Deutsche Aussprache des Lateinischen
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Unter der deutschen Aussprache des Lateinischen versteht man die für lateinische Texte verwandte Aussprache, die nicht mit der wissenschaftlich rekonstruierten lateinischen Aussprache übereinstimmt, sondern auf Ausspracheregeln des Deutschen beruht. Es handelt sich daher in erster Linie um eine Traditionsaussprache. Die deutsche Aussprache stellte im deutschen Sprachraum lange den alleinigen Standard für das Kirchenlatein dar. Bis etwa 1900 wurde sie generell auch als Schulaussprache des Lateinischen verwendet; dann begann sich die wissenschaftlich rekonstruierte Aussprache durchzusetzen, bis die deutsche Aussprache des Lateinischen durch die Nationalsozialisten reetabliert wurde. Eine neuere Tendenz, sie wiederum durch die Originalaussprache zu ersetzen, ist erst wieder in den letzten Jahren erkennbar; insbesondere bei jüngeren Lehrern herrscht heute ein Mischsystem vor.
[Bearbeiten] Vokale
Im Gegensatz zur echten lateinischen Aussprache gehorcht die Verteilung von langen und kurzen Vokalen keinen komplexen Regeln; es gibt lediglich Richtlinien. Diese lauten:
- Lange Vokale können nur in betonten Silben stehen, sofern deren Vokal überhaupt lang ist. Beispiel: „Romani“, die „Römer“ = [ʁo.ˈmaː.ni]; „facere“, „tun“, „machen“ = ['fa(ː).tsə.ʁə].
- Wie im (Hoch-)deutschen wird ein Vokal, der vor einem Doppelkonsonanten steht, grundsätzlich kurz ausgesprochen. Beispiel: „stella“, „Stern“ = ['ʃtɛla]
- Vokale in offenen Silben werden stets gelängt. Beispiele:
- lat. „globus“, „Kugel“ = [ˈɡloːbʊs]
- lat. „rosa“, „Rose“ = [ˈʁoːza]
- lat. „Venus“ = [ˈveːnʊs]/[ˈfeːnʊs]
Wie im Deutschen herrscht Korrespondenz zwischen Vokalqualität (Vokalöffnung) und Vokalquantität (Länge):
Buchstabe | Kurzer Vokal | Langer Vokal |
---|---|---|
A / a | [a] | [aː] |
E / e | [ɛ] / [ə] | [eː] |
I / i | [ɪ] / [i] | [iː] |
O / o | [ɔ] | [oː] |
U / u | [ʊ] | [uː] |
Y / y | [ɪ] / [i] / [ʏ] | [iː] / [yː] |
Anmerkungen hierzu:
- Das kurze <e> wird in unbetonten Silben zum Schwa [ə] abgeschwächt (z. B. „facere“, „tun“, „machen“ = ['fa(ː).tsə.ʁə], wie dt. „Bitte“ = [bɪtə]).
- Das kurze <i> (und eventuell auch y, siehe unten) wird am Wortende ebenfalls geschlossen artikuliert (z. B. „Romani“, die „Römer“ = [ʁo.ˈmaː.ni], wie dt. „Willy“ = [ʋɪli]). Vor Vokalen (außer <i>) wird es wie ein deutsches <j> [j] ausgesprochen. Zwei <i> werden durch Glottisschlag getrennt (z. B. Iulii = [juːliʔi]
- Das <y>, das im Lateinischen allenfalls zur Wiedergabe des Griechischen Ypsilon verwendet wurde, wird je nach Konvention entweder als ü- oder als i-Laut gesprochen, wobei Letzteres die ältere Variante ist. In diesem Falle gilt auch die oben genannte i-Regel für das y.
[Bearbeiten] Vokal-Digraphen
Im klassischen Lateinischen gab es vier Diphthonge, die auf Deutsch unterschiedlich realisiert werden:
- Das lateinische <ui> wird als [ui] realisiert, also als Folge von <u> und <i>.
- Das lateinische <eu> wird als [ɔɪ] realisiert, wie in dt. „euch“ [ɔɪç].
- Das lateinische <oe> wird wie ein deutsches <ö> [øː] ausgesprochen und ist immer lang.
- Das lateinische <ae> wird wie ein deutsches <ä> [ɛː] (oder auch [eː]) ausgesprochen und ist immer lang.
[Bearbeiten] Konsonanten
Für fast alle Konsonanten gilt eine eindeutige Phonem-Graphem-Korrespondenz (dies ist immer die gleiche wie im Deutschen):
Buchstabe | Aussprache |
---|---|
<b> | [b] |
<d> | [d] |
<f> | [f] |
<g> | [g] |
<h> | [h] |
<l> | [l] |
<m> | [m] |
<n> | [n] |
<p> | [pʰ] |
<q> | [kʋ] |
<t> | [tʰ] |
<x> | [k(ʰ)s] |
<z> | [ts] |
Wie man sieht, werden das <p> und das <t> wie im Deutschen behaucht ausgesprochen. An ein an sich mit Vokalbuchstaben beginnendes Wort wird der Glottisschlag angehängt. Bei folgenden Konsonanten gibt es mehrere Möglichkeiten:
- <c> wird vor <a>, <o> (außer in den Verbindungen <ae> und <oe>) und <u> wie ein deutsches <k> [kʰ] und vor <ae>, <e>, <i>, <oe> und <y> wie ein deutsches <z> [ts] ausgesprochen.
- <r> wird je nach regionaler Varietät des Deutschen entweder [r], [ʀ] oder [ʁ] ausgesprochen.
- <s> ist wie im Deutschen normalerweise stimmhaft [z], wird jedoch als Doppelbuchstabe stimmlos [s] ausgesprochen.
- <t> wird normalerweise wie ein deutsches <t> [tʰ], vor <i> mit drauf folgendem anderem Vokal jedoch wie ein deutsches <z> [ts] ausgesprochen.
- <v> wird entweder wie ein deutsches <v> [f] ausgesprochen oder (in einer leicht an das Klassische angelehnten Variante) wie ein deutsches <w> [ʋ] ausgesprochen.
- Die in griechischen Fremd- und Lehnwörtern auftretenden Digraphen <th>, <ph> und <ch> werden wie im Deutschen [tʰ], [f] und [ç] (nach <ae>, <e>, <i> und <y> und am Wortanfang), bzw. [x] (nach <a>, <o> und <u>) ausgesprochen.
<b>, <d>, <g> und <s> fallen wie im Deutschen der Auslautverhärtung zum Opfer.