See also ebooksgratis.com: no banners, no cookies, totally FREE.

CLASSICISTRANIERI HOME PAGE - YOUTUBE CHANNEL
Privacy Policy Cookie Policy Terms and Conditions
Linguistische Versprecher-Theorien – Wikipedia

Linguistische Versprecher-Theorien

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Versprecher, also unbeabsichtigte sprachliche Fehler, die beim Sprechen unterlaufen und nicht auf organische oder sonstige gesundheitlichen Ursachen zurückgeführt werden können, sind ebenso wie „Verleser“ seit dem Jahr 1895, in dem die Untersuchung Versprechen und Verlesen. Eine psychologisch-linguistische Studie von Rudolf Meringer und Karl Mayer erschien, immer wieder Gegenstand linguistischer Untersuchungen und Sammlungen gewesen. Es handelt sich dabei um Erscheinungen, für die Fehlleistungen der Sprachproduktion verantwortlich gemacht werden und die sich besonders auffällig in Wortentstellungen, Ersetzung oder Austausch von Wörtern oder Wortteilen oder durch Kontaminationen von Wörtern oder Syntagmen (das bedeutet, deren "Verschmutzung" durch fremde Wort- oder Satzteile) bemerkbar machen. Oft kann man Versprecher korrigieren. Manchmal bemerkt man sie nicht, weil man geglaubt hat, zu sagen, was man sagen wollte.

Unbeabsichtigte Versprecher müssen von „gewollten Versprechern“ unterschieden werden, die womöglich die gleiche Form aufweisen, aber – etwa in kabarettistischen Sketchs – nicht auf Sprachplanungsfehler zurückgeführt werden können und als Anspielung, Ironie, Satire oder Witz eine besondere kommunikative Funktion wahrnehmen.

Eine besondere Form der Versprecher wird von vielen dann angenommen, wenn sie den Eindruck erwecken, dass die sprachliche Fehlleistung das heimliche Denken des Sprechers verrät; solche „verräterischen“ Versprecher werden als freudsche Versprecher bezeichnet. Leuninger (1993: 113ff) vertritt die Ansicht, dass es keiner solchen besonderen Kategorie bedarf, da auch diese Versprecher Ergebnis von Fehlleistungen der Sprachplanung seien und mehr über den „Möchtegernvoyeur, den Hörer nämlich“ [1] verrieten als über den Sprecher.

Von Versprechern sind Sprachstörungen, die auf Hirnschädigungen durch Schlaganfall, Trauma, Tumor und weitere Ursachen zurückgeführt werden können, zu unterscheiden. In solchen Fällen handelt es sich um Aphasien.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Versprecher aus linguistischer Sicht

Bei der Erforschung der Versprecher gilt das Interesse der Linguisten und Psychologen einerseits der Klassifikation der Phänomene, andererseits vor allem der Frage, wie die sehr unterschiedlichen Erscheinungsformen der Fehlleistungen zu erklären sind.

Die Frankfurter Sprachwissenschaftlerin Helen Leuninger erklärte mit Blick auf die frühen Untersuchungen von Meringer:

„Mit seiner Analyse wollte er Antworten finden auf die Fragen, welche psychologischen Mechanismen zu sprachlichen Fehlgriffen führen, welche sprachlichen Einheiten von diesen Mechanismen erfasst werden können und welche psychologisch-linguistische Struktur die Versprecher haben.“ [2]

Das Vorgehen bei neueren Erklärungsversuchen besteht darin, dass ein Sprachplanungsmodell entworfen und dann versucht wird, die Versprecher den Sprachplanungsebenen zuzuordnen [3] Leuninger (1996: 140) unterscheidet folgende Sprachplanungsphasen: Als erstes kommt die Botschaft, die einer anderen Person mitgeteilt werden soll. Diese Botschaft muss durch das Produktionssystem des Sprechers umgesetzt werden und durchläuft dabei folgende Ebenen (vereinfacht; hypothetisch): eine prädikative Ebene, auf der die Bedeutung geplant wird; eine positionale Ebene, auf der die grammatische Form entwickelt wird; es erfolgt eine lexikalische und grammatische Kontrolle, danach das Artikulationsprogramm mit einer Lautkontrolle, das die grammatisch strukturierte Form schließlich in eine angemessene Lautform, die sprachliche Äußerung, bringt. Die Versprecher lassen sich nun diesen Ebenen der Sprachplanung zuordnen.

