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Alte Geschichte – Wikipedia

Alte Geschichte

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die Alte Geschichte ist im Fächerkanon der an Universitäten gelehrten Geschichtswissenschaft derjenige Teil, der das „klassische“ griechisch-römische Altertum (Antike) behandelt. Wissenschaftler, die sich mit Alter Geschichte befassen, werden Althistoriker genannt. Das Fach kann an den meisten deutschen Universitäten studiert werden; an fast allen Hochschulen ist das Fach integraler Bestandteil der meisten historischen Studiengänge. Manchmal ist die Alte Geschichte institutionell auch bei altertumswissenschaftlichen Instituten angesiedelt.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Inhalte und Abgrenzung

Grundsätzlich kann man sagen, dass die Alte Geschichte heute alle Gebiete und Zeitabschnitte zum Gegenstand hat, die zur antiken griechischen oder römischen Kultur gehörten bzw. mit dieser in engem, unmittelbarem Kontakt standen.

Die Alte Geschichte beschäftigt sich – im Unterschied zur Archäologie und zur Ur- und Frühgeschichte – vornehmlich mit den schriftlichen Hinterlassenschaften der Menschen, auch wenn Althistoriker gegebenenfalls auch nicht-schriftliche Quellen auswerten müssen. Die Alte Geschichte „beginnt“ daher im weitesten Sinne mit den frühesten (schriftlichen) Zeugnissen der Alten Welt in historischer Zeit, also mit den Keilschriften der Sumerer, den ägyptischen Hieroglyphen und der kretischen Linearschrift A (ca. 1900 - 1450 v. Chr.), deren Sprache bisher unbekannt ist. In der Praxis überlassen die Althistoriker diese Themen aber anderen Disziplinen wie der Ägyptologie oder Assyrologie.

Im engeren Sinne und in der Praxis „beginnt“ die Alte Geschichte heute frühestens mit der mykenischen Kultur (um 1600-1000 v.Chr.; damals verwendete man die Linearschrift B, um ein frühes Griechisch zu schreiben) bzw. mit der Übernahme des Alphabets durch die Griechen (im frühen 8. Jh. v. Chr.). Sie „endet“ mit dem Übergang der Spätantike ins Mittelalter, der verschieden angesetzt wird: Traditionell datierte man das Ende der Antike oft auf das Jahr 476 (Absetzung des letzten weströmischen Kaisers durch Odoaker); heute wählt man aber zumeist den Tod Kaiser Justinians (565) oder den Beginn der islamischen Expansion (632) als Einschnitt. Die weitaus meisten Althistoriker forschen heute über die Zeit zwischen 800 v. und 600 n. Chr., jedoch befassen sich nicht wenige auch mit den Jahrhunderten vor 800 v. Chr. (Griechische Dark Ages und kretisch-mykenische Zeit). Der Berichtszeitraum der Année philologique, der wichtigsten altertumswissenschaftlichen Bibliographie, reicht vom zweiten vorchristlichen Jahrtausend bis zum Jahr 800 n. Chr.

In geographischer Hinsicht gehören zum „Kerngebiet“ der Alten Geschichte alle Regionen, die Teil des Römischen Reichs zum Zeitpunkt seiner größten Ausdehnung unter Kaiser Trajan waren. Die Alte Geschichte ist damit im wesentlichen die Geschichte Griechenlands und Roms (bzw. der Mittelmeerwelt) sowie der Kontakte der Griechen und Römer zu ihren Nachbarvölkern (Karthager, Germanen, Perser etc.). Dabei ist die Eingrenzung des Faches weniger inhaltlich als vor allem durch Konvention und Herkommen begründet.

[Bearbeiten] Entstehung und Entwicklung der Fachrichtung

Im 19. Jahrhundert, das als das historisierende Jahrhundert schlechthin angesehen werden kann, nahmen die Geschichtswissenschaft (vor allem in Deutschland) und die Archäologie einen gewaltigen Aufschwung. Eine ganze Reihe hoch angesehener Geschichtswissenschaftler (Lepsius, Niebuhr, Curtius, Mommsen u.a.) dehnten ihre Forschungen auf immer weitere Regionen und Forschungsgebiete aus. Damit standen sie in der Tradition der frühneuzeitlichen Universalgeschichte, die sie mit Ansätzen aus der klassischen Philologie verbanden.

