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Parmalat – Wikipedia

Parmalat

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Parmalat
Unternehmensform Aktiengesellschaft
Gründung 1961
Unternehmenssitz Collecchio (PR), Italien
Unternehmensleitung Raffaele Picella
(Chairman)
Enrico Bondi
(CEO)
Mitarbeiter 14.721 (31.12.2007)
Umsatz 3,895 Mrd. Euro (31.12.2007)
Branche Lebensmittel
Website www.parmalat.net

Parmalat ist ein italienischer Lebensmittelkonzern, der zu Europas größten Molkereiunternehmen zählt. Die in Collecchio in der Nähe von Parma ansässige Unternehmensgruppe musste im Dezember 2003 Insolvenz anmelden und wurde bis im Oktober 2005 von einem Insolvenzverwalter geleitet. Parmalat beschäftigt weltweit rund 14.700 Mitarbeiter und erwirtschaftete 2007 einen Umsatz von knapp 3,9 Milliarden Euro. 5000 italienische Milchbauern sind auf das Unternehmen als Großabnehmer angewiesen. Die Aktien von Parmalat sind seit dem 6. Oktober 2005 wieder an der Italienischen Börse gehandelt.


Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Unternehmensgeschichte

1961 eröffnete ein 22-jähriger Studienabbrecher, Calisto Tanzi, eine kleine Molkerei in Collecchio in der Nähe von Parma. Das Geschäft lief so gut, dass er es nach kurzer Zeit auf die Großstädte Genua, Florenz und Rom ausweitete. Tanzis Unternehmen war die erste Molkerei Italiens, die die Milch statt in Glasflaschen in die gerade aufgekommenen Tetra-Paks abfüllen ließ. Als 1965 der schwedische Verpackungshersteller Tetra-Paks für ultrahocherhitzte Getränke erfand, gehörte Tanzi zu den ersten, die sie einsetzten. Weitere Innovationen, wie das "functional food" Vitamin-C-Milch folgten. Das Unternehmen wurde bald zum Marktführer in Italien. Seit 1968 firmiert es unter dem Namen Parmalat und ist seit 1973 an der Mailänder Börse notiert.

Bald war das Unternehmen zu einem multinationalen Konzern angewachsen, der neben Molkereiprodukten, Getränke, Gebäck, Suppen und andere Nahrungsmittel herstellte. Katholische Finanzkreise sollen die Expansion Tanzis mitfinanziert haben und dieser soll im Gegenzug Politiker und Kurienkardinäle großzügig mit Privatjets und Firmenhubschraubern befördert haben.

[Bearbeiten] Explosionsartige Expansion

2002 beruhten 57 % des Umsatzes von € 7,5 Mrd. auf Frischmilch. Nach der Börsennotierung erfolgte folgende Expansion:

  • Expansion von sechs in dreißig Staaten in Europa, Afrika und Lateinamerika seit 1990
  • Fußballclub FC Parma, geleitet von Tanzis Sohn Stefano als Präsident und Vorstandsmitglied bei Parmalat
  • Parma Tour – Touristikunternehmen (Bankrott, verkauft), geleitet von Tanzis Tochter Francesca als CEO
  • Fernsehprogramm, Odeon TV (verkauft)

[Bearbeiten] Finanzbetrug

Gegen Ende 2003 kam einer der größten Unternehmensskandale der Geschichte ans Licht: in der Bilanz von Parmalat fehlten acht Milliarden Euro.

1999 hatte Parmalat auf den Cayman Islands ein Tochterunternehmen unter dem Firmennamen Bonlat eintragen lassen. Zwei Jahre vor dem Zusammenbruch soll ein Manager des Lebensmittelkonzerns dem italienischen Kabarettisten Beppe Grillo verraten haben, dass die Verschuldung des Konzerns längst seinen Jahresumsatz überstieg. Grillo nutzte diese Information für einen Sketch, den die Öffentlichkeit aber nicht ernst nahm.

Die finanziellen Probleme wurden erstmals Anfang 2003 sichtbar, als das Unternehmen Anleihen im Wert von € 500 Mio. zu verkaufen versuchte und der Chief Financial Officer Fausto Tonna im März 2003 zurücktrat (er wurde durch Alberto Ferraris ersetzt).

Die italienische Börsenaufsicht Consob äußerte im Frühjahr einen Verdacht auf Unstimmigkeiten, woraufhin Tanzi mit Schadensersatzforderungen drohte. Milchbauern in Nicaragua und Collecchio in der Provinz Parma hielt Parmalat drei bis sechs Monate hin, bevor er ihre Lieferungen bezahlte. Als das italienische Kartellamt Tanzi aufforderte, drei Molkereibetriebe zu verkaufen, kaufte er sie über Strohmänner wieder zurück.

Die ganze Tragweite der Verschuldung wurde im November öffentlich, als dubiose Transaktionen mit dem Fonds Epicurum auf den Cayman Islands bekannt wurden und die Parmalat-Aktie an den Börsen drastisch an Wert verlor. Ferraris trat zurück und wurde durch Luciano Del Soldato ersetzt.

