer Flasche Schwefelsäure auf das Bild.[11] Dass die Säure aus der Pumpflasche lediglich die Lackschicht des Anstrichs angreifen konnte, lag zum einen daran, dass die Wachen in Geistesgegenwart Wasser auf das Gemälde spritzten; zum anderen an einer bereits kurze Zeit nach dem Attentat 1975 (s. o.) vorsorglich aufgebrachten Furnierschicht, die vollständig wiederhergestellt werden konnte.
[Bearbeiten] Interpretationen
Der britische Regisseur Peter Greenaway hat das Bild neu interpretiert und arbeitet zur Zeit (2006) an einer Verfilmung der im Bild dargestellten Szenen (siehe Weblink). Greenaway behauptet, das Bild zeige einen Mord. Und tatsächlich ist hinter der zentralen Figur des Bildes eine halbverdeckte Person auf dem Gemälde zu erkennen, die mit dem Lauf eines Gewehres auf einen Unbekannten zu zielen scheint.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Michiel Franken / Kristin Bahre / Jan Kelch: Rembrandt. Genie auf der Suche. Köln: DuMont Literatur und Kunst Verlag, 2006. ISBN 3-8321-7694-2
- Rainer Hagen, Rose-Marie Hagen: Meisterwerke im Detail. Band 2. Köln: Taschen Verlag, 2003. ISBN 3-822-81371-0.
- Christian Tümpel: "Die Nachtwache – Legende und Wirklichkeit". In: Rembrandt in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek bei Hamburg: rororo, 1977, S. 80-87.
- Manfred Wundram: „Die berühmtesten Gemälde der Welt“. Bergisch-Gladbach: Imprimatur Druck- und Verlagsgesellschaft, 1976
[Bearbeiten] Quellennachweis
- ↑ Franken / Bahre / Kelch: „'Rembrandt. Genie auf der Suche
- ↑ Christian Tümpel: Rembrandt in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek bei Hamburg 1977, S. 80.
- ↑ Tümpel, S. 80.
- ↑ Tümpel, S. 81.
- ↑ Tümpel, S. 84.
- ↑ http://www.nationalgallery.org.uk/cgi-bin/WebObjects.dll/CollectionPublisher.woa/wa/work?workNumber=ng289
- ↑ Franken / Bahre / Kelch: „'Rembrandt. Genie auf der Suche
- ↑ http://www.brightok.net/~bridges/rembrand.html
- ↑ http://www.buchfreund.de/pl/1,32762692/32762692.html
- ↑ http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2000/0906/feuilleton/0005/index.html Berliner Zeitung vom 6. September 2000
- ↑ http://query.nytimes.com/gst/fullpage.html?res=9C0CEFDF173BF93BA15757C0A966958260 The New York Times vom 28. April 1990
[Bearbeiten] Weblinks
- »Rembrandt war kein Maler«: Interview mit Peter Greenaway, Die Zeit 1/2006