Anfangs war zu beobachten, dass die Alte Geschichte sich auch mit Regionen befasste, die heute nicht mehr zum Kerngebiet des Faches zählen. Die Geschichte des alten Ägyptens, Mesopotamiens, Irans und Anatoliens wurde teilweise in das Fach einbezogen, so dass die Alte Geschichte für einige Gelehrte neben der Geschichte des griechisch-römischen Altertums auch die Geschichte des Alten Orients umfasste. Die wirkliche Beherrschung des gewaltigen Gebiets der Geschichte der Alten Welt (also Europas, Nordafrikas sowie des Vorderen und Mittleren Orients) samt den dazu erforderlichen Hilfswissenschaften, namentlich der diversen antiken Sprachen und Schriften (Sumerisch, Akkadisch, Babylonisch, Persisch, Koptisch, Aramäisch, Griechisch, Lateinisch, diverser anatolischer Sprachen; Keilschriften, Hieroglyphen, Minoische, Phönizische und Griechische Schrift, Linear B usw.), überstieg aber die Möglichkeiten eines einzelnen Wissenschaftlers.

Im 19. Jahrhundert gab es zwar einzelne Gelehrte, die die Fülle des Fachs in seiner Gesamtheit noch überblickten und auch wenigstens in Grundzügen und ansatzweise die erforderlichen Kenntnisse in den Einzeldisziplinen hatten. Im Zuge der „Professionalisierung“ der Wissenschaft kam es dann aber zu einer wichtigen Weichenstellung: Da die wichtigsten altorientalischen Sprachen um 1800 noch nicht entziffert waren, konnte man der damals erhobenen Forderung, die schriftlichen Zeugnisse in den Mittelpunkt der Forschung zu stellen, hier noch nicht nachkommen – und als Hieroglyphen und Keilschriften dann entschlüsselt worden waren, hatte sich bereits eine zunehmende Beschränkung der Alten Geschichte auf Griechen und Römer ergeben. Dies hat sich bis heute nicht geändert (s. o.).

Dies mag man durchaus auch bedauern, da Orientalistik, Assyriologie oder Iranistik heute viel eher archäologisch und philologisch ausgerichtet sind, nicht aber primär historisch. Das Fach Alte Geschichte konzentrierte sich seit dem 19. Jahrhundert mehr und mehr ausschließlich auf die griechische und römische Geschichte (nebst den Kontakten zu den Nachbarvölkern) und bildete zusammen mit der Klassischen Philologie und Klassischen Archäologie das übergreifende Sachgebiet Klassische Altertumswissenschaft. Dabei ist das Fach Alte Geschichte bis heute viel stärker als die anderen historischen Disziplinen von den Methoden der Altphilologie geprägt, die ihre Wurzeln wiederum im Humanismus und der mittelalterlichen Bibelexegese hat.

Ausgehend von der französischen Querelle des Anciens et des Modernes (Streit der Anhänger der Alten und der Anhänger der Moderne) hatte sich das Fach Alte Geschichte auf einem Gebiet etabliert, das die Anhänger des aufgeklärten Zeitalters der Moderne (daher das heutige Schlagwort Postmoderne) bei aller Begeisterung für die aufstrebende Naturwissenschaft, Technik und Ökonomie ihrer Zeit den Bewundern der Alten (d.h. der alten Griechen und Römer) mehr oder weniger widerstrebend überlassen hatten. Auf dem Gebiet der schönen Künste und Wissenschaften wurde so im 18. und 19. Jahrhundert der beispielgebende und Maßstäbe setzende Charakter des „Klassischen“ Altertums weiterhin anerkannt. Ein Hauptzug und wesentlicher Inhalt der Deutschen Klassik bestand gerade darin, durch Erforschung und wissende Aneignung des Klassischen Altertums – in Deutschland vornehmlich des griechischen – die eigene Kultur überhaupt erst auf das ihr erreichbare Niveau zu heben. So schrieb Wilhelm von Humboldt (1807):

Wir haben in den Griechen eine Nation vor uns, unter deren glücklichen Händen alles, was, unserem innigsten Gefühl nach, das höchste und reichste Menschendasein bewahrt, schon zu letzter Vollendung gereift war ... Ihre Kenntnis ist nicht bloß angenehm, nützlich und notwendig, nur in ihr finden wir das Ideal dessen, was wir selbst sein und hervorbringen möchten; wenn jeder andere Teil der Geschichte uns mit menschlicher Klugheit und menschlicher Erfahrung bereichert, so schöpfen wir aus der Betrachtung der Griechen etwas mehr als Irdisches, ja beinahe Göttliches.