Versprecher können nur innerhalb eines sehr engen zeitlichen Rahmens stattfinden, da sie wohl durch Fehlleistungen im Arbeitsspeicher des Sprechers zustandekommen, der im Zeitbereich für ca. 7 Silben zu liegen scheint.

Typen von Versprechern (alle aus Leuninger 1993) u.a.:

1. Ersetzungen aufgrund von Bedeutungs- oder Formähnlichkeit. Beispiel: „renommiert“ statt „renoviert“. (88) Es entsteht scheinbar kein neues Wort, sondern es wird eines durch das andere aufgrund von Formähnlichkeit ersetzt.

2. Vertauschungen, die bei Wörtern meist innerhalb derselben Wortart ablaufen. Wörter, Silben oder Laute tauschen ihren Platz. Beispiel [ursprünglich aus Rudolf Meringers Corpora: 1895 / 1908]: „zwecktischer Prack“ statt „praktischer Zweck.“ (83)

3. Antizipationen (Vorwegnahmen) und Postpositionen (Nachklänge). Beispiel für eine Antizipation: „Ich wollte sie stockbrieflich verfolgen lassen“: das <o> aus „verfolgen“ wird vorgezogen. (84)

4. Kontaminationen von Syntagmen oder Wörtern. Beispiel für eine Kontamination von Wörtern: „Hinwaltspunkt“ für „Hinweis/ Anhaltspunkt.“ (98)

Ein Beispiel für eine Zuordnung eines Versprechers zu einer der Sprachplanungsebenen: Den Versprecher „Ich kann nicht über meine Haut springen“ interpretiert Leuninger (1993: 164) als Kontamination der Wendungen „Ich kann nicht über meinen Schatten springen“ und „Ich kann nicht aus meiner Haut“ und ordnet sie der prädikativen Ebene zu, also der Ebene der Sprachplanung, auf der die Bedeutung geplant wird.

Leuninger verweist ferner darauf, dass bei zweisprachig aufwachsenden Kindern auch die Interaktion beider Sprachen zu Versprechern führen kann. [4] Hier wird ein Feld berührt, das unter dem Stichwort Fehlerlinguistik behandelt wird.

[Bearbeiten] Verhören, Verlesen, Verschreiben

Es sei noch darauf hingewiesen, dass Fehlleistungen nicht nur beim Sprechen auftreten; vielmehr ist auch in einem anderen wichtigen Bereich der Sprachproduktion, dem Schreiben, mit Sprachplanungsfehlern, d.h. mit Verschreibern, zu rechnen. Aber auch bei der Perzeption sprachlicher Äußerungen, beim Hören und Lesen, treten Fehler auf, für die gestörte Abläufe verantwortlich zu machen sind. Zu Hörfehlern meinte Goethe: "Der Hörer aber und sein Ohr tragen gleichfalls zu gedachtem Fehler bei. Niemand hört als was er weiß, niemand vernimmt als was er empfinden, imaginiren und denken kann."[5] Goethe führt in diesem kurzen Text außerdem eine kleine Liste von Hör- und Schreibfehlern an.

Auch Freud macht auf derartige Fehlertypen aufmerksam. Hörfehler nennt er im Index seiner Psychopathologie zwar nicht, wohl aber - neben Versprechen (Beispiele dafür dem Corpus des zeitgenössischen Linguisten Rudolf Meringer entnommen, nämlich 1901 bei Freuds Erstpublikation Zur Psychopathologie des Alltagslebens (Vergessen, Versprechen, Vergreifen) nebst Bemerkungen über eine Wurzel des Aberglaubens. In: Monatsschrift f. Psychiatrie u. Neurologie, X. Bd., 1. Heft, 1-13) - Verlesen, Verschreiben und Verdrucken mit vielen Textverweisen. [6]

