Valeska Gert
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Valeska Gert, eigentlich Gertrud Valesca Samosch (* 11. Januar 1892 in Berlin; † zwischen dem 15. und 18. März 1978 in Kampen/Sylt), war eine Tänzerin und Kabarettistin, die gelegentlich auch als Schauspielerin tätig war.
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[Bearbeiten] Leben
Valeska war das älteste Kind des Berliner Kaufmanns Theodor Samosch und seiner Ehefrau Augusta Rosenthal. Auf Veranlassung der Mutter erhält sie seit dem siebten Lebensjahr Tanzstunden. 1915/16 nimmt sie Schauspielunterricht bei Maria Moissi und Alfred Breiderhoff. Wenig später erhält Gert ein Engagement an den Münchner Kammerspielen und im Jahr darauf kann sie bereits große Erfolge als Solotänzerin in Berlin und München verzeichnen. Ihre exzentrischen Tanzpantomimen mit so klangvollen Bezeichnungen wie "Boxen", "Nervosität" oder "Kupplerin" machen sie schließlich zum skandalumwitterten Star. Gezielt nutzt sie ihr wenig ansprechendes Aussehen mit Stil und Witz für ihre Darstellung. 1925 ist sie erstmals in einem Film zu sehen. In Hans Neumanns Parodie von Ein Sommernachtstraum verkörpert sie den Puck. Kurz darauf setzt sie Georg Wilhelm Pabst mit großem Gewinn in seinem während der Krise der Inflationszeit spielenden Straßenfilm Die freudlose Gasse (1925) ein, in dem sie eine schmierige Kupplerin gibt. Danach sieht man sie in Alraune und dem eher belanglosen Streifen So ist das Leben. 1929 kommt es erneut zu einer Zusammenarbeit mit Pabst: Er engagiert sie für Tagebuch einer Verlorenen. Hier brilliert sie als sadistische Leiterin eines Heims für gefallene Mädchen. Es sind vor allem die Szenen mit Valeska Gert, die dem Zuschauer im Gedächtnis haften bleiben: Während sie ihre leicht bekleideten Schutzbefohlenen zu Turnübungen animiert, treibt sie sich durch das Schlagen eines Gongs in eine Schrecken erregende Ekstase, die in einem veritablen Orgasmus mündet. Einen größeren Bekanntheitsgrad erlangt sie ein Jahr später mit ihrem Auftritt als Mrs. Peachum in der ebenfalls von Pabst in Szene gesetzten Dreigroschenoper. Auch bei den Künstlern jener Zeit erregt sie Aufmerksamkeit: Bauhaus-Schüler Wassiljef malt sie im „Tod“ , Jeanne Mammen verewigt sie 1929 als „Chansonette“ und Charlotte Berend-Corinth hält sie tanzend in einer Graphik-Folge fest.
1933 von den Nazis als „entartet“ diffamiert, emigriert Gert über Frankreich zunächst nach England. In London ist sie an dem experimentellen Kurztonfilm Pett and Pot beteiligt. Es ist für lange Zeit ihr letzter Film. 1938 geht sie in die USA. Hier hat sie es schwer, in ihrem bisherigen Beruf zu arbeiten und ist zunächst als Tellerwäscherin tätig. 1941 eröffnet Gert in New York die Beggar Bar, eine Mischung aus Kabarett und Restaurant, die sie jedoch 1945 wegen behördlicher Auflagen wieder schließen muss. Einer ihrer Kellner ist der später als Dramatiker weltberühmt gewordene Tennessee Williams.
1947 kehrt sie nach Europa zurück. Nach Zwischenaufenthalten in Paris und Zürich reist Gert 1949 in das unter Blockade stehende Berlin, wo sie im Folgejahr die „Hexenküche“ eröffnet. 1951 erfolgt die Eröffnung des legendären „Ziegenstalls“ in Kampen auf der Nordseeinsel Sylt. In der skurrilen, mit Heu dekorierten Bar sorgen die Kellner nicht nur für das leibliche Wohl, sondern auch für die Unterhaltung der Gäste. Valeska Gert tritt hier jedoch selbst nicht auf.
