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Kriegsvölkerrecht – Wikipedia

Kriegsvölkerrecht

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Als Kriegsvölkerrecht werden zusammenfassend zwei verschiedene Aspekte des internationalen öffentlichen Rechts bezeichnet. Zum einen zählt zu diesem Bereich des Völkerrechts das Recht zum Krieg (ius ad bellum), also Fragen der Legalität des Führen eines Krieges. Zum anderen gehört zum Kriegsvölkerrecht auch das Recht im Krieg (ius in bello), also Regeln zum Umgang mit Kombattanten, Nichtkombattanten, Kulturgut und andere Vorschriften, welche die mit einem Krieg verbundenen Leiden und Schäden vermindern oder auf ein unvermeidbares Maß beschränken sollen. Dieser Teil wird zusammenfassend auch als humanitäres Völkerrecht bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Das Recht zum Krieg (ius ad bellum)

Kriege sind grundsätzlich völkerrechtswidrig. Dies ergibt sich aus Artikel 2 der Charta der Vereinten Nationen, der die Androhung oder Anwendung von Gewalt verbietet. Artikel 51 erlaubt im Falle eines bewaffneten Angriffs jedoch die Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat die „erforderlichen Maßnahmen getroffen hat“.

Als völkerrechtliche Definition der Selbstverteidigung gelten hierbei die Caroline-Kriterien. Dies bedeutet u.a., dass ein Präventivkrieg kaum noch zulässig ist. Nur wenn ein Angriff der Gegenseite unmittelbar gegenwärtig ist, kann dem vorgegriffen werden. Die UN-Charta legitimiert jedoch militärische Handlungen der Vereinten Nationen im Rahmen „friedensschaffender“ oder „friedensbewahrender“ Maßnahmen.

Noch bis zum Kellogg-Pakt von 1928 war der rechtliche Zustand jedoch annähernd umgekehrt: Das Recht des Souveräns zur freien Kriegführung im Sinne des ius ad bellum war weitgehend unbestritten, zumindest bei Vorliegen eines casus belli, das heißt eines als Kriegsgrund eingestuften Anlasses.

[Bearbeiten] Das Recht im Krieg (ius in bello)

Große Teile des Rechts im Krieg werden heute unter der Bezeichnung Humanitäres Völkerrecht zusammengefasst. Kriegshandlungen sind nur zulässig in den Grenzen der völkerrechtlichen Vereinbarungen der Haager Abkommen, insbesondere der Haager Landkriegsordnung, und der Genfer Abkommen über die Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der bewaffneten Kräfte, über die Behandlung der Kriegsgefangenen und über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten. Insbesondere ist ein Angriff auf diese geschützten Personenkreise unzulässig und stellt ein Kriegsverbrechen dar.

[Bearbeiten] Durchsetzung geltenden Rechts

Zur Überprüfung völkerrechtlicher Streitigkeiten ist in Den Haag der Internationale Gerichtshof eingerichtet worden, der auch in Fragen des Kriegsvölkerrechts Recht spricht. Mit dem Römischen Statut zum Internationalen Strafgerichtshof ist ein internationaler Gerichtshof zur Ahndung von Straftaten gegen das Kriegsvölkerrecht geschaffen worden. Das deutsche Recht hat diese Entwicklung des Völkerstrafrechts in der Form eines Völkerstrafgesetzbuches übernommen.

[Bearbeiten] Geschichte

Ursprünglich war der Krieg ein weitgehend rechtsfreier Raum, es entwickelten sich jedoch mehr oder weniger unverbindliche Gebräuche.

Zu Zeiten der Römer prägte Cicero den lateinischen Rechtssatz inter arma enim silent leges: Unter Waffen schweigen die Gesetze. Andererseits wurde Caesar in Rom wegen seiner Kriegführung in Gallien kritisiert. Auch wenn dies durch politische Widersacher betrieben wurde, zeigt es das Vorhandensein gewisser Moralvorstellungen über die Kriegführung. Augustinus von Hippo entwickelte am Übergang von Antike zum Mittelalter den Begriff des bellum iustum, des gerechten Krieges.