[Bearbeiten] Zur Terminologie

Während sich heute offenbar Versprecher als Terminus gegenüber Fehlleistung (wobei ja noch nicht klar ist, ob es sich um gesprochene Sprache handelt – Versprechen im Sinne von Sichversprechen – oder um Vertun, Vergebärden etc.) und auch gegenüber Sprechfehler (im Sinne von Stottern, Stolpern, Sigmatismus etc.) weitgehend durchgesetzt hat, scheinen die denkbaren analogen terminologischen Bildungen für Fehler beim Hören, Lesen und Schreiben/Drucken nicht allgemein üblich zu sein. Es gibt sie allerdings, wie die Titel der Beiträge Ariadne auf Nixon. Verstreute Verhörer, Versprecher, Verleser, Verwechslungen [7] und Gottes Sohn Obi lacht. Versprecher, Verhörer [8] zeigen. Auch Verdrucker (= fehlerhaft gesetztes Wort) gibt es - erwartungsgemäß - bereits, wie man sich leicht bei Google überzeugen kann, auch wenn der Ausdruck anscheinend noch nicht in die Wörterbücher aufgenommen wurde.

[Bearbeiten] Einzelnachweise

  1. Leuninger 1993: 118
  2. Leuninger 1993: 82
  3. Leuninger 1993: 129ff; Leuninger 1996: 139ff
  4. Leuninger 1993: 126f
  5. Goethe, Johann Wolfgang von: Hör-, Schreib- und Druckfehler. In: Goethes Werke. Hrsg. im Auftrage der Großherzogin Sophie von Sachsen. 41. Bd., 1. Abtheilung. Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1902, S. 183-188; Zitat: 184.
  6. Sigmund Freud: Psychopathologie des Alltagslebens. Fischer, Frankfurt 1992. ISBN 3-596-26079-5
  7. Eckhard Henscheid, Gerhard Henschel, Brigitte Kronauer: Kulturgeschichte der Mißverständnisse. Studien zum Geistesleben. Reclam, Leipzig 1997, S. 464-468. ISBN 3-379-01689-6
  8. Burckhard Garbe: Goodbye Goethe. Neue Sprachglossen zum Neudeutsch. Herder, Freiburg/ Basel/ Wien 2007. ISBN 978-3-451-05828-8