Im Dezember trat Del Soldato zurück, als Parmalat trotz einer angeblichen Liquidität von € 4,5 Mrd. keine Barmittel vom Epicurum Fonds requirieren konnte, die es für Verbindlichkeiten und fällige Zahlungen auf eine € 150 Mio. Anleihe dringend benötigte. Enrico Bondi wurde als Sanierer in das Unternehmen gerufen. Tanzi trat als Vorsitzender und CEO zurück. Parmalats Hausbank, die Bank of America, deckte auf, dass 3,95 Mrd. EUR in der Bilanz von Bonlats ein fiktiver Posten waren. Der Verkauf von Milchpulver von Singapur nach Kuba im Wert von US-$ 359 Mio. stellte sich ebenso als fiktiv heraus, wie auch der Verkauf eines Patents für ultrahocherhitzte Milch im Wert von US-$ 90 Mio. oder der Verkauf der Fruchtsaftmarke Santal für US-$ 210 Mio.

Premierminister Silvio Berlusconi veranlasste Betrugsermittlungen und berief Bondi zum Sanierer des Unternehmens. Tanzi, einst Symbol unbeschränkten Erfolgs, wurde wenige Stunden nach der Insolvenzerklärung verhaftet und des Finanzbetrugs und der Geldwäsche angeklagt. Selbst Branchenkenner waren überrascht, wie trotz Rechnungsprüfung und Bankenaufsicht derartige Bilanzfälschungen möglich waren. So verkaufte sich Parmalat z. B. selbst Credit Linked Notes, in Wirklichkeit platzierte es ein Gebot auf seine eigene Kreditwürdigkeit, um ein Vermögen in dünner Luft heraufzubeschwören.

Tanzi gehörte mit Sergio Cragnotti vom insolventen römischen Konservenhersteller Cirio und dem Medienzaren Silvio Berlusconi zu den wirtschaftlichen Größen der 90er Jahre. Er verkörperte den Traum vom Selfmademan, der aus dem Nichts einen international agierenden Konzern gemacht hatte. Der Staatspräsident machte ihn zum „Ritter der Arbeit“. Bei seiner Vernehmung im San Vittore-Gefängnis in Mailand gestand er, Gelder in der Höhe von ca. € 500 Mio. von Parmalat für Parmatour und andere Unternehmen zweckentfremdet verwendet zu haben. Seine Fußball- und Tourismus-Unternehmen erwiesen sich ebenso als finanzielle Desaster wie Tanzis Versuch, mit Berlusconi durch den Kauf von Odeon TV zu konkurrieren - er musste die Firma mit einem Verlust von etwa € 45 Mio. verkaufen. Gegenüber dem Mailänder Staatsanwalt Francesco Greco, einer der Ermittler im Rahmen von Mani pulite, sollen Parmalat-Manager eingeräumt haben, dass die Bilanzen bereits seit 1988 frisiert waren.

2004 summierte sich der von den Staatsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Bankern ermittelte Fehlbetrag auf € 23 Mrd. Allein bei der römischen Bank Capitalia, die auch an der insolventen Cirio beteiligt war, fehlten € 1,5 Mrd., weitere € 700 Mio. bei der Bank of America; auch die Deutsche Bank besaß eine Beteiligung von 5 % an Parmalat. Die Citigroup soll eine Off-Shore-Gesellschaft (off-shore = vor der Küste gelegen = Inselstaat) mit der Bezeichnung Buconero im Wert von € 500 Mio. erfunden haben.

Bondi reichte gegen 45 Banken Klage ein. Gegen vier davon nahm die Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf: Citibank, Deutsche Bank, Morgan Stanley und UBS.

Im September 2005 begann der erste Strafprozess in Mailand. Am 5. Juni 2006 wurde in Parma ein weiteres Gerichtsverfahren gegen 64 ehemalige Geschäftsführer und Mitarbeiter eröffnet. Unter den Angeklagten sind Calisto Tanzi, sein Sohn Stefano und sein Bruder Giovanni.[1] Das Hauptverfahren hätte am 14. März 2008 eröffnet werden sollen, wurde aber bereits wenige Minuten nach Beginn auf den 6. Mai 2008 vertagt; der Hauptangeklagte Tanzi, dem bis zu 15 Jahre Haft drohen, erschien aus gesundheitlichen Gründen nicht vor Gericht. Sämtliche 55 weitere Angeklagten erschienen ebenfalls nicht zum Prozess. [2] [3]

[Bearbeiten] Parmalat in der Welt

Parmalat in der Welt: blau Standorte, grün Lizenznehmer
Parmalat in der Welt: blau Standorte, grün Lizenznehmer

[Bearbeiten] Standorte

[Bearbeiten] Lizenznehmerstandorte

[Bearbeiten] Quellen

  1. Tages-Anzeiger: Start zum Parmalat-Prozess, 5. Juni 2006
  2. Tages-Anzeiger: Der Jahrhundertprozess soll endlich beginnen, 13. März 2008.
  3. Corriere della Sera, 14. März 2008

[Bearbeiten] Literatur

  • Vittorio Malagutti: Buconero SpA – dentro il crac Parmalat
  • Günter Fritz: Der Parmalat Skandal Orac, Wien 2004, ISBN 3-7015-0469-5

[Bearbeiten] Weblinks


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