Getragen von solcher Begeisterung für die Antike und versorgt mit wissenschaftlichem Nachwuchs, der bereits auf den Gymnasien Humboldt'scher Prägung mit soliden Kenntnissen der altgriechischen und lateinischen Sprache und Literatur ausgerüstet worden war, erlebte die Klassische Altertumswissenschaft und mit ihr die Alte Geschichte in Deutschland im 19. Jahrhundert und frühen 20. Jahrhundert ihre vielleicht höchste Blüte. Namen wie Barthold Georg Niebuhr, Johann Gustav Droysen, Leopold von Ranke, Ernst Curtius, Eduard Meyer, Karl Julius Beloch, Robert von Pöhlmann, Theodor Mommsen, Jacob Burckhardt und Hans Delbrück stehen noch heute international für Geschichtswissenschaft und Geschichtsschreibung auf höchstem Niveau.

Nach 1945 nahm die Bedeutung der klassischen Bildung in Deutschland und anderswo stark ab, was sich insbesondere auch im Rückgang der Latein- und Griechischkenntnisse zeigte: Wissen um die Antike gehört heute auch in gebildeten Schichten nicht mehr zu den Selbstverständlichkeiten. Das klassische Altertum verlor seinen Vorbildcharakter, es war nicht länger Bezugspunkt des „Bildungsbürgertums“. Aber auch die zeitgenössische Forschung und Lehre auf dem Gebiet der Alten Geschichte fördert immer wieder – nicht nur, aber auch in Deutschland – bemerkenswerte Ergebnisse zu Tage. Zu erwähnen sind beispielsweise die aktuelle Troja-Forschung, deren Ergebnisse allerdings stark umstritten sind (Troja-Debatte), neue Ansätze zum Verständnis der athenischen Demokratie (Christian Meier, Paul Veyne), (im Anschluss an Rostovtzeff) neue Erkenntnisse über das Funktionieren der griechischen (Pierre Vidal-Naquet) und gesamtantiken (Moses I. Finley) Wirtschaft und eine zunehmende Neubewertung der Spätantike durch Forscher wie Peter Brown.

Grundsätzlich wird Althistorikern aufgrund der in der Regel engen Bindung an die Quellen oft eine gewisse „Theorieferne“ vorgeworfen; dies trifft aber höchstens teilweise zu, und einige Forscher haben sich schon vor langer Zeit soziologischen und anderen Theorien und Modellen zugewandt. Prinzipiell stehen sich dabei „Modernisten“ und „Primitivisten“ gegenüber – während erstere (wie zum Beispiel Eduard Meyer oder Michael Rostovtzeff) eine grundsätzliche Ähnlichkeit und Vergleichbarkeit der Epochen annehmen und also an die Anwendbarkeit „moderner“ Theorien und Konzepte auf die Antike glauben, wird dies von den „Primitivisten“ (wie Max Weber oder Moses I. Finley) bestritten. Problematisch ist dabei, dass sich relativ viele Gelehrte über die (impliziten) theoretischen Voraussetzungen ihrer Forschungen selbst nicht immer im Klaren sind.

In der Alte Geschichte spielen Monographien eine größere Rolle als in vielen anderen Fächern; hinzu kommen Sammelbände und diverse Fachzeitschriften. Die wichtigsten unter den in Deutschland erscheinenden Fachorganen sind dabei Historia, Chiron und Klio, die auch international großes Ansehen genießen.

