Union für das Mittelmeer
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Die Union für das Mittelmeer (auf Französisch: Union pour la Méditerranée; ursprünglich bekannt als Mittelmeerunion, Französisch: Union méditerranéenne) ist eine Gemeinschaft zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und den Mittelmeeranrainerstaaten, die im Juli 2008 eingerichtet werden soll.
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[Bearbeiten] Geschichte
[Bearbeiten] Vorschlag
Der Vorschlag zur Gründung einer Mittelmeerunion war ursprünglich Teil des Wahlkampfes von Nicolas Sarkozy vor den französischen Präsidentschaftswahlen 2007. Nach seinem Sieg wiederholte er die Idee und stellte erste Pläne dazu vor. Trotz der möglichen Spaltung, die die Mittelmeerunion in der muslimischen Welt auslösen würde, sah Sarkozy den Plan als eine Möglichkeit, zum Friedensprozess zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn beizutragen. Außerdem sollte die Mittelmeerunion in den Augen von Sarkozy eine Alternative zum Beitritt der Türkei zur Europäischen Union darstellen. Am 23. Oktober 2007 lud Sarkozy alle Staats- und Regierungschefs der Mittelmeerregion zu einem Treffen im Juni 2008 in Frankreich ein, bei dem "die Grundlagen für eine politische, wirtschaftliche und kulturelle Union auf der Basis strenger Gleichheit" gelegt werden sollten.
[Bearbeiten] Reaktionen
Der Vorschlag stieß bei den EU-Mittelmeerländern, etwa Spanien, Italien und Griechenland, auf Zustimmung. Die nördlichen EU-Mitgliedsstaaten, darunter vor allem Deutschland, und die EU-Kommission zeigten sich hingegen deutlich reservierter. Insbesondere wurde kritisiert, dass kaum Details über Umfang, Institutionen und Inhalte der geplanten Union bekannt wurden. Auch das Verhältnis zwischen der Mittelmeerunion und dem bereits existierenden Barcelona-Prozess blieb zunächst unklar. Ein weiterer wichtiger Kritikpunkt war, dass die Mittelmeerunion ursprünglich nicht die ganze EU, sondern nur die Mittelmeeranrainer umfassen sollte. Deshalb wurde befürchtet, dass die gemeinsame EU-Politik in der Region an Effektivität verlieren würde und die südlichen Mittelmeerstaaten EU-interne Konflikte nützen könnten, um Verpflichtungen in den ihnen unangenehmen Politikfeldern, etwa in Fragen der Zivilgesellschaft und der Menschenrechte auszuweichen.
Von den übrigen Mittelmeeranrainern unterstützten Marokko, Tunesien und Israel den Vorschlag, während die Türkei ihn nicht als eine Alternative zur EU-Mitgliedschaft akzeptierte. Die Regierung Libyens erklärte es als einen Fehler der französischen Regierung, den Vorschlag zu lancieren, ohne sich zuvor mit den nordafrikanischen Staaten zu beraten. Am 11. Juni 2008 verschärfte der libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi seine Kritik noch und erklärte, die EU versuche mit der Union für das Mittelmeer andere Organisationen wie die Arabische Liga und die Afrikanische Union zu spalten, in denen die meisten nordafrikanischen Staaten Mitglied sind. [1]
[Bearbeiten] Reduktion der Pläne
Anfang 2008 begann Sarkozy, seine Pläne für die Mittelmeerunion zu reduzieren, um die Kritik anderer EU-Mitgliedsstaaten und der Kommission aufzufangen. Ende Februar erklärte der französische Europaminister Jean-Pierre Jouyet, dass es "keine Mittelmeerunion", sondern eine "Union für das Mittelmeer" geben würde, die die bestehenden EU-Strukturen lediglich "ergänzen und bereichern" solle. Nach einem Treffen mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel im März 2008 wurde vereinbart, dass das Projekt alle EU-Mitgliedsstaaten umfassen und auf dem bestehenden Barcelona-Prozess aufbauen soll. Auch wurde der Plan aufgegeben, mit der Mittelmeerunion einen türkischen EU-Beitritt zu ersetzen: Der Türkei wurde eine Garantie angeboten, dass die Gründung der Mittelmeerunion die Beitrittsverhandlungen mit der EU nicht beeinflussen würde; daraufhin erklärte sie sich zur Teilnahme daran bereit.
Am 13. März 2008 beschloss schließlich der Europäische Rat die Gründung der Mittelmeerunion. Die Gründungszeremonie ist für den 13. Juli 2008 vorgesehen.
[Bearbeiten] Institutionen und Ziele
Die Mittelmeerunion soll eine losere Gemeinschaft bilden als die EU. Sarkozy rief zwar die Mittelmeerstaaten dazu auf, "dasselbe zu tun, mit demselben Ziel und derselben Methode" wie die Europäische Union, stellte jedoch klar, dass die Mittelmeerunion nicht auf dem supranationalen Modell der EU gegründet sein würde.
