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Sigmund Aschrott – Wikipedia

Sigmund Aschrott

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Sigmund Aschrott
Sigmund Aschrott

Sigmund Aschrott (* 14. Juni 1826 in Hochheim am Main; † 5. Mai 1915 in Berlin) war ein deutsch-jüdischer Kaufmann, Industrieller, Bankier und Immobilienunternehmer. Er erschloss den so genannten Vorderen Westen, einen Stadtteil von Kassel.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Leben

[Bearbeiten] Industrieller

Im Jahre 1844 übernahm Sigmund Aschrott die väterliche Leinenhandelsfirma S. H. Aschrott (gegr. 1821) in Kassel, wo die Familie seit 1838 lebte. Er modernisierte das Leinengeschäft und führte die Kasseler Leinenindustrie zu Weltgeltung. Verheiratet war er mit Anna Herz (1832-1890), mit der er vier Töchter und den Sohn Felix Aschrott hatte.

[Bearbeiten] Immobilienunternehmer

Ab 1860 engagierte Aschrott sich im Immobiliengeschäft, kaufte westlich der damals in ihren engen mittelalterlichen Strukturen verharrenden Stadt Kassel im großen Stil landwirtschaftlich genutzte Flächen auf, parzellierte sie zu Baugrundstücken und erschloss sie mit einem gründerzeitlichen Straßenraster. In dem von ihm geschaffenen Hohenzollernviertel (heute „Vorderer Westen“ genannt) wurden repräsentative Gebäuden mit hohen, lichtdurchfluteten Räumen in Blockrandbebauung anlegt. Breite Gehwege, Grünanlagen, Vorgärten, Alleen und begrünte Plätze sorgten für eine hohe Wohnqualität. Störendes Gewerbe wurde ausgeschlossen. Für öffentliche Einrichtungen wie die Adventskirche, die Rosenkranzkirche, die Stadthalle oder für die Erweiterung des Diakonissenkrankenhauses stiftete er die Grundstücke.

Der „Vordere Westen“ ist heute einer der beliebtesten und attraktivsten Stadtteile von Kassel. Fast das gesamte von Aschrott geschaffene Stadtgebiet mit seinen Straßen, Plätzen und dem Stadtbild ist als Gesamtanlage als Kulturdenkmal eingestuft. Der Vordere Westen hat heute mit 277 einzelnen Kulturdenkmalen eine für Kassel einmalige Dichte an kulturellen Zeugnissen. Dem unternehmerischen Mut von Sigmund Aschrott verdankt Kassel heute eines seiner schönsten Stadtviertel.

[Bearbeiten] Anfeindung und Erinnerung

Monumentales Mausoleum aus rotem Granit von Bruno Schmitz, Jüdischer Friedhof Berlin-Weißensee
Monumentales Mausoleum aus rotem Granit von Bruno Schmitz, Jüdischer Friedhof Berlin-Weißensee

Zeit seines Lebens war Aschrott aber auch von Anfeindungen betroffen. Die Kaufleute der Kasseler Innenstadt befürchteten durch das neue Hohenzollernviertel eine Wertminderung ihrer Läden bzw. Grundstücke und einen Rückgang des Kundenstroms. Die damals noch eigenständige Gemeinde Wehlheiden sah sich durch den wachsenden neuen Stadtteil von einer Eingemeindung nach Kassel bedroht. Die politische Linke kritisierte ihn als Grundstücksspekulanten, und für die antisemitisch eingestellte Rechte war er der Inbegriff des reichen Juden, der seinen Wohlstand mehr oder weniger dubiosen Machenschaften verdankte. Seinem städtebaulichen Engagement stand die Stadt Kassel sehr skeptisch gegenüber und versuchte immer wieder, ihn durch Bauvorschriften zu bremsen. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde als bewusste Schähung seines Andenkens im April 1939 der von ihm 1908 gestiftete Aschrottbrunnen vor dem Kasseler Rathaus zerstört.

1887 zog Aschrott nach Berlin, wo er 1898 in die Gesellschaft der Freunde aufgenommen wurde. 1900 erhielt er den Titel eines königlich-preußischen Kommerzienrates, nachdem er dem Fiskus ein großes Landstück in Kassel zur Einrichtung eines Exerzierplatzes geschenkt hatte. Es folgten weitere Orden und Titel: 1903 Roter Adlerorden 3. Klasse, 1905 Kronenorden 3. Klasse, 1906 Roter Adlerorden 3. Klasse mit der Schleife, 1907 Geheimer Kommerzienrat, 1913 Kronenorden 2. Klasse. Aschrotts Vermögen stieg zwischen 1897 und 1906 von 26 auf 40 Millionen Mark.

Sigmund Aschrott wurde auf dem jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee im Feld C2 bestattet.


[Bearbeiten] Aschrott´sche Stiftungen

Sein Sohn, der zunächst in Elberfeld, dann in Berlin lebende Landgerichtsdirektor Dr. Felix Aschrott (1858-1927), vermachte zwei Drittel seines Vermögens im Wert von knapp 3 Millionen Reichsmark zwei Stiftungen, die der Stadt Kassel bzw. ihren Bürgerinnen und Bürgern zugute kommen sollten: die Stiftung „Dr. Aschrott Wohlfahrtshaus“ und die Stiftung „Marie von Boschan-Aschrott Altersheim“. Für den Bau beider Einrichtungen wurden zunächst Architekturwettbewerbe ausgelobt; zur Jury gehörte auch Karl Roth, der Architekt des Kasseler Rathauses und des Aschrottbrunnens. Das „Marie von Boschan-Aschrott Altersheim“ wurde dann von Mitte 1930 bis Anfang 1932 nach dem siegreichen Wettbewerbsentwurf des Architekten Otto Haesler aus Celle ausgeführt, die Bauleitung erledigte das städtische Hochbauamt. Das Gebäude – wegen der großen Fensterflächen der Wohntrakte im Volksmund auch als „Tanten-Aquarium“ verspottet – fand seinerzeit in Fachkreisen große Aufmerksamkeit und gehört heute zu den bedeutenden Baudenkmalen aus der Zeit des Neuen Bauens in Deutschland.

[Bearbeiten] Literatur

  • Baetz: Aufzeichnungen über den Geheimen Kommerzienrat Sigmund Aschrott und dessen Bedeutung für die wirtschaftliche und städtebauliche Entwicklung von Kassel. Kassel, 1952.
  • Annette Knobling, Wolfgang Schrader: Sigmund Aschrott – Ein weit ausgreifender Stadtgestalter oder ein gewöhnlicher Grundstücksspekulant? Kassel, 1986.
  • Ronald Kunze: Otto Haesler. Modelle sozialen Wohnens 1924-1934. Kassel, 1990.


[Bearbeiten] Weblinks


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