[Bearbeiten] Literatur

[Bearbeiten] Einführungen

  • Paul G. Bahn: Wege in die Antike. Kleine Einführung in die Archäologie und die Altertumswissenschaft. Stuttgart 1999.
  • Hermann Bengtson: Einführung in die alte Geschichte. München 1979.
  • Hartmut Blum / Reinhard Wolters: Alte Geschichte studieren. Konstanz 2006.
  • Manfred Clauss: Einführung in die Alte Geschichte. München 1993.
  • Justus Cobet: Alte Geschichte. In: Michael Maurer (Hrsg.): Aufriß der Historischen Wissenschaften Band 1: Epochen. Reclam Verlag, Stuttgart 2005, S. 14-105.
  • Jean-Nicolas Corvisier: Sources et méthodes en histoire ancienne. Paris 1997.
  • Moses I. Finley: Quellen und Modelle in der Alten Geschichte. Frankfurt am Main 1987. (Eng.: Ancient history : evidence and models, 1985)
  • Hans-Joachim Gehrke / Helmuth Schneider (Hrsg.): Geschichte der Antike. Ein Studienbuch, 2. erw. Aufl., Stuttgart. Metzler 2006. ISBN 3-476-02074-6
  • Rosemarie Günther: Einführung in das Studium der Alten Geschichte (UTB Band 2168). Schöningh Verlag. Paderborn u.a. ²2004.
  • Johannes Irmscher: Einleitung in die klassischen Altertumswissenschaften. Ein Informationsbuch, Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1986.
  • Hartmut Leppin: Einführung in die Alte Geschichte, München 2005.
  • Eckhard Meyer-Zwiffelhoffer: „Orientalismus? Die Rolle des Alten Orients in der deutschen Altertumswissenschaft und Altertumsgeschichte des 19. Jahrhunderts (ca. 1785-1910)“, in: Getrennte Wege? Kommunikation, Raum und Wahrnehmung in der Alten Welt, hrsg. v. Andreas Luther, Robert Rollinger und Josef Wiesehöfer, Frankfurt a. M. 2007, S. 501-594 (Gute Einführung in die Geschichte der Entstehung der Alten Geschichte).
  • Neville Morley: Theories, models and concepts in ancient history. London 2004.
  • Neville Morley: Writing ancient history. Ithaka 1999.
  • Jörg Rüpke: Wozu Altertumswissenschaften? In: Florian Keisinger u. a. (Hrsg.): Wozu Geisteswissenschaften? Kontroverse Argumente für eine überfällige Debatte, Frankfurt a. M./New York 2003 ISBN 359337336X
  • Matthias Müller: Alte Geschichte online. Probleme und Perspektiven althistorischen Wissenstransfers im Internet (Computer und Antike Band 6). Scripta Mercaturae, St. Katharinen 2003.
  • Wilfried Nippel: Über das Studium der Alten Geschichte. München: dtv 1993.
  • Wolfgang Schuller: Einführung in die Geschichte des Altertums. Stuttgart 1994.
  • Eckhard Wirbelauer (Hg.): Antike. München 2004. (Oldenbourg Geschichte-Lehrbuch 1)


[Bearbeiten] Wissenschaftsgeschichte

  • Karl Christ: Von Gibbon zu Rostovtzeff. Leben und Werk führender Althistoriker der Neuzeit, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 3., um einen Nachtr. erw. Aufl. 1989
  • Karl Christ: Klios Wandlungen. Die deutsche Althistorie vom Neuhumanismus bis zur Gegenwart, München: C.H. Beck, 2006
  • Arnaldo Momigliano: Ausgewählte Schriften zur Geschichte und Geschichtsschreibung, 3 Bde, Stuttgart: Metzler, 1998-2000

[Bearbeiten] Schriftenreihen

[Bearbeiten] Zeitschriften

Die wichtigsten in Deutschland erscheinenden althistorischen Fachzeitschriften sind

Alle drei sind auch international sehr angesehen und enthalten neben deutschen auch englische, französische und italienische Aufsätze. Beiträge zur Alten Geschichte erscheinen daneben aber auch in „allgemeinen“ historischen Fachzeitschriften wie der Historischen Zeitschrift sowie in altertumskundlichen Fachzeitschriften wie etwa Hermes oder Gymnasium.

Zu den wichtigsten internationalen Fachzeitschriften für Alte Geschichte zählen unter anderem:

[Bearbeiten] Neue Medien

[Bearbeiten] Weblinks

Andere Sprachen


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