Lebenszyklushypothese
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[Bearbeiten] Theoriegegenstand
Die Lebenszyklushypothese von Franco Modigliani ist eine dynamische Konsumhypothese und steht in einer Reihe mit der permanenten Einkommenshypothese von Milton Friedman und der relativen Einkommenshypothese von James Duesenberry. Sie ist eine nach dem zweiten Weltkrieg entwickelte Fortschreibung der absoluten Einkommenshypothese, also der ausschließlich statischen Ableitung der Konsumfunktion von Keynes. Sie berücksichtigt die nach dem zweiten Weltkrieg von Simon Smith Kuznets festgestellte Abweichung des amerikanischen Konsum- und Sparverhaltens von den Keynes'schen Prognosen.
Sie erklärt die Höhe des aktuellen Konsums und der Ersparnis in Abhängigkeit des Steuersatzes, des Zinses und der Länge des Ruhestandes. Sie unterstellt, dass sich das Einkommen vom Konsum unterscheidet, abhängig vom Lebensalter. In jungen Jahren gibt der einzelne wenig aus und erzielt einen Überschuss, den er für die spätere Verwendung im Ruhestand anspart. Mit steigendem Lebensalter steigt das Konsumbedürfnis. Also steigt die Konsumquote und es nimmt die Sparneigung des einzelnen ab. Im Ruhestand schließlich wird die während der Erwerbstätigkeit aufgebaute Rücklage aufgezehrt und ausgegeben. Die häufig am Ende des Lebens auftretenden Erbschaften werden nicht erklärt, werden aber oft in Modellrechnungen als fester Betrag eingerechnet.
Der Konsum hängt schließlich auch von den Einkommenserwartungen ab. Sinken diese als Folge eines Konjunktureinbruches, steigt die Sparqoute an, damit das Konsumniveau im Ruhestand gehalten werden kann. Die Folgen dieser Erkenntnis sind grundlegend für die Wirtschaftspolitik. Nur kurzfristig wirkende Konjunkturimpulse verpuffen wirkungslos. Erst die langfristig verbesserten Aussichten der Bevölkerung auf mehr Einkommen steigern den Konsum nachhaltig messbar.
Zwei Erweiterungen des Ansatzes zeigen weitere Einzelheiten des Konsumverhaltens. Die Unterscheidung von Arbeitszeit und Freizeit als weiteres Konsumgut macht verstärkte Sparanstrengungen in den jungen Jahren notwendig. Danach muss der einzelne in jungen Jahren mehr arbeiten. Damit finanziert er das fehlende Einkommen in den späten Jahren aufgrund der vielen Mußestunden an, die er sich dann wünscht. Ferner lässt sich der Konsum verfeinern: in normale und in dauerhafte Konsumgüter. Dann fallen Konsumbetrag und Konsumausgaben auseinander, weil auch für einen Bestand an dauerhaften Konsumgütern vorgespart werden muss. Daraus lässt sich dann auch eine negative Ersparnis (sprich Kreditaufnahme) in der Zeit der Familiengründung errechnen. Insgesamt bietet die Lebenszyklushypothese also eine ausgezeichnete Abbildung der vorhandenen Lebensentwürfe mit seinen wirtschaftlichen Verläufen.
Der von Franco Modigliani entwickelte mathematische Apparat erklärt auch das Alimentationsprinzip der Besoldung der deutschen Beamten. Für die Lebenszyklushypothese erhielt Franco Modigliani 1985 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften.
[Bearbeiten] Mathematisches Beispiel
Die Lebenszyklushypothese ist ein dynamisches mikroökonomisches Partialmodell mit einem endlichen Zeitorizont T. In ihm maximiert ein einzelnes Individuum seinen Nutzen. Die Nutzenfunktion hat die üblichen neoklassischen Annahmen. Sie enthält kein Erbschaftsmotiv. Vereinfacht wird der Nutzen künftiger Perioden gleich zum Nutzen der heutigen Periode wertgeschätzt (kein subjektiver Zeitdiskont). Das Individuum hat sein Leben lang ein konstantes Arbeitseinkommen e, ein Ruhestand wird vereinfacht nicht unterstellt. Das Vermögen V erwirtschaftet den Zinssatz r. Das Kalkül lautet dann: Maximiere die Nutzenfunktion
speziell
unter den Nebenbedingungen
als Budgetgleichung und
als Bestandsgleichung des Vermögens sowie
und als Anfangs- und Endbedingung.
Nach Bildung des Lagrange-Ansatzes, der Anwendung der Kuhn-Tucker-Bedingungen und der partiellen Ableitung nach und erhält man nach der Berechnung des Konsums jeder Periode als Ergebnis die nachstehende Sparfunktion
Normalisiert und abdiskontiert auf die erste Periode ist das
steht für den Konsum der ersten Periode und ist eine feste Zahl, abhängig von Zinsen und Einkommen. Abdiskontiert wird die Ersparnis im Laufe des Lebens immer weiter geringer. Der Konsum nimmt in diesem Modell mit der Rate des Kapitalmarktzinssatzes zu. Da stets größer als ist, wird in der normalisierten Gleichung der Subtraktor im Zeitablauf immer größer, was die Ersparnis sinken lässt. Für große Zinssätze kann man im nicht diskontierten Modell anfangs eine Steigerung der Sparleistung erkennen. Diskontiert man diese Werte aber auf den Beginn des Lebenszykluskalküls herunter, werden auch diese stets geringer.
[Bearbeiten] Literatur
- Ando, Albert und Modigliani, Franco: Tests of the Life Cycle Hypothesis of Saving: Comments and Suggestions, Oxford Institute of Statistics Bulletin, Vvol. xix (Mai 1957), S. 99-124
- Franz, Wolfgang: Die Lebenszyklushypothese der Konsumfunktion: Eine empirische Überprüfung für die Bundesrepublik Deutschland. In: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik. (1976), S. 97-116