Dörperliche Dichtung
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Die Dörperliche Dichtung (auch Dörperdichtung, Dörperliche Poesie, von mnd. dörper[1] „Bauer, Dorfbewohner, Tölpel“) ist ein verbreitetes Genre der spätmittelalterlichen Dichtung. Sie ist nicht verwandt mit der literarischen Gattung der Dorfgeschichte.
Die dörperliche Dichtung tritt im 13. Jahrhundert als Gegenbild der inzwischen konventionell erstarrten höfischen Epik und Lyrik auf. In der parodistischen Figur des Dörpers, der auf dem Land lebt und nicht am Hofleben teilhat – vgl. den modernen Ausdruck „Hinterwäldler“ – wurde damit ein sozialer und kultureller Kontrast zum verfeinerten Minnekult und zum Rittertum entworfen. Dieser zeigt sich in der realistischen, lebensnahen, teils aber auch grotesk verzerrten Darstellung bäuerlicher Liebes-, Streit- oder Prügelszenen, daneben allerdings auch im Spott an den Bauern allgemein. Formen der dörperlichen Dichtung sind die Sommerlieder, Reigenlieder ohne Stollenform, und die Winterlieder in Kanzonenform, letztere oft eine Parodie auf den Minnesang.
Als Begründer der dörperlichen Dichtung gilt Neidhart. Sie wurde von Gottfried von Neifen, Burkart von Hohenfels, Ulrich von Winterstetten, Steinmar, Hadloub und anderen Dichtern weitergeführt, teilweise in vergröbernder Darstellung. Mit dem Ende des Minnesangs verlor auch sie an Gewicht, ihre Stoffe und Motive wirkten allerdings bis ins 15. Jahrhundert weiter und führten u. a. zu Schwänken um die Person Neidhart, so in Heinrich Wittenwilers epischem Ring (um 1400), im Schwankbuch Neidhart Fuchs (1491), das längere Zeit irrtümlich Otto Fuchs zugeschrieben wurde, und im Neidhartspiel.
Anders als im 19. Jahrhundert angenommen, wurde die dörperliche Dichtung nicht für bäuerliche, sondern ausschließlich für höfische Leser verfasst, die den damaligen Minnesang in Theorie und Praxis genügend gut kannte, um die Brüche zwischen künstlerischer Gestaltung und Inhalt als humoristisch und gesellschaftskritisch zu erkennen.
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. Leipzig 1854–1960. Bd. 2, Sp. 1301. Hier auch belegt für die altfriesische und die niederländische Sprache.
[Bearbeiten] Literatur
- Albert Bielschowsky: Geschichte der deutschen Dorfpoesie im 13. Jahrhundert. Berlin 1891
- Ferdinand Mohr: Das unhöfische Element in der mittelhochdeutschen Lyrik von Walther an. (Dissertation) Tübingen 1913
- Erhard Jöst: Bauernfeindlichkeit. Die Historien des Ritters Neithart Fuchs. (Dissertation) Göppingen 1976 ISBN 3-87452-328-4
- Petra Giloy-Hirtz: Deformation des Minnesangs. Wandel literarischer Kommunikation und gesellschaftlicher Funktionsverlust in Neidharts Liedern. (Dissertation) Heidelberg 1982 ISBN 3-533-03212-4
- Petra Herrmann: Karnevaleske Strukturen in der Neidhart-Tradition. (Dissertation) Göppingen 1984 ISBN 3-87452-628-3