Im Hochmittelalter kam es im Zusammenhang mit den Kreuzzügen sogar kurzzeitig zur Verwendung des Begriffes bellum sacrum, heiliger Krieg. Das entstehende Völkerrecht griff in der Neuzeit mit den Spanischen Spätscholastikern und Grotius den Begriff des bellum iustum auf. Insbesondere die Frage, ob Unschuldige im Krieg getötet werden dürften, wurde kontrovers diskutiert. Der Begriff wurde im Zeitalter der Kabinettskriege bloße Formel, die mit der Findung eines casus belli leicht zur Anwendung kommen konnte. Im 19. Jahrhundert schließlich setzte sich die Lehre des ius ad bellum im Sinne eines Rechts zur freien Kriegführung durch.

Der erste, wenn auch zeitlich und lokal begrenzte Versuch einer Kodifizierung von Regeln des Kriegsvölkerrechts war der Lieber Code, der während des Amerikanischen Bürgerkrieges für die Truppen der Nordstaaten galt. In Form von internationalen und dauerhaften Vereinbarungen nahm das humanitäre Völkerrecht seinen Anfang mit Dunants Erlebnissen nach der Schlacht von Solferino, was auf seine Initiative hin zur Genfer Konvention führte. Auf der Brüsseler Konferenz von 1874 wurde erstmals versucht, die Gesetze und Gebräuche des Krieges in Form einer international verbindlichen Konvention festzulegen, was jedoch mangels späterer Ratifikationen der Deklaration von Brüssel keinen Erfolg hatte. Ein weiteres wichtiges Dokument in der Geschichte des Kriegsvölkerrechts war das 1880 vom Institut de droit international beschlossene Oxford Manual, das unter dem Titel Manuel des lois de la guerre sur terre („Die Regeln des Landkrieges“) wichtige Vorschriften zur Kriegführung zusammenfasste. Gedacht war dieses Regelwerk vor allem als Vorschlag an die damaligen Staaten für eine entsprechende nationale Gesetzgebung. Ende des 19. Jahrhunderts kam es auf den zunächst als Abrüstungskonferenzen geplanten Haager Friedenskonferenzen zu weitreichenden Vereinbarungen über die Kriegführung, außerdem zur Einrichtung des ersten internationalen Schiedsgerichts.

Die Erlebnisse des Ersten Weltkriegs führten zu einer Veränderung der Auffassung vom ius ad bellum, so dass es zum Briand-Kellogg-Pakt kommen konnte, der Angriffskriege grundsätzlich verbot. Der Völkerbund sollte eine friedliche Ordnung sichern, was aber scheiterte. Nach dem zweiten Weltkrieg kam es daher 1945 mit der Charta der Vereinten Nationen zu einer grundlegenden Neuordnung des internationalen Rechts.

Angesichts der hohen Verluste unter der Zivilbevölkerung wurde eine Verbesserung ihres Schutzes für notwendig erachtet. So war insbesondere der Schutz von Zivilpersonen vor Repressalien analog dem der Kriegsgefangenen vorrangiges Ziel der Genfer Konventionen von 1949. Während des Krieges hatten insbesondere die deutsche Besatzungsmacht unter dem Vorwand der Repressalie zahllose Massenmorde an Zivilisten begangen. Im Rahmen der Nachkriegsjustiz wurden diese Morde als grundsätzlich völkerrechtswidrig eingestuft, lediglich als äußerstes Mittel zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung wurden sogenannte „Sühnemaßnahmen“ als unter bestimmten, sehr eng gefassten Bedingungen als theoretisch zulässig erachtet. Zu einer einheitlichen Rechtsprechung kam es jedoch nicht mehr, bevor der Schutz von Zivilpersonen durch die Genfer Konvention zur Rechtsnorm erhoben wurde.[1] Dieser Schutz wurde 1977 in den Zusatzprotokollen erweitert, so dass Repressalien gegen Personen heute weitestgehend ausgeschlossen sind. 2002 wurde der Internationale Strafgerichtshof geschaffen.

[Bearbeiten] Quellen

  1. A.R. Albrecht: War Reprisals in the War Crimes Trials and in the Geneva Conventions of 1949. In: The American Journal of International Law Vol. 47, No. 4 (Oct., 1953), 590-614.

[Bearbeiten] Literatur

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