Bei der Reduktion der Pläne Anfang 2008, wurden einige der ursprünglichen Vorschläge fallen gelassen, darunter eine Reihe von zu gründenden Agenturen und der Plan einer "Mittelmeer-Investitionsbank" (die nach dem Vorbild der Europäischen Investitionsbank gebildet sein sollte). Stattdessen sollte sich die Mittelmeerunion lediglich auf einzelne konkrete Projekte konzentrieren.
Geplant sind regelmäßige Konferenzen der Mitgliedsstaaten unter einem jeweils rotierenden Vorsitz (nach Vorbild des Europäischen Rats, um über Themen wie Energie, Sicherheit, Terrorismusbekämpfung, Immigration und Handel zu beraten. Die Mittelmeerunion und die EU sollen dabei zusammenarbeiten und einige Institutionen teilen. Ein gemeinsamer Bereich zur Bekämpfung von Korruption, Terrorismus, organisiertem Verbrechen und Menschenhandel ist vorgesehen.
[Bearbeiten] Voraussichtliche Mitgliedsstaaten
Die Mittelmeerunion soll aus allen EU-Staaten sowie aus den Mittelmeeranrainern bestehen, die auch im Barcelona-Prozess beteiligt sind.
Die ursprünglichen Pläne umfassten lediglich diejenigen EU-Staaten, die auch selbst an das Mittelmeer angrenzen (Frankreich, Portugal, Spanien, Italien, Malta, Griechenland, Slowenien, Zypern); alle anderen EU-Staaten sollten nur Beobachterstatus besitzen. Dieser Plan wurde aber von den nördlichen EU-Staaten, insbesondere von Deutschland, abgelehnt und daher im März 2008 verworfen.
Staat | Mitgliedschaft | Bevölkerung | Fläche in km² |
---|---|---|---|
Ägypten | ENP, Barcelona | 80.335.036 | 1.001.449 |
Algerien | Barcelona | 33.333.216 | 2.381.740 |
Belgien | EU, Barcelona | 10.584.534 | 30.528 |
Bulgarien | EU, Barcelona | 7.679.290 | 110.912 |
Dänemark | EU, Barcelona | 5.457.415 | 43.094 |
Estland | EU, Barcelona | 1.342.409 | 45.226 |
Finnland | EU, Barcelona | 5.289.128 | 338.145 |
Frankreich | EU, Barcelona | 63.392.140 | 674.843 |
Deutschland | EU, Barcelona | 82.314.906 | 357.050 |
Griechenland | EU, Barcelona | 11.125.179 | 131.990 |
Irland | EU, Barcelona | 4.239.848 | 70.273 |
Israel | ENP, Barcelona | 7.184.000 | 20.770 |
Italien | EU, Barcelona | 59.131.287 | 301.318 |
Jordanien | ENP, Barcelona | 5.924.000 | 89.342 |
Lettland | EU, Barcelona | 2.281.305 | 64.589 |
Libanon | ENP, Barcelona | 4.099.000 | 10.452 |
Libyen | Barcelona (Beobachter) | 6.036.914 | 1.759.540 |
Litauen | EU, Barcelona | 3.373.991 | 65.303 |
Luxemburg | EU, Barcelona | 476.200 | 2.586 |
Malta | EU, Barcelona | 404.962 | 316 |
Marokko | ENP, Barcelona | 33.757.175 | 446.550* |
Niederlande | EU, Barcelona | 16.372.715 | 41.526 |
Österreich | EU, Barcelona | 8.316.487 | 83.871 |
Palästinensische Autonomiegebiete | ENP, Barcelona | 3,8E+6 | 6.020 |
Polen | EU, Barcelona | 38.116.486 | 312.683 |
Portugal | EU, Barcelona | 10.599.095 | 92.391 |
Rumänien | EU, Barcelona | 21.565.119 | 238.391 |
Schweden | EU, Barcelona | 9.142.817 | 449.964 |
Slowakei | EU, Barcelona | 5.396.168 | 49.037 |
Slowenien | EU, Barcelona | 2.013.597 | 20.273 |
Spanien | EU, Barcelona | 45.116.894 | 506.030 |
Syrien | Barcelona | 20.314.747 | 185.180 |
Tschechien | EU, Barcelona | 10.306.709 | 78.866 |
Tunesien | ENP, Barcelona | 10.102.000 | 163.610 |
Türkei | EU-Beitrittskandidat, Barcelona | 75.158.647 | 783.562 |
Ungarn | EU, Barcelona | 10.066.158 | 93.030 |
Vereinigtes Königreich | EU, Barcelona | 60.587.300 | 244.820 |
Republik Zypern | EU, Barcelona | 766.400 | 9.251 |