[Bearbeiten] Literatur

  • Jörg Keller, Helen Leuninger: Grammatische Strukturen – kognitive Prozesse. Ein Arbeitsbuch. Narr, Tübingen 1993. Sprachproduktion: S. 208-219. ISBN 3-8233-4954-6
  • Helen Leuninger: Reden ist Schweigen, Silber ist Gold. Gesammelte Versprecher. 2. Auflage. Ammann, Zürich 1993. ISBN 3-250-10209-1
  • Helen Leuninger: Danke und Tschüss fürs Mitnehmen. Gesammelte Versprecher und eine kleine Theorie ihrer Korrekturen. Ammann, Zürich 1996. ISBN 3-250-10323-3 (Beide Bücher von Leuninger enthalten auch eine linguistische Theorie der Versprecher auf der Grundlage eines von ihr entworfenen Sprachplanungsmodells.)
  • Rudolf Meringer, Karl Mayer: Versprechen und Verlesen. Eine psychologisch-linguistische Studie. Göschen'sche Verlagshandlung, Stuttgart 1895. (Neudruck: A. Cutler, D. Fay (eds.): Amsterdam Studies in the Theory and History of Linguistic Science II: Classics in Psycholinguistics, Vol. 2. Benjamins, Amsterdam 1978)
  • Rudolf Meringer: Aus dem Leben der Sprache: Versprechen, Kindersprache, Nachahmungstrieb. Festschrift der k. k. Karl-Franzens-Universität Graz aus Anlaß der Jahresfeier am 15. XI. 1906. Behr's Verlag, Berlin 1908
  • Nora Wiedenmann: Versprecher und die Versuche zu ihrer Erklärung. Ein Literaturüberblick. Wissenschaftlicher Verlag Trier, Trier 1992. ISBN 3-88476-054-8
  • Nora Wiedenmann: A Corpus of German Speech Errors. In: Forschungsberichte des Instituts für Phonetik und Sprachliche Kommunikation der Ludwig-Maximilians-Universität München (FIPKM; University of Munich, FRG), 30 (1992), Supplement, S1-S77
  • Nora Wiedenmann: Versprecherdaten und Konsonantenvorkommenshäufigkeiten. Gesprochene Sprache aus Versprechersammlungen im Gegensatz zu geschriebener Sprache der KAEDING-Zählung [(German) Speech Error Data and Consonant Frequencies (in German). Casual Speech of (German) Speech Error Corpora and the Written Language of the Kaeding Count]. In: Sprache & Sprachen, 22 (1998), 16-39. ISSN 0934-6813
  • Nora Wiedenmann: Versprecher. Phänomene und Daten [1-78; Bibliographie zum Versprechen und zu verwandten Phänomenen: 79-110; Appendix: 1-265]. Mit Materialien auf Diskette. Wissenschaftsverlag Edition Praesens, Wien 1998. ISBN 3-901126-91-0
  • Nora Wiedenmann: Versprecher: Dissimilation von Konsonanten. Sprachproduktion unter spatio-temporalem Aspekt. In: Linguistische Arbeiten, 404, Niemeyer Verlag, Tübingen 1999. ISBN 3-484-30404-9, ISSN 0344-6727
  • Nora Wiedenmann: Versprechen – Verschreiben – Vertippen: Fehleranalyse. In: Sprache & Sprachen 27/28 (2002), 82-107. ISSN 0934-6813
  • Nora Wiedenmann: Versprechen – oder der Verlust des Genitiv-s im Deutschen als einsetzender Sprachwandel? [Making Speech Errors – Or the Lost of the German Genitive-s As Beginning Language Change?]. In: Estudios Filológicos Alemanes, Revista del Grupo de Investigación Filología Alemana, Vol. 4, Editorial Kronos, Sevilla 2004. ISSN 1578-9438

[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] Siehe auch


aa - ab - af - ak - als - am - an - ang - ar - arc - as - ast - av - ay - az - ba - bar - bat_smg - bcl - be - be_x_old - bg - bh - bi - bm - bn - bo - bpy - br - bs - bug - bxr - ca - cbk_zam - cdo - ce - ceb - ch - cho - chr - chy - co - cr - crh - cs - csb - cu - cv - cy - da - de - diq - dsb - dv - dz - ee - el - eml - en - eo - es - et - eu - ext - fa - ff - fi - fiu_vro - fj - fo - fr - frp - fur - fy - ga - gan - gd - gl - glk - gn - got - gu - gv - ha - hak - haw - he - hi - hif - ho - hr - hsb - ht - hu - hy - hz - ia - id - ie - ig - ii - ik - ilo - io - is - it - iu - ja - jbo - jv - ka - kaa - kab - kg - ki - kj - kk - kl - km - kn - ko - kr - ks - ksh - ku - kv - kw - ky - la - lad - lb - lbe - lg - li - lij - lmo - ln - lo - lt - lv - map_bms - mdf - mg - mh - mi - mk - ml - mn - mo - mr - mt - mus - my - myv - mzn - na - nah - nap - nds - nds_nl - ne - new - ng - nl - nn - no - nov - nrm - nv - ny - oc - om - or - os - pa - pag - pam - pap - pdc - pi - pih - pl - pms - ps - pt - qu - quality - rm - rmy - rn - ro - roa_rup - roa_tara - ru - rw - sa - sah - sc - scn - sco - sd - se - sg - sh - si - simple - sk - sl - sm - sn - so - sr - srn - ss - st - stq - su - sv - sw - szl - ta - te - tet - tg - th - ti - tk - tl - tlh - tn - to - tpi - tr - ts - tt - tum - tw - ty - udm - ug - uk - ur - uz - ve - vec - vi - vls - vo - wa - war - wo - wuu - xal - xh - yi - yo - za - zea - zh - zh_classical - zh_min_nan - zh_yue - zu -