1965 holt sie der italienische Filmregisseur Federico Fellini für den Film Julia und die Geister vor die Kamera, in dem sie, mit einer weißen Perücke versehen, die Rolle eines Faktotums übernimmt. Am 28. Juni 1970 erhält sie das Filmband in Gold für ihr langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film.
1976 ist sie in Volker Schlöndorffs Der Fangschuss als Tante Preskovia zu sehen. Schlöndorff dreht anschließend die Dokumentation Nur zum Spaß nur zum Spiel, in dem Gert über ihr Leben erzählt. 1978 erhält sie von Werner Herzog das Angebot, in seiner Neuverfilmung des Murnau-Klassikers Nosferatu den Häusermakler Knock zu spielen. Am 1. März unterzeichnet sie den Vertrag; doch sie stirbt knapp zwei Wochen später, noch vor Beginn der Dreharbeiten. Am 18. März 1978 machen sich Nachbarn und Bekannte Sorgen, weil Valeska Gert seit vier Tagen nicht mehr gesehen wurde. Als die Haustür in Gegenwart der Polizei gewaltsam geöffnet wird, ist Gert bereits tot. Vermutlich ist sie am 16. März gestorben.
Valeska Gert wurde in ihrer Geburts- und Lieblingsstadt Berlin beerdigt, wo sie auch nach ihrer Remigration noch lange Zeit (parallel zu Sylt) eine Wohnung hatte. Sie durfte auf dem Friedhof Ruhleben (Am Hain) in (West)-Berlin nicht wunschgemäß in einem "knallroten Sarg" bestattet werden, doch war der Sarg mit einem roten Tuch bedeckt. Der schwarze Grabstein trägt ihren Namen als Autogramm in Pink. Ihr Nachlass gelangte durch ihren Biographen an das Archiv der Akademie der Künste Berlin; bemerkenswerte Dokumente besitzen auch die Theaterwissenschaftliche Sammlung der Universität zu Köln und das Deutsche Tanzarchiv Köln. Valeska Gert ist ein Stern im Walk of Fame des Kabaretts gewidmet. Im Berliner Stadtteil Friedrichshain ist eine Straße nach Valeska Gert benannt.
[Bearbeiten] Filmographie
[Bearbeiten] Stummfilme
- 1924/25: Ein Sommernachtstraum - Deutschland, Regie: Hans Neumann
- 1925: Die freudlose Gasse – Deutschland, Regie: Georg Wilhelm Pabst
- 1926: Nana – Deutschland/Frankreich, Regie: Jean Renoir nach Émile Zola
- 1928: Alraune - Deutschland, Regie: Henrik Galeen, nach Hanns Heinz Ewers
- 1929: Der Tod (Experimentalfilm) - Deutschland, Regie: Carl Koch
- 1929: So ist das Leben – Deutschland, Regie: Carl Junghans
- 1929: Tagebuch einer Verlorenen - Deutschland, Regie: Georg Wilhelm Pabst, nach Margarethe Böhme
- 1929/30: Menschen am Sonntag. Deutschland, Regie: Robert Siodmak, Rochus Gliese, Edgar G. Ulmer
[Bearbeiten] Tonfilme
- 1930/31: Die Dreigroschenoper – Deutschland, Regie: Georg Wilhelm Pabst
- 1934: Pett and Pott – Großbritannien, Regie: Alberto Cavalcanti
- 1965: Julia und die Geister (Guilietta degli Spiriti) – Deutschland/Italien/Frankreich, Regie: Federico Fellini
- 1966: Die gute Dame (La bonne Dame) – Frankreich, Regie: Pierre Philippe
- 1973: Acht Stunden sind kein Tag. Folge: Franz und Ernst (TV-Serie) - Regie: Rainer Werner Fassbinder
- 1975: Die Betörung der blauen Matrosen – Deutschland, Regie: Ulrike Ottinger
- 1976: Der Fangschuß – Deutschland, Regie: Volker Schlöndorff
- 1977: Nur zum Spaß, nur zum Spiel – Kaleidoskop Valeska Gert (Dokumentarfilm) – Deutschland, Regie: Volker Schlöndorff
[Bearbeiten] Auszeichnungen
- 1970: Filmband in Gold für langjähriges und hervorragendes Wirken im deutschen Film
[Bearbeiten] Literatur
Primärliteratur, Monographien von Valeska Gert
- Valeska Gert: Mein Weg. Leipzig 1931. (2. gering veränd. Aufl. im Selbstverlag o.O.u.J., ca. 1950)
- Valeska Gert: Die Bettlerbar von New York. Berlin 1950. (2. Aufl. im Selbstverlag o.O.u.J., ca. 1958)
- Valeska Gert: Ich bin eine Hexe. München 1968 (div. Neuauflagen)
- Valeska Gert: Die Katze von Kampen. Percha 1974
- Valeska Gert: Je suis une sorcière. Kaléidoscope d'une vie dansée. Paris 2004 (Übersetzung v. Ich bin eine Hexe, annotiert u. m. e. Vorwort v. Philippe Ivernel)
- Etwa 20 Aufsätze von Valeska Gert sind im Literaturverz. von F.-M. Peter (1985) angeführt.
Sekundärliteratur, Monographien über Valeska Gert
- Fred Hildenbrandt: Die Tänzerin Valeska Gert. Stuttgart 1928
- Frank-Manuel Peter: Valeska Gert: Tänzerin, Schauspielerin und Kabarettistin. Eine dokumentarische Biographie. Berlin 1985, 2. Aufl. 1987
- Susanne Foellmer∞: Valeska Gert. Fragmente einer Avantgardistin in Tanz und Schauspiel der 1920er Jahre. Bielefeld 2006. Mit CD-Rom (Tanzfilme von Gert, Mary Wigman und Niddy Impekoven)
- Solo für ein Mannequin von Grieneisen, Hommage an Valeska Gert, Hörcollage mit Monika Hansen und Gerd Wameling, duo-phon records, 2001
Sekundärliteratur, in Monographien
Valeska Gerts kühner neuer Tanzstil wurde schon frühzeitig in zeitgenössischen Büchern gewürdigt. Auswahl:
- Paul Nikolaus: Tänzerinnen. München (1919)
- Ernst Blass: Das Wesen der neuen Tanzkunst. Weimar 1921.
- Werner Suhr: Das Gesicht des Tanzes. Egestorf Bez. Hamburg 1927
Einbettung in den wissenschaftlichen Diskurs:
- Gabriele Brandstetter: Tanz-Lektüren. Körperbilder und Raumfiguren der Avantgarde. Frankfurt a.M. 1995
- Dianne S. Howe: Individuality and Expression – The Aesthetics of the New German Dance, 1908 – 1936. New York 1996
- Ramsay Burt: Alien bodies: representations of modernity, ‚race‘ and nation in early modern dance. New York 1998
- Christiane Kuhlmann: Bewegter Körper – Mechanischer Apparat. Zur medialen Verschränkung von Tanz und Fotografie in den 1920er Jahren. Frankfurt a.M. 2003
- Yvonne Hardt: Politische Körper. Ausdruckstanz, Choreografien des Protests und die Arbeiterkulturbewegung in der Weimarer Republik. Münster 2004
- Amelie Soyka: Lauter zischende kleine Raketen: Valeska Gert. In: Dies. (Hg.): Tanzen, tanzen und nichts als tanzen. Tänzerinnen der Moderne von Josephine Baker bis Mary Wigman. Berlin 2004, S. 123-137
[Bearbeiten] Weblinks
- Valeska Gert in der Internet Movie Database (englisch)
- Valeska Gert bei www.filmportal.de
- Valeska Gert bei www.cyranos.ch
- Fotos von Valeska Gert
- Literatur von und über Valeska Gert im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Personendaten | |
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NAME | Gert, Valeska |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Tänzerin und Kabarettistin |
GEBURTSDATUM | 11. Januar 1892 |
GEBURTSORT | Berlin |
STERBEDATUM | 18. März 1978 |
STERBEORT | Kampen